Auffallen in der Mehrheitsgesellschaft
In Deutschland gibt es nur wenige Tausend Sikhs. Viele Deutsche kennen den Sikh-Glauben nicht und halten seine Anhänger fälschlicherweise für Muslime. Daher bekommt die Sikh-Community die aufgeheizten Islam-Debatten negativ zu spüren.
"Ich habe mit 14, 15 angefangen, langsam angefangen zu sagen 'ich interessiere mich dafür' und begonnen, meine Haare nicht zu schneiden. Und hab einfach mich in den Wind gestellt und geguckt, wo mich der Wind hinführt. Und irgendwann hab ich dann gedacht, ich bin ein Sikh."
Eine Gruppe von Kindern sitzt vor Robin Randhawa. Robin ist Anfang 20, trägt einen blauen Seidenanzug, Vollbart, Turban, an den Hüften baumelt ein silberner Miniaturdolch. Die Erkennungszeichen der Sikh-Religion aus Indien. Einmal in der Woche gibt Robin in der Hamburger Sikh-Gemeinde Unterricht. Er lehrt das Punjabi-Alphabet, eine indische Schrift. Damit will er deutsch-indische Kinder an den Sikhismus heranführen. Robin ist sehr fest in seinem Glauben. Das war nicht immer so:
"Als erstes dachte ich, ich will deutsch sein. Leben wie die Deutschen, finde ich gut. Klar gibt es da Probleme, die Familiensitten der Inder sind manchmal sehr traditionell, man sollte nicht nachts irgendwo draußen herumlungern, 10, 12 Uhr nachts noch draußen sein, Spaß haben, Party machen, da gab es halt so einen Culture-Crash."
Robin ist in Hamburg geboren, studiert IT, liebt indisch angehauchte Elektromusik. Er ist einer von fünf- bis zehntausend Sikhs in Deutschland. Guru Nanak gründete die Religion vor 500 Jahren in Indien. Nanak missfiel der Bilderkult des Hinduismus und der Islam kam ihm reglos vor. In den Mittelpunkt stellte er die Verehrung Gottes. Priester, als Vermittler zu Gott, lehnte er ab. Alle Menschen seien gleich, Frauen gelten als ebenbürtig zu den Männern. Ursprünglich war der Sikhismus eine mutige Reformreligion, deren Anhänger sich gegen die Moguln verteidigten. Dies symbolisiert auch der Dolch, den Sikhs bei rituellen Feiern bei sich tragen. Die heutigen, jungen Sikhs in Deutschland ringen nicht so sehr mit äußeren Feinden – als vielmehr mit ihrer Rolle in der Diaspora.
"Ich war früher viel auf Parties, auch in meiner pubertierenden Zeit. Aber jetzt – viele müssen sich besaufen, um glücklich zu werden, ich brauch das alles nicht."
Gruppe: "Also, wenn ich mit der Bahn hierher komme, dann komme ich in immer mit der Traditionskleidung, wenn mich die Leute angucken, bin auch innerlich immer ein bisschen stolz. Die interessieren sich bestimmt für deine Religion."
Sich die Berührungsängste einzugestehen, die bei vielen Deutschen bestehen, ist sicher nicht leicht. Aufklärung, zum Beispiel in der Schule, ist den Sikhs hochwillkommen.
Gruppe: "In der 6. Klasse hatten wir Projektwoche Religion, und da sind wir auch mit unserer Klasse hierhergekommen. Da hat der Lehrer erklärt, was die Sikh-Religion ist. Sie hatten schon ein bisschen mehr Respekt in meiner Klasse. Die haben Fragen gestellt. Warum trägst du das? Warum schneidest du nicht die Haare? Das hat sich dann geklärt."
Sikhs verehren ihren Körper als einen Tempel. Das Haar gilt als Körperteil. Daher darf man es nicht schneiden. Es wird bedeckt mit einem Turban oder einem Tuch. Und zwar bei beiden Geschlechtern.
Mädchen: "Bei uns Mädchen ist es immer noch was anderes. Die Jungs, die fallen auf. Die haben's auch schwerer in der Gesellschaft. Ich kenn es von meinem Bruder. Ich weiß, dass die es am Anfang schwer haben. Wenn sie neu sind, die Leute gucken. Ich weiß es von meinem Vater und von anderen. Sobald man eine innere Überzeugung davon hat, dann berührt einen das auch nicht mehr."
Robin Randhawa: "Seit dem 11. September ist nunmal so. Wirst vielleicht mal angepöbelt 'Du Muslim' oder 'Du Scheiß-Taliban', diese Vorwürfe gibt’s immer. Man muss einfach einen kühlen Kopf bewahren und einfach ein Lächeln haben, sonst würde man da einfach gar nicht durchkommen."
Sikhs, die ein wenig hager sind, den vorgeschriebenen Vollbart tragen, dazu Turban, können Osama bin Laden durchaus stark ähneln.
Karam: "Mit Turban ist man schon auffällig. Da wird man von jedem angeguckt. Besonders jetzt in meinem Beruf, da merke ich das, als Taxifahrer."
Karam, 28 Jahre, ist als Kind nach Deutschland gekommen. Nach dem Abitur ist er überzeugter Sikh geworden. Seither trägt er Turban und Bart. Als Taxifahrer hört er oft folgende Frage:
"'Darf ich sie fragen, woher sie kommen?' Ich muss sagen: Ich bin geboren in Afghanistan. Ich bin ein afghanischer Sikh. Aber aufgewachsen in Indien. Sobald sie einen sehen mit Turban und Bart, denken sie 'Islam'. Deshalb fragen sie auch so vorsichtig. Wenn sie hören 'Indien', dann werden sie gleich lockerer. Dann fangen sie an zu erzählen."
In der Gemeinde wird, wie jeden Sonntag, kostenlos Essen ausgeteilt, fritiertes Gemüse und Reis in Plastikschalen. Bei der Armenspeise zu helfen gilt als Dienst für Gott. Der Sikhismus betont das Hier und Jetzt. Auch wenn Sikhs an Wiedergeburt glauben, - wiedergeboren werden allerdings nur Menschen, die schlechte Taten begehen - , gibt es für sie keine vorbestimmte Zukunft, jeder hat sein Leben selbst in der Hand. Auf seine Weise versucht das auch Robin, der Sprachlehrer. Er hat das Internetportal sikh-youth.de gegründet, das Kinder und Jugendliche aus der Isolation holen soll. Robin hat Porträts von jungen Sikhs geschrieben, die zum ersten Mal Kopftuch tragen.
"Diese sikh-youth-Sache ist so, wir gehen in verschiedene Städte, versuchen kleinen Kindern Mut zu machen. Wenn Ihr Hilfe braucht, wir stehen hinter Euch. Da hattest Du es natürlich auch schwer, weil Deine Eltern arbeiten und Du bist allein zuhause. Dann ist da die Schule, da gibt es Probleme, in der Schule wirst Du gehänselt. Weil Du halt aus der Masse herausstichst. Dann gibt’s dann sowas wie 'Ha, guck mal hier, der Inder!'."
Am kommenden Wochenende werden auf Robins Initiative junge Sikhs aus ganz Europa nach Hamburg kommen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern, zu singen und über ihren Glauben und das Leben in der Diaspora zu reden. Robin wird an dem Treffen auch teilnehmen.
Gottesdienst im Sikh-Tempel, Gurdwara genannt. Wer Tabak bei sich trägt oder Alkohol getrunken hat, darf den Tempel nicht betreten. Beim Gottesdienst liegt ein überdimensioniertes Buch auf einem Thron, der mit blinkenden Lichtern geschmückt ist. Es ist das heilige Buch der Sikhs, in dem Aussprüche verschiedener Heiliger zum Gotteslob und zur Ethik der Glaubensgemeinschaft gesammelt sind. In Deutschland sind die Sikhs eine kleine Gruppe, die eigentümlich wirkt. In Indien fallen sie nicht auf. Allerdings leben die meisten Sikhs dort ihren Glauben auch nicht so bewusst wie Robin:
"Ich war im März in Indien und es hat mich natürlich sehr schockiert dort. Ich hab das gesehen, meine Eltern, als sie hierher kamen, oder die Eltern vieler anderer, sie kannten ihre eigene Religion nicht. Ich würde schon sagen, wenn ich in Indien wäre, dass ich eigentlich kein Sikh wäre. Es kommen viele hierher und fangen erst an, nachzudenken, was überhaupt unsere Religion, was unsere Identität ist."
Robin engagiert sich für die Sikh-Community, mit Internet-Projekten, als Sprachlehrer, er liest intensiv die heiligen Schriften. Sein Weg, um mit der Diaspora klarzukommen. Robin versucht es mit charmantem Optimismus:
"Es ist so: Es werden viele Generationen vergehen, bis wir auch eine feste Identität haben, bis auch der erste Beamte einen Turban trägt oder der erste Polizist, wie in England oder Amerika. Man muss das auch mit einem Lächeln sehen!"
Eine Gruppe von Kindern sitzt vor Robin Randhawa. Robin ist Anfang 20, trägt einen blauen Seidenanzug, Vollbart, Turban, an den Hüften baumelt ein silberner Miniaturdolch. Die Erkennungszeichen der Sikh-Religion aus Indien. Einmal in der Woche gibt Robin in der Hamburger Sikh-Gemeinde Unterricht. Er lehrt das Punjabi-Alphabet, eine indische Schrift. Damit will er deutsch-indische Kinder an den Sikhismus heranführen. Robin ist sehr fest in seinem Glauben. Das war nicht immer so:
"Als erstes dachte ich, ich will deutsch sein. Leben wie die Deutschen, finde ich gut. Klar gibt es da Probleme, die Familiensitten der Inder sind manchmal sehr traditionell, man sollte nicht nachts irgendwo draußen herumlungern, 10, 12 Uhr nachts noch draußen sein, Spaß haben, Party machen, da gab es halt so einen Culture-Crash."
Robin ist in Hamburg geboren, studiert IT, liebt indisch angehauchte Elektromusik. Er ist einer von fünf- bis zehntausend Sikhs in Deutschland. Guru Nanak gründete die Religion vor 500 Jahren in Indien. Nanak missfiel der Bilderkult des Hinduismus und der Islam kam ihm reglos vor. In den Mittelpunkt stellte er die Verehrung Gottes. Priester, als Vermittler zu Gott, lehnte er ab. Alle Menschen seien gleich, Frauen gelten als ebenbürtig zu den Männern. Ursprünglich war der Sikhismus eine mutige Reformreligion, deren Anhänger sich gegen die Moguln verteidigten. Dies symbolisiert auch der Dolch, den Sikhs bei rituellen Feiern bei sich tragen. Die heutigen, jungen Sikhs in Deutschland ringen nicht so sehr mit äußeren Feinden – als vielmehr mit ihrer Rolle in der Diaspora.
"Ich war früher viel auf Parties, auch in meiner pubertierenden Zeit. Aber jetzt – viele müssen sich besaufen, um glücklich zu werden, ich brauch das alles nicht."
Gruppe: "Also, wenn ich mit der Bahn hierher komme, dann komme ich in immer mit der Traditionskleidung, wenn mich die Leute angucken, bin auch innerlich immer ein bisschen stolz. Die interessieren sich bestimmt für deine Religion."
Sich die Berührungsängste einzugestehen, die bei vielen Deutschen bestehen, ist sicher nicht leicht. Aufklärung, zum Beispiel in der Schule, ist den Sikhs hochwillkommen.
Gruppe: "In der 6. Klasse hatten wir Projektwoche Religion, und da sind wir auch mit unserer Klasse hierhergekommen. Da hat der Lehrer erklärt, was die Sikh-Religion ist. Sie hatten schon ein bisschen mehr Respekt in meiner Klasse. Die haben Fragen gestellt. Warum trägst du das? Warum schneidest du nicht die Haare? Das hat sich dann geklärt."
Sikhs verehren ihren Körper als einen Tempel. Das Haar gilt als Körperteil. Daher darf man es nicht schneiden. Es wird bedeckt mit einem Turban oder einem Tuch. Und zwar bei beiden Geschlechtern.
Mädchen: "Bei uns Mädchen ist es immer noch was anderes. Die Jungs, die fallen auf. Die haben's auch schwerer in der Gesellschaft. Ich kenn es von meinem Bruder. Ich weiß, dass die es am Anfang schwer haben. Wenn sie neu sind, die Leute gucken. Ich weiß es von meinem Vater und von anderen. Sobald man eine innere Überzeugung davon hat, dann berührt einen das auch nicht mehr."
Robin Randhawa: "Seit dem 11. September ist nunmal so. Wirst vielleicht mal angepöbelt 'Du Muslim' oder 'Du Scheiß-Taliban', diese Vorwürfe gibt’s immer. Man muss einfach einen kühlen Kopf bewahren und einfach ein Lächeln haben, sonst würde man da einfach gar nicht durchkommen."
Sikhs, die ein wenig hager sind, den vorgeschriebenen Vollbart tragen, dazu Turban, können Osama bin Laden durchaus stark ähneln.
Karam: "Mit Turban ist man schon auffällig. Da wird man von jedem angeguckt. Besonders jetzt in meinem Beruf, da merke ich das, als Taxifahrer."
Karam, 28 Jahre, ist als Kind nach Deutschland gekommen. Nach dem Abitur ist er überzeugter Sikh geworden. Seither trägt er Turban und Bart. Als Taxifahrer hört er oft folgende Frage:
"'Darf ich sie fragen, woher sie kommen?' Ich muss sagen: Ich bin geboren in Afghanistan. Ich bin ein afghanischer Sikh. Aber aufgewachsen in Indien. Sobald sie einen sehen mit Turban und Bart, denken sie 'Islam'. Deshalb fragen sie auch so vorsichtig. Wenn sie hören 'Indien', dann werden sie gleich lockerer. Dann fangen sie an zu erzählen."
In der Gemeinde wird, wie jeden Sonntag, kostenlos Essen ausgeteilt, fritiertes Gemüse und Reis in Plastikschalen. Bei der Armenspeise zu helfen gilt als Dienst für Gott. Der Sikhismus betont das Hier und Jetzt. Auch wenn Sikhs an Wiedergeburt glauben, - wiedergeboren werden allerdings nur Menschen, die schlechte Taten begehen - , gibt es für sie keine vorbestimmte Zukunft, jeder hat sein Leben selbst in der Hand. Auf seine Weise versucht das auch Robin, der Sprachlehrer. Er hat das Internetportal sikh-youth.de gegründet, das Kinder und Jugendliche aus der Isolation holen soll. Robin hat Porträts von jungen Sikhs geschrieben, die zum ersten Mal Kopftuch tragen.
"Diese sikh-youth-Sache ist so, wir gehen in verschiedene Städte, versuchen kleinen Kindern Mut zu machen. Wenn Ihr Hilfe braucht, wir stehen hinter Euch. Da hattest Du es natürlich auch schwer, weil Deine Eltern arbeiten und Du bist allein zuhause. Dann ist da die Schule, da gibt es Probleme, in der Schule wirst Du gehänselt. Weil Du halt aus der Masse herausstichst. Dann gibt’s dann sowas wie 'Ha, guck mal hier, der Inder!'."
Am kommenden Wochenende werden auf Robins Initiative junge Sikhs aus ganz Europa nach Hamburg kommen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern, zu singen und über ihren Glauben und das Leben in der Diaspora zu reden. Robin wird an dem Treffen auch teilnehmen.
Gottesdienst im Sikh-Tempel, Gurdwara genannt. Wer Tabak bei sich trägt oder Alkohol getrunken hat, darf den Tempel nicht betreten. Beim Gottesdienst liegt ein überdimensioniertes Buch auf einem Thron, der mit blinkenden Lichtern geschmückt ist. Es ist das heilige Buch der Sikhs, in dem Aussprüche verschiedener Heiliger zum Gotteslob und zur Ethik der Glaubensgemeinschaft gesammelt sind. In Deutschland sind die Sikhs eine kleine Gruppe, die eigentümlich wirkt. In Indien fallen sie nicht auf. Allerdings leben die meisten Sikhs dort ihren Glauben auch nicht so bewusst wie Robin:
"Ich war im März in Indien und es hat mich natürlich sehr schockiert dort. Ich hab das gesehen, meine Eltern, als sie hierher kamen, oder die Eltern vieler anderer, sie kannten ihre eigene Religion nicht. Ich würde schon sagen, wenn ich in Indien wäre, dass ich eigentlich kein Sikh wäre. Es kommen viele hierher und fangen erst an, nachzudenken, was überhaupt unsere Religion, was unsere Identität ist."
Robin engagiert sich für die Sikh-Community, mit Internet-Projekten, als Sprachlehrer, er liest intensiv die heiligen Schriften. Sein Weg, um mit der Diaspora klarzukommen. Robin versucht es mit charmantem Optimismus:
"Es ist so: Es werden viele Generationen vergehen, bis wir auch eine feste Identität haben, bis auch der erste Beamte einen Turban trägt oder der erste Polizist, wie in England oder Amerika. Man muss das auch mit einem Lächeln sehen!"