Aufmarsch in Bildern
In Wiesbaden findet derzeit zum elften Mal das Festivals des mittel- und osteuropäischen Films "GoEast" statt. Ein wichtiger Programmpunkt war das Symposium "Aufmarsch in Bildern – die neue Rechte im osteuropäischem Film".
"Nimm dein Gewehr ungarischer Soldat" singt die rechtsradikale ungarische Rockband "Romantische Gewalt" und fordert die Rückeroberung der ehemaligen ungarischen Teile der serbischen Region "Vojvodina". In den Texten der Band mischt sich die Ablehnung des Staates und seiner Symbole mit Antisemitismus oder Aggression gegen Roma und Homosexuelle. Die 37-jährige ungarische Soziologin und Filmemacherin Borbála Kriza hat die Band für ihren 70-minütigen Dokumentarfilm "Rocking the nation" mehrere Monate lang begleitet:
"Diese jungen Leute benutzen die Musik um diese Ideologie zu vermitteln, ihre Texte verherrlichen die Ideen der extremen Rechten. Wie wollten über dieses Porträt einer Musikgruppe auch von dieser Ideologie vermitteln. Die extreme Rechte in Ungarn greift immer mehr auf diese Rockgruppen zurück und umgekehrt stehen diese Gruppen. Auch wenn sie sich manchmal als anti- oder unpolitisch definieren, arbeiten sie doch für die rechtradikale Partei Ungarns, die JOBBIK."
"Rocking the nation" war einer der 13 Spiel- und Dokumentarfilme des Symposiums. Die politische und soziale Entwicklung in Ungarn war dabei ein zentrales Thema. Die Deutsch-ungarische Filmemacherin Karolina Doleviczenyi zeigt in ihrem Filmessay "Auf der Suche - ein Rechtsruckl erschüttert Ungarn" über eigene Reflektionen und Gespräche, wie stark das rechte Gedankengut schon in der ungarischen Mittelschicht verbreitet ist. Ein Filmausschnitt:
"Während meiner Reise begreife ich: es gibt keine Gegenwart ohne Vergangenheit. Egal wo ich hinkomme, die Vergangenheit ist in Ungarn immer ein Thema. Gerade für die politisch Rechten spielt sie eine gewichtige Rolle. Die Rechten fühlen sich als Opfer ihrer eigenen Geschichte. Als Heimatvertriebene in ihrem eigenen Land."
Aus sozialem und politischen Unbehagen, Ressentiments gegen Fremde, übersteigertem Nationalismus und autoritären Denkweisen ist ein explosives Gemisch entstanden, das in Deutschland und Westeuropa noch viel zu sehr auf randalierende Skinheads reduziert wird. Osteuropäische Filmemacher schildern facettenreich eine bedrückende Realität und versuchen, hinter die platte Selbstdarstellung der neuen Rechten zu blicken. Da geht es um die Verfolgung eines lesbischen Paares in Kroatien, um die Gruppendynamik russischer Skinheads, oder um die Verbindung von Neofaschisten und orthodoxer Kirche in Serbien. Die Leiterin und Kuratorin des Symposiums Grit Lemke:
"Ja, die gehen extrem unterschiedlich damit um, das sieht man auch in der Reihe, vom wirklich reflexiven Essay über die investigative Reportage bis zum Liebesfilm, der Komödie, dem großen Drama gibt es eigentlich keine Form mittlerweile, die Filmemacher nicht nutzen, um sich dem Thema zu nähern, aber natürlich: die Zeit ist da ein ganz wichtiger Aspekt, es sind wirklich Filme oder ernst zu nehmende Filme erst in den letzten Jahren dazu entstanden, also braucht es offensichtlich doch einen gewissen Abstand zu solchen Dingen."
In acht Vorträgen beleuchteten Filmemacher, Soziologen, Historiker und Filmhistoriker den neuen rechten "mainstream" in Ost- und Mitteleuropa. Am Beispiel Russland beschrieb der Filmhistoