Aufgewachsen im Fernsehen
"Helga Beimer kehrt vom Einkauf zurück. Ihr kleiner Sohn Klausi liegt mit Masern krank im Bett und langweilt sich." Das ist ein Auszug aus dem Drehbuch der ersten Folge der "Lindenstraße", die vor 25 Jahren ausgestrahlt wurde. Klausi Beimer ist heute 32 - und spielt immer noch mit.
Die Stimme etwas wackelig, die Körperhaltung noch unbeholfen – das ist der strohblonde Klaus Beimer aus der Lindenstraße, der in einer Folge vom März 1988 seiner Serienmutter ein Geburtstagslied singt. Schauspieler Moritz Alexander Sachs ist zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt und schon seit drei Jahren fester Bestandteil der TV-Serie, die allwöchentlich von 13 Millionen Menschen geguckt wird.
Heute, über zwanzig Jahre später sind die Haare etwas dunkler und lichter geworden, die Figur deutlich runder. Die Rolle aber, die ist gleich geblieben. Moritz A. Sachs spielt immer noch Klaus Beimer – mit 32 Jahren:
"Vor dem siebten Lebensjahr erinnert man sich ja relativ rudimentär an die Erfahrungen, die man gemacht hat. Aber im Grunde weiß ich nicht, wie es wäre ohne. Ich glaube, dass es im privaten Alltag keinen großen Unterschied machen würde. Aber wie es sich anfühlen würde nicht den Klaus Beimer zu spielen, das kann ich nicht sagen"
Für Moritz Sachs ist die Lindenstraße eine zweite Heimat, weil er sie so gut kennt, sagt er, aber keine zweite Familie, weil er die Leute zu selten sieht, schließlich wird nur 60 Tage im Jahr gedreht. In den Pausen organisiert der Kölner das Kurzfilmfestival "shnit", arbeitet manchmal als Regieassistent. Aber Klaus Beimer ist bis heute der berufliche Mittelpunkt seines Lebens – vielleicht auch, weil ihm die Figur so nahe steht:
"Im Grunde ist der Klaus Beimer ein völliger Normalo. Er hat vielleicht ein paar Dinge erlebt, die nicht bei jedem vorkommen, er hat zum Beispiel mal mit neun jemanden blind geschossen. Aber im Grunde muss man sagen ist Klaus ein absoluter Durchschnittstyp. Er hat relativ große Ähnlichkeit mit mir, optisch, stimmlich ja sowieso, aber man passt ja so eine Figur über die Jahre auch ein bisschen dem Charakter des Schauspielers an."
Ein gemütlicher Typ, ein Teddybär, ehrlich und zuverlässig, niemals unpünktlich - ein angenehmer Weggefährte – den verkörpert Moritz Sachs in der Serie und auch im richtigen Leben. Er nimmt sich viel Zeit für Interviews, auch während der Arbeit am Set der Lindenstraße in Köln. Kommt im Nikolaus-Kostüm, dass er für den Dreh der Weihnachtsfolge anhat, in die Kantine, lässt sich während seiner Pause befragen, entschuldigt sich, wenn er das Gespräch für die nächste Szene unterbrechen muss. Hektik ist Moritz Sachs ein Fremdwort.
"Im Grunde mögen wir das alle wenn so eine Arbeitsruhe da ist. Wenn immer nur der spricht, der dran ist, man zügig zum Spielen kommt und dann konzentriert arbeiten kann. Es gibt so Sätze wie 'Am Set wird nicht gerannt', wegen des Verletzungsrisikos. Aber es bringt mir auch nichts irgendwo hinzurennen, weil ich dann schwitze und dann neues Make Up brauche. Das ist wie Koffer packen: Sauber, ordentlich und zügig, aber eben nicht zu schnell."
Moritz Sachs ist sieben Jahre alt, als er die Fernsehwelt kennen lernt. Es soll eine unverhoffte Karriere werden, wie ein Raketenstart. Seine Eltern können nicht ahnen, dass ihr Sohn so berühmt wird, dass es sogar einen Starschnitt von ihm in der BRAVO geben wird. Beide sind Juristen, haben mit der Welt des Fernsehens überhaupt nichts zu tun. Auch zuhause spielt das Fernsehen keine wichtige Rolle. Auf dem Spielplatz fragt eines Tages ein Fremder, der sich später als Werbeagent entpuppt, ob er ein Foto von dem süßen Kind machen darf. Es folgt eine Anfrage für ein Kindercasting. Die Eltern sind aufgeschlossen, aber skeptisch.
"Zu Anfang war das so, dass die Anfrage von dem Kindercasting kam, dass wir sogar abgesagt haben, weil ein Kindergeburtstag von Freunden mir, bzw. meinen Eltern wichtiger war, dass ich da hingehe. Und als dann da kein Kind genommen wurde, sind wir nochmal zu einem Einzelcasting gegangen. Und dann gab´s wirklich ne Diskussion zuhause: Wollen wir das? Wollen wir überhaupt, dass das Kind im Fernsehen zu sehen ist? Man muss ja auch immer bedenken: Es ist Arbeit, es ist Stress. Also ich würde mir das auch überlegen, ob ich das meinem Kind zumuten würde."
Die Dreharbeiten sind für den jungen Moritz Sachs wie ein Spiel. Er arbeitet nur wenige Stunden, hat einen geringen Wortanteil, ist relativ unaufgeregt. Aber schnell wird ihm klar, dass er ein ganz anderes Leben führt, als andere Kinder in seinem Alter.
"Irgendwann wird man auf der Straße erkannt, gibt Autogrammstunden. Bei mir ging es dann los, dass mich in der Schule der erste verdreschen wollte, von einem Tag auf den anderen. Das ging relativ schnell. Weil Lindenstraße auch die einzige Serie dieser Art war zu diesem Zeitpunkt; wir waren natürlich unglaublich bekannt. Aus heutiger Sicht kann man sich das gar nicht mehr vorstellen wie groß dieser Hype um uns damals war."
Seine Eltern jedoch achten penibel darauf, dass er sein Abitur macht. Als Moritz Sachs das in der Tasche hat, will er es ihnen sogar gleich tun und Jura studieren. Nach kurzer Zeit aber bricht er das Studium ab. Er dreht unzählige Folgen Lindenstraße im Voraus und nimmt sich ein Jahr frei. Er will weg. Einmal um die Welt. Für sich sein. Ohne Fernsehen.
"Mit 20 bin ich los. Ich bin von Deutschland losgeflogen nach Argentinien. Aus Versehen erstmal in Brasilien gelandet, hatte was Falsches gebucht. Hab das aber erst festgestellt, als ich dort angekommen bin. Und dann bin ich quer durch Südamerika gereist: Argentinien, Chile, Peru bis nach Kolumbien, wo ich recht lange war. Und von da weiter nach Guatemala, dann zurück nach Deutschland, da hab ich sechs Wochen gedreht, die Folgen, die ich in dem Jahr noch zu drehen hatte, bin dann nach Afrika."
Zum Schluss treibt es Moritz Sachs nach Thailand. Es verschlägt ihn an einen einsamen Strand. Ohne Computer, ohne Telefon, ohne Strom. Zwei Monate bleibt er dort.
"Nichts. Gar nichts hab ich da gemacht. Nur rumgesessen. Durch so eine Reise wird man im Rhythmus schon langsamer. Das ist was ganz anderes als zwei Wochen irgendwo hinzufahren, wo man ein Buch braucht oder ne CD hört. Man kriegt so eine Ruhe rein, dass es einem völlig reicht die Wellen anzuschauen und einfach abzuwarten."
Doch Moritz Sachs kommt zurück. Er liebt seine Arbeit, ist zu ehrgeizig, um am Strand liegen zu bleiben. Auch wenn er selber von sich sagt er sei faul. Er lässt sich endgültig in Köln nieder, wohnt dort mit seiner Freundin, einer Theaterschauspielerin, und zwei Kaninchen. 2007 wagt er seinen bisher einzigen Exkurs in ein völlig neues Medium: er leitet ein Musical, ein Stück namens "Die schwarzen Brüder". Im Beruf sucht er nicht, sondern lebt seine Sicherheit, seine Dauerrolle. Dass er auf der Straße mit Klausi angesprochen wird, findet er "plump-vertraulich". Und wenn es ihm zu viel wird, er doch für einen Augenblick wieder ganz Moritz Alexander Sachs sein will, dann geht er wieder auf Reisen.
