Erfolge im Kampf gegen Waldzerstörung
140 Euro verdienen Diebe in Kenia mit einem 200 Jahre alten Baum. Die illegale Waldzerstörung ist ein lohnendes Geschäft – das mit Aufklärung über die klimatischen Folgen und alternativen Energiekonzepten gestoppt werden soll.
"This is a tree that has been cut down by some members of the community for charcoal burning or selling it to the towns for wood. And this tree takes like hundred years to mature."
Mit einem Stock klopft Gilbert Njeru gegen den Baumstumpf.Der Baum sei von Dorfbewohnern gefällt worden, um daraus Holzkohle herzustellen, erklärt er. Etwa hundert Jahre alt sei diese Olea Africana gewesen. Njeru arbeitet für den örtlichen Nationalpark und führt michzusammen mit dem Ranger Copro Kekonge durch den dichten Mischwald rund um den Mount Kenya. Mit fast 5200Metern Höhe ist er das zweithöchste Bergmassiv auf dem afrikanischen Kontinent und einer der fünf Water Towers des Landes, also eines der Gebiete, aus denen ein Großteil von Kenias Wasserreserven stammt.
Copro Kekonge stapft durch hüfthohe Farne und Sträucher weiter bergauf in den Wald hinein – auf der Suche nach illegalen Abholzungen. Nach einigen hundert Metern entdeckt der Ranger einen Trampelpfad und kurz darauf einen noch sehr viel größeren Baumstumpf. Gut einen Meter Durchmesser hat der Stamm. Wieder eine Olea Africana. Die Bäume mit dem knorrigen Stamm und der dichten, ausladenden Krone sind bei den Holzdiebensehr beliebt.
"I just feel like crying. Because I am employed to take care of the forest and then I see it being destroyed like this."
Er könnte weinen, wenn er diese Zerstörung sehe, sagt Njeru. Schließlich sei es sein Job, den Wald zu schützen. Aus einem Teil der illegal gefällten Bäume werden Holzfiguren und Schmuck für die Souvenirläden in den größeren umliegenden Ortschaften geschnitzt. Der Großteil aber wird zu Holzkohle verarbeitet — in Kenia die am weitesten verbreitete Energiequelle zum Heizen und Kochen.
"This one was probably two hundred years old. And it was fell for greed... Dieser Baum war wahrscheinlich um die zweihundert Jahre alt. Er wurde aus Habgier abgeholzt. Die Dorfbewohner haben ihn mit einem Ochsenkarren aus dem Wald transportiert, daher der Trampelpfad. Oft verbrennen sie das Holz noch im Wald zu Holzkohle, aber manchmal haben sie auch Angst, dass wir den Rauch sehen und ihre Arbeitsplätze zerstören. Dann zerlegen sie den Stamm im Wald, transportieren das Holz ins Dorf und verbrennen es dort....so they cut the logs and burn them in their houses."
Drastische Geldstrafen sind keine große Abschreckung
Armut und Landnot sind der größte Antrieb für die illegale Abholzung der Wälder, aber in dieser Gegend gehe es auch ums schnelle Geld, meint Njeru. Rund um den Mount Kenya sei der Boden fruchtbar, trotzdem pflanzten nur wenige Dorfbewohner Bäume auf dem eigenen Grundstück. Mit einem Jahrzehnte oder Jahrhunderte alten Baum wie diesem könnten die Holzdiebe 15.000 kenianische Schilling verdienen, umgerechnet rund 140 Euro. Eine Menge Geld - und offenbar ist diese Aussicht verlockender als die mögliche Strafe abschreckt - 50.000 Schilling müssten die Diebe zahlen, wenn sie erwischt werden - also mehr als dreimal soviel - oder für sechs Monate ins Gefängnis. Gilbert Njeru:
"The only thing we can do is talk to the communities...Das einzige, was wir tun können, ist mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer zu sprechen, um sie für die Bedeutung des Waldes zu sensibilisieren – und was passiert, wenn sie die Bäume weiter abholzen. Was das z.B. mit dem Klimawandel zu tun hat. Die meisten wissen nicht, dass die Bäume mitverantwortlich sind für den Regen und dass der Regen abnehmen wird, wenn sie den Wald zerstören....if they destroy the trees in the forests the rain will decrease."
Wie hier um den Mount Kenya arbeiten seit einigen Jahren lokale Behörden im ganzen Land eng mit der Bevölkerung zusammen, um der Abholzung entgegenzutreten – nicht zuletzt wegen der direkten gesellschaftlichen Folgen. Theoretisch könnte ein großer Teil des Regens in dem wasserarmen Land durch die Wälder selbst generiert werden. Die immer wieder verheerenden Dürren und daraus folgenden Hungerkatastrophen müssen deshalb auch vor dem Hintergrund der jahrelangen Abholzung gesehen werden.
Als Kenia 1963 unabhängig wurde, waren noch gut zwölf Prozent des Landes von Wald bedeckt. Vierzig Jahre später, zu Beginn des neuen Jahrtausends, weniger als zwei Prozent. Allein der Mau Forest, der größte indigene Wald Ostafrikas, hat ein Drittel seines Baumbestands eingebüßt.
Neben Armut und Landnot hat auch die Korruption den kenianischen Wäldern geschadet. Der frühere Präsident Daniel arap Moi belohnte seine Gefolgsleute gerne mit Land aus staatlichem Besitz, das sie wiederum privat weiterverkaufen konnten – wenig überraschend, dass dem Umweltschutz bei diesem Geschachere keine tragende Rolle zukam. Kenias Politiker hätten die Bedeutung der Wälder mittlerweile aber erkannt, sagt Achim Steiner. Er ist Exekutivdirektor der UNEP. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat sein Hauptquartier in Nairobi.
"Der Markt wurde geschlossen für Holzproduktion aus nationalem Anbau. Das Abholzen von Baumstämmen im Sinne eines Waldes ist nur sehr restriktiv in Kenia möglich. Natürlich findet immer noch illegale Abholzung statt, aber ein Großteil des Holzhandels hier wird mit dem Import aus Zentralafrika bedient."
Das hat gesetzliche Gründe: Kenia hat in seiner Verfassung festgeschrieben, dass zehn Prozent der Landesfläche in Zukunft wieder bewaldet sein sollen. Inzwischen sind es immerhin schon wieder vier bis fünf Prozent. Ein kleiner Zwischenerfolg, den das Land durch die gesetzliche Regelung und Kontrollen erreicht hat. Damit ist Kenia vielen anderen Ländern des Kontinents um mehr als einen Schritt voraus: Der illegale Holzhandel in Afrika insgesamt blüht – und ist nicht mehr nur ein ökologisches Problem, sondern auch ein sicherheitspolitisches. Nachzulesen ist das in einem Bericht zur Umweltkriminalität auf dem afrikanischen Kontinent, den die UNEP im vergangenen Sommer veröffentlicht hat.
"Das ist nicht mehr nur ein lokaler Handel, sondern das ist ein international in hunderten von Millionen Euro stattfindender Handel quer über den afrikanischen Kontinent in den mittleren Osten hinein, der uns eben besonders dadurch auffiel, dass die Größenordnung inzwischen wirklich eine Handelsdimension erreicht hat – und was wir eben beobachten in Gebieten wie Somalia, dass dort der Holzhandel durch die Besteuerung auf den Straßen und den Lastwagen bis hin zu den Zwischenhändlern einen ganz beträchtlichen Anteil des Geldes verdient, der dann zum Beispiel einer Al Shabaab Gruppe oder anderen den Einkauf von Waffen wiederum ermöglicht."
Auch Wanjira Mathai sieht die Abholzung nicht als rein umweltpolitisches Problem. Sie ist die Vorstandsvorsitzende des Greenbelt Movement – einer mittlerweile weit über die Grenzen Kenias hinaus bekannten Umweltschutzorganisation – gegründet von Wanjiras Mutter – der Friedensnobelpreisträgerin Wangaari Mathaai. Seit dem Tod der charismatischen Aktivistin im Jahr 2011 führt ihre Tochter die Graswurzelbewegung, die auf eine unmittelbare Beteiligung der Bevölkerung setzt.
