Aufklärung mit schwarzem Humor
Mit respektlosen Bemerkungen holt Christian Mähr die Chemie vom Sockel, ohne sie gleich anschließend an den Pranger zu stellen. An zwölf recht willkürlich gewählten chemischen Verbindungen demonstriert er die Bedeutung der Chemie für die Menschheit.
Die Chemie hat einen schlechten Ruf. Sie langweilt oder überfordert Schüler und Studenten, verseucht die Umwelt, verschmutzt unsere Nahrung und gefährdet die Gesundheit. Zum "UN-Jahr der Chemie" brauchte es dringend ein Buch, das die Wissenschaft von den Substanzen spannend, unterhaltsam und leicht verständlich präsentiert, ohne sie zu glorifizieren. Das ist dem Chemiker, Romanautor und Wissenschaftsredakteur Christian Mähr gelungen.
Mit respektlosen Bemerkungen holt er die Chemie vom Sockel, ohne sie gleich anschließend an den Pranger zu stellen. Als Beispiele wählt er recht willkürlich zwölf chemische Verbindungen, um an ihnen die Bedeutung der Chemie für die Menschheit zu demonstrieren. Leicht verständlich erläutert er die chemischen Formeln von u. a. Alkohol, Soda, Benzin, Zucker, um möglichst schnell von der Chemie zur Geschichte zu wechseln. Er berichtet, wie Zucker den Kolonialismus prägte, wie Alkohol ganze Epochen im Suff versinken ließ oder die Antibaby-Pille das Wesen ganzer Generationen entscheidend prägte.
So entsteht eine anekdotenreiche "chemische Weltgeschichte", in der auch Bösewichte wie DDT (Dichlordiphenyltrichloräthan) ihre Chance bekommen. Die Aussage, dass es sich bei DDT keineswegs um ein besonders starkes Gift handelt, überrascht. Im Vergleich mit den Atemgiften aus dem Ersten Weltkrieg sei DDT wie Babypuder, schreibt der Autor. Erfolgreich war die Substanz vor allem wegen ihrer Langzeitwirkung auf Insekten. Diese Eigenschaft brachte in den 50er Jahren beeindruckende Erfolge bei der Bekämpfung der Anopheles-Mücke und damit der Malaria, die von dieser Mücke übertragen wird.
Erst in den sechziger Jahren erhielt DDT seinen schlechten Ruf. Die Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson beschrieb eine Welt, in der Insekten und Vögel durch DDT vernichtet worden waren. Sie richtete den Blick der Öffentlichkeit auf die Langzeitfolgen des Chemieeinsatzes, insbesondere auf die Anreicherung des Stoffes in der Nahrungskette. Die Naivität, mit der die Chemie lange Zeit bejubelt worden war, wich nach und nach einer grundsätzlichen Ablehnung jeglicher Chemie.
Mit bösen Spitzen lästert Christian Mähr gleichermaßen über Politik, Medien, den Fortschrittsglauben und die Umweltbewegung. Dabei geht es ihm nicht um Chemie-Propaganda, sondern um Aufklärung mit einem Schuss schwarzem Humor. Er räumt mit Vorurteilen auf und setzt dabei gerne auf Provokation. Auch wenn man nicht alle An- und Einsichten des Autors übernimmt, so ist dieses Buch doch in jeden Fall ein Gewinn.
Besprochen von Michael Lange
Christian Mähr: Von Alkohol bis Zucker – Zwölf Substanzen, die die Welt veränderten
Dumont, Köln 2010
224 Seiten, 16,95 Euro
Mit respektlosen Bemerkungen holt er die Chemie vom Sockel, ohne sie gleich anschließend an den Pranger zu stellen. Als Beispiele wählt er recht willkürlich zwölf chemische Verbindungen, um an ihnen die Bedeutung der Chemie für die Menschheit zu demonstrieren. Leicht verständlich erläutert er die chemischen Formeln von u. a. Alkohol, Soda, Benzin, Zucker, um möglichst schnell von der Chemie zur Geschichte zu wechseln. Er berichtet, wie Zucker den Kolonialismus prägte, wie Alkohol ganze Epochen im Suff versinken ließ oder die Antibaby-Pille das Wesen ganzer Generationen entscheidend prägte.
So entsteht eine anekdotenreiche "chemische Weltgeschichte", in der auch Bösewichte wie DDT (Dichlordiphenyltrichloräthan) ihre Chance bekommen. Die Aussage, dass es sich bei DDT keineswegs um ein besonders starkes Gift handelt, überrascht. Im Vergleich mit den Atemgiften aus dem Ersten Weltkrieg sei DDT wie Babypuder, schreibt der Autor. Erfolgreich war die Substanz vor allem wegen ihrer Langzeitwirkung auf Insekten. Diese Eigenschaft brachte in den 50er Jahren beeindruckende Erfolge bei der Bekämpfung der Anopheles-Mücke und damit der Malaria, die von dieser Mücke übertragen wird.
Erst in den sechziger Jahren erhielt DDT seinen schlechten Ruf. Die Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson beschrieb eine Welt, in der Insekten und Vögel durch DDT vernichtet worden waren. Sie richtete den Blick der Öffentlichkeit auf die Langzeitfolgen des Chemieeinsatzes, insbesondere auf die Anreicherung des Stoffes in der Nahrungskette. Die Naivität, mit der die Chemie lange Zeit bejubelt worden war, wich nach und nach einer grundsätzlichen Ablehnung jeglicher Chemie.
Mit bösen Spitzen lästert Christian Mähr gleichermaßen über Politik, Medien, den Fortschrittsglauben und die Umweltbewegung. Dabei geht es ihm nicht um Chemie-Propaganda, sondern um Aufklärung mit einem Schuss schwarzem Humor. Er räumt mit Vorurteilen auf und setzt dabei gerne auf Provokation. Auch wenn man nicht alle An- und Einsichten des Autors übernimmt, so ist dieses Buch doch in jeden Fall ein Gewinn.
Besprochen von Michael Lange
Christian Mähr: Von Alkohol bis Zucker – Zwölf Substanzen, die die Welt veränderten
Dumont, Köln 2010
224 Seiten, 16,95 Euro