Heute, über zwanzig Jahre später sind die Haare etwas dunkler und lichter geworden, die Figur deutlich runder. Die Rolle aber, die ist gleich geblieben. Moritz A. Sachs spielt immer noch Klaus Beimer – mit 32 Jahren:
"Vor dem siebten Lebensjahr erinnert man sich ja relativ rudimentär an die Erfahrungen, die man gemacht hat. Aber im Grunde weiß ich nicht, wie es wäre ohne. Ich glaube, dass es im privaten Alltag keinen großen Unterschied machen würde. Aber wie es sich anfühlen würde nicht den Klaus Beimer zu spielen, das kann ich nicht sagen"
Für Moritz Sachs ist die Lindenstraße eine zweite Heimat, weil er sie so gut kennt, sagt er, aber keine zweite Familie, weil er die Leute zu selten sieht, schließlich wird nur 60 Tage im Jahr gedreht. In den Pausen organisiert der Kölner das Kurzfilmfestival "shnit", arbeitet manchmal als Regieassistent. Aber Klaus Beimer ist bis heute der berufliche Mittelpunkt seines Lebens – vielleicht auch, weil ihm die Figur so nahe steht:
"Im Grunde ist der Klaus Beimer ein völliger Normalo. Er hat vielleicht ein paar Dinge erlebt, die nicht bei jedem vorkommen, er hat zum Beispiel mal mit neun jemanden blind geschossen. Aber im Grunde muss man sagen ist Klaus ein absoluter Durchschnittstyp. Er hat relativ große Ähnlichkeit mit mir, optisch, stimmlich ja sowieso, aber man passt ja so eine Figur über die Jahre auch ein bisschen dem Charakter des Schauspielers an."
Ein gemütlicher Typ, ein Teddybär, ehrlich und zuverlässig, niemals unpünktlich - ein angenehmer Weggefährte – den verkörpert Moritz Sachs in der Serie und auch im richtigen Leben. Er nimmt sich viel Zeit für Interviews, auch während der Arbeit am Set der Lindenstraße in Köln. Kommt im Nikolaus-Kostüm, dass er für den Dreh der Weihnachtsfolge anhat, in die Kantine, lässt sich während seiner Pause befragen, entschuldigt sich, wenn er das Gespräch für die nächste Szene unterbrechen muss. Hektik ist Moritz Sachs ein Fremdwort.
"Im Grunde mögen wir das alle wenn so eine Arbeitsruhe da ist. Wenn immer nur der spricht, der dran ist, man zügig zum Spielen kommt und dann konzentriert arbeiten kann. Es gibt so Sätze wie 'Am Set wird nicht gerannt', wegen des Verletzungsrisikos. Aber es bringt mir auch nichts irgendwo hinzurennen, weil ich dann schwitze und dann neues Make Up brauche. Das ist wie Koffer packen: Sauber, ordentlich und zügig, aber eben nicht zu schnell."
Moritz Sachs ist sieben Jahre alt, als er die Fernsehwelt kennen lernt. Es soll eine unverhoffte Karriere werden, wie ein Raketenstart. Seine Eltern können nicht ahnen, dass ihr Sohn so berühmt wird, dass es sogar einen Starschnitt von ihm in der BRAVO geben wird. Beide sind Juristen, haben mit der Welt des Fernsehens überhaupt nichts zu tun. Auch zuhause spielt das Fernsehen keine wichtige Rolle. Auf dem Spielplatz fragt eines Tages ein Fremder, der sich später als Werbeagent entpuppt, ob er ein Foto von dem süßen Kind machen darf. Es folgt eine Anfrage für ein Kindercasting. Die Eltern sind aufgeschlossen, aber skeptisch.
"Zu Anfang war das so, dass die Anfrage von dem Kindercasting kam, dass wir sogar abgesagt haben, weil ein Kindergeburtstag von Freunden mir, bzw. meinen Eltern wichtiger war, dass ich da hingehe. Und als dann da kein Kind genommen wurde, sind wir nochmal zu einem Einzelcasting gegangen. Und dann gab´s wirklich ne Diskussion zuhause: Wollen wir das? Wollen wir überhaupt, dass das Kind im Fernsehen zu sehen ist? Man muss ja auch immer bedenken: Es ist Arbeit, es ist Stress. Also ich würde mir das auch überlegen, ob ich das meinem Kind zumuten würde."
Die Dreharbeiten sind für den jungen Moritz Sachs wie ein Spiel. Er arbeitet nur wenige Stunden, hat einen geringen Wortanteil, ist relativ unaufgeregt. Aber schnell wird ihm klar, dass er ein ganz anderes Leben führt, als andere Kinder in seinem Alter.
"Irgendwann wird man auf der Straße erkannt, gibt Autogrammstunden. Bei mir ging es dann los, dass mich in der Schule der erste verdreschen wollte, von einem Tag auf den anderen. Das ging relativ schnell. Weil Lindenstraße auch die einzige Serie dieser Art war zu diesem Zeitpunkt; wir waren natürlich unglaublich bekannt. Aus heutiger Sicht kann man sich das gar nicht mehr vorstellen wie groß dieser Hype um uns damals war."
Seine Eltern jedoch achten penibel darauf, dass er sein Abitur macht. Als Moritz Sachs das in der Tasche hat, will er es ihnen sogar gleich tun und Jura studieren. Nach kurzer Zeit aber bricht er das Studium ab. Er dreht unzählige Folgen Lindenstraße im Voraus und nimmt sich ein Jahr frei. Er will weg. Einmal um die Welt. Für sich sein. Ohne Fernsehen.
"Mit 20 bin ich los. Ich bin von Deutschland losgeflogen nach Argentinien. Aus Versehen erstmal in Brasilien gelandet, hatte was Falsches gebucht. Hab das aber erst festgestellt, als ich dort angekommen bin. Und dann bin ich quer durch Südamerika gereist: Argentinien, Chile, Peru bis nach Kolumbien, wo ich recht lange war. Und von da weiter nach Guatemala, dann zurück nach Deutschland, da hab ich sechs Wochen gedreht, die Folgen, die ich in dem Jahr noch zu drehen hatte, bin dann nach Afrika."
Zum Schluss treibt es Moritz Sachs nach Thailand. Es verschlägt ihn an einen einsamen Strand. Ohne Computer, ohne Telefon, ohne Strom. Zwei Monate bleibt er dort.
"Nichts. Gar nichts hab ich da gemacht. Nur rumgesessen. Durch so eine Reise wird man im Rhythmus schon langsamer. Das ist was ganz anderes als zwei Wochen irgendwo hinzufahren, wo man ein Buch braucht oder ne CD hört. Man kriegt so eine Ruhe rein, dass es einem völlig reicht die Wellen anzuschauen und einfach abzuwarten."
Doch Moritz Sachs kommt zurück. Er liebt seine Arbeit, ist zu ehrgeizig, um am Strand liegen zu bleiben. Auch wenn er selber von sich sagt er sei faul. Er lässt sich endgültig in Köln nieder, wohnt dort mit seiner Freundin, einer Theaterschauspielerin, und zwei Kaninchen. 2007 wagt er seinen bisher einzigen Exkurs in ein völlig neues Medium: er leitet ein Musical, ein Stück namens "Die schwarzen Brüder". Im Beruf sucht er nicht, sondern lebt seine Sicherheit, seine Dauerrolle. Dass er auf der Straße mit Klausi angesprochen wird, findet er "plump-vertraulich". Und wenn es ihm zu viel wird, er doch für einen Augenblick wieder ganz Moritz Alexander Sachs sein will, dann geht er wieder auf Reisen.