"The environmental awareness, at least in Kenya, is quite high... Das Umweltbewusstsein, zumindest in Kenia, ist ziemlich hoch. Und wir versuchen die Abholzung nicht nur in Hinblick auf die Umwelt zu diskutieren, sondern auch als wirtschaftliches Problem. Welchen Einfluss hat sie auf das Bruttoinlandsprodukt? Was bedeutet es, wenn 70% der Elektrizität von Flüssen kommt, die von diesen Bergen fließen? Wenn du auch solche Fragen stellst, beginnt der Schutz des Waldes auch ökonomisch Sinn zu machen und damit gewinnst du die Aufmerksamkeit der Leute....then you can get the attention of the people."
Sieben Milliarden Bäume - einer pro Erdbewohner
Im Garten des Greenbelt Movement zeigt Wanjira Mathai die kleine Baumschule. Ein Teil der Setzlinge soll in den nahegelegenen Karuraforest gepflanzt werden, er ist der zweitgrößte Stadtwald der Welt. Um den Erhalt dieses Waldes hat Wangari Mathaai schon in den 70er Jahren gekämpft. Mehrfach wurde sie von politischen Gegnern verprügelt und saß im Gefängnis, aber sie machte unbeirrt weiter. Wangari Mathaai war es auch, die 2006 die UNEP-Kampagne „One billion trees“ inspirierte. Als ein Jahr nach dem Start der weltweiten Kampagne der einmilliardste Baum gepflanzt werden konnte, in Äthiopien - und übrigens eine Olea Africana - hieß das neue internationale Ziel: Ein Baum pro Erdbewohner. Sieben Milliarden Stück. Auch diese Marke wurde erreicht.
Das Greenbelt Movement setzt sich indes weiter für die Wiederaufforstung in Kenia ein, erreichtet Baumschulen und betreibt Aufklärungsarbeit – mit großem Erfolg. Die mittlerweile wieder langsam wachsende Waldfläche dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, sagt Wanjira Mathai, dass die Ursachen der Waldabholzung noch immer nicht grundlegend bekämpft würden.
“I think charcoal in this country is still unregulated and is largely produced illegally…”
Die Holzkohleproduktion sei in Kenia immer noch nicht gut genug geregelt und hauptsächlich illegal. Aber sie sei nicht naiv, sagt die Umweltschützerin, hält kurz inne und blickt hinauf zu dem Flugzeug, das über unsere Köpfe hinweg fliegt.
"Holzkohle ist ein unglaublich wichtiger Teil der Energiegleichung. 80 Prozent der Kenianer sind auf Holzkohle und Feuerholz zum Kochen angewiesen. Das ist eine riesige Menge! Bis wir eine Alternative gefunden haben, eine Möglichkeit, Holzkohle nachhaltiger zu produzieren, können wir nicht einmal anfangen, das Thema tatsächlich anzugehen. Man muss es wirklich ganzheitlich sehen: Neue Produktionsansätze finden, aber auch saubere Öfen entwickeln, damit die Leute gesünder kochen können und weniger Brennstoff verbrauchen. Und vor allem müssen wir Brennstoffe finden, die nicht aus dem Wald kommen, sondern nachhaltiger sind.“...that is not produced from forests, that are more sustainable."
Auch für die Gesundheit der Kenianer wäre das ein Fortschritt. Offene Feuerstellen, wie sie überall im Land und den städtischen Slums genutzt werden, sind langfristig ein erhebliches Risiko. Wanjira Mathai
"Cooking doesn't have to kill – which it does today. Four million people around... Kochen muss nicht töten – das tut es aber heute noch. Vier Millionen Menschen sterben weltweit jedes Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung in ihren Häusern, weil sie mit Holzkohle und auf offenen Feuerstellen kochen. Mit sauberen Öfen können wir also Leben retten, die Umwelt schützen und auf den Klimawandel einwirken - das ist eine phantastische Möglichkeit. Es ist auf jeden Fall machbar. ... a phantastic opportunity. It is entirely possible."
Das Mother's Mercy Home hat diese Möglichkeit bereits ergriffen. In dem Waisenhaus 20 Kilometer nordwestlich von Nairobi wird gerade das Mittagessen vorbereitet. Es ist später Vormittag, im Hof schneidet ein Mitarbeiter dutzende Kohlköpfe. Vor dem Küchengebäude steht Fokko Doyen. Er ist Frachtpilot bei der Lufthansa und unterstützt das Waisenhaus seit Jahren mit seinem Verein Cargo Human Care. Zuletzt haben sie mit Spendengeldern eine neue Küche gebaut, die demnächst die alten ersetzen soll.
In der alten Küche kneten gerade einige der Kinder Chapati – dünne Teigfladen, die in reichlich Fett gebrutzelt werden. Von der offenen Feuerstelle zieht beißender Rauch durch den Raum.
"Das ist ja hier jetzt das beste Beispiel. Wir stehen jetzt hier in der Küche und da hinten ist die offene Feuerstelle, auf der gekocht wird und die Qualmentwicklung ist ja gewaltig. Wir haben eine große Abzugshaube, die ist glaube ich mehr als vier Meter breit und eineinhalb Meter tief und es ist ein Schornstein dran, der auch weit in den Himmel oben ragt, aber leider funktioniert dieser Abzug nicht wie wir es uns vorgestellt haben. Der Qualm zieht an diesem Abzug vorbei ins Gebäude rein und hier in der Küche nach einer halben Minute merkt man schon ein leichtes Beißen in den Augen und wenn man länger hier drin ist, verstärkt sich das noch. Also das sind die Gesundheitsschäden, die wir langfristig unbedingt vermeiden wollen und deswegen unbedingt der Umstieg auf eine andere Energie."
Das Waisenhaus hat sich dabei Inspiration aus Kibera geholt – aus Nairobis größtem Slum. Paula Karanja, die Heimleiterin, führt mich über den Hof an einem Berg von gehacktem Feuerholz entlang in die neue Küche.
"This is our new kitchen…"
Statt mit Feuerholz, Holzkohle oder dem vergleichsweise teuren Propangas soll hier künftig mit Biogas gekocht werden - gewonnen aus dem Gärprozess von Fäkalien. Energy-from-waste — Energie aus Abfall nennt sich die Idee, die auch dem Wald zugute kommen könnte.
"The waste comes from here, then it goes to this storage there…"
Im Kleinen funktionieren alternative Energiekonzepte bereits
Die Biogasanlage von Mother's Mercy Home findet sich hinter dem Haus.
Hier werden die Toilettenabfälle in einen Tank geleitet, auch der Dung der beiden Kühe June und May kommt dort hinein. Das Gas, das bei dem Gärungsprozess der Abfälle entsteht, wird separat gespeichert und schließlich durch eine Leitung zum Ofen in der neuen Küche geleitet. 10.000 Euro hat die Anlage gekostet. Eine große Investition, die sich auf lange Sicht aber durchaus lohnt.
Als Lösung für die Energieversorgung Kenias insgesamt taugt energy-from-waste sicherlich nicht, und auch der Wald lässt sich nicht einzig durch diese Idee retten. Aber im Kleinen, wie hier im Waisenhaus, funktioniert die Idee eben doch, günstige Energie aus Toilettenabfällen zu gewinnen und dabei noch die Wälder zu schützen - und lässt den Berg an Feuerholz im Hof beinah wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten erscheinen.
Auf dem Weg zurück in die Stadt säumen Händler den Straßenrand – vor sich dutzende kleine Bäume und Setzlinge. Dieses Bild sehe ich während der ganzen Reise - nicht nur in Nairobi, auch an vielen anderen Orten im Land, und es zeigt, was UNEP-Direktor Achim Steiner und auch Wanjira Mathai vom Greenbelt Movement immer wieder betont haben: Neben all den Schwierigkeiten haben die meisten Kenianer die Bedeutung des Waldes inzwischen erkannt – das Bewusstsein für den Wert der Bäume ist da. Korruption bleibt zwar ebenso eine Gefahr wie die illegale Abholzung, solange deren Ursachen nicht behoben sind. Aber neben den strengeren Gesetzen haben gerade all die unterschiedlichen Ansätzen, die manchmal wie vereinzelte Projekte guten Willens wirken, geholfen, um die Aufforstung der Wälder in Kenia voran zu bringen.