Aufbauhilfe für junge Regisseure

Von Christian Gampert |
An der Nebenspielstätte des Münchner Residenztheaters, dem Marstall-Theater, haben für zwei Abende Nachwuchsregisseure das Ruder übernommen. Sechs Premieren waren zu sehen: von Bulgakows "Hundeherz" bis zu Heiner Müllers "Hamletmaschine".
Der Münchner "Marstallplan" ist eine Art Aufbauhilfe für junge Regisseure, die meisten von ihnen Regieassistenten am Residenztheater, die nun auch mal inszenieren wollten. Die Dramaturgie hatte für die sechs Stücke ein gemeinsames Thema vorgegeben: "Hochstapeln" als Überlebens-Technik im Spätkapitalismus - wobei augenzwinkernd wohl auch die inszenatorische Hochstapelei in Kauf genommen wurde.

Am ersten Abend untersuchte Gernot Grünewald ("Lügensucht im Dienste der Ich-Erhöhung") spielerisch-halbdokumentarisch die Stilmittel eines Hochstaplers, Gregor Turecek ließ in Kathrin Rögglas "Wir schlafen nicht" gestresste Leistungsträger von einer Tennisball-Wurfmaschine bombardieren, und Robert Gerloff begab sich mit David Gieselmanns erst halbfertiger Stück-Skizze "Container Paris" auf die Suche nach dem heiligen Gral - oder auch, ins Szanario der Globalisierung übersetzt, nach einem verschwundenen Container mit unbekanntem Inhalt.

Am zweiten Abend dann die wichtigste Aufführung: Kathrin Plötner inszenierte Heiner Müllers "Hamletmaschine" als eine Art Fernseh-Unterhaltung mit großer Showtreppe, hinter der der Abgrund der Menschheits-Geschichte lauert.

Der feingliedrige Robert Niemann spielte den Hamlet als Angeber und Pop-Star, der Heiner Müllers kulturpessimistische Endzeit-Vision ("Mein Drama findet nicht mehr statt") mit Liedermachergeschrammel, Hardrock-Gedröhn und martialisch geschwenktem Hackebeilchen in den Griff zu bekommen sucht. Leider wirken die theatralen Mittel mehr als aufgesetzt: Alles wird durch den großen Musik-Wolf gedreht, Hamlet schwebt über einer flugs zusammengeholten, kreischenden Menge von Statisten wie der Lead-Sänger im Popkonzert; dann übt er sich im Muppet-Show-Puppenspiel oder gib den großen Grimassenschneider. All das aber bleibt rein illustrativ und dem Text äußerlich, eine wirkliche Auseinandersetzung mit Müllers Zynismen und mit seiner Geschichtsauffassung findet nicht statt.

Ganz mönchisch und karg dann Martina Gredlers "Hundeherz"-Inszenierung nach Michail Bulgakow: Ein Hund wird zum "neuen Menschen" um-operiert - 1925 natürlich eine böse Parodie auf die Erziehungsmaßnahmen des Sowjetsozialismus und den sich bereits abzeichnenden Stalinismus. Die Regisseurin dagegen versteht ihn - auch - als Kritik an aktuellen biotechnologischen Manipulations-Möglichkeiten.

Gredler lässt den Bulgakow-Text nun von dem Schauspieler Shenja Lacher als reine Lesung vortragen - und der macht das großartig, gräbt sich auch körperlich in diese Geschichte ein; falls das mitgeschnitten wurde, ist es ohne weiteres als virtuoses Hörstück sendbar. Die zweite Ebene ist dann ein hausgroßer Videoschirm, auf dem allerlei Banalitäten aus dem heutigen Münchner Alltag zu sehen sind sowie Interviews mit Schönheits-Chirurgen und Hundesalon-Besitzerinnen. Die beiden Stränge laufen leider einfach so nebeneinander her - und die Inszenierung läuft sich dabei sehr schnell müde.

Zum Schluss stellten durch die Wand brechende Batman-Figuren dem Publikum jene Gewissensfragen, die Max Frisch in seinen Tagebuch zu "Fragebogen" gebündelt hat: "Sind Sie sicher, dass Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert?" Nein, wir sind nicht sicher. Wir sind aber auch nicht sicher, ob die etwas schlappe Performance, die der Regisseur Alexander Riemenschneider angerichtet hat, uns interessiert.

Insgesamt ist dieses Sechserpack aus Nachwuchs-Inszenierungen eher eine Demonstration theatralischer Mittel als ein großer Wurf; mit zwei Wochen Probenzeit und kleinem Budget für die Bühne waren aber von vornherein eher Fingerübungen zu erwarten. Immerhin ist das Projekt eine Attraktion für Münchner Jugendliche und Nachtschwärmer, die allerdings ein wenig Sitzfleisch mitbringen müssen: Jeder der beiden Abende beginnt um 19 Uhr und endet gegen Mitternacht.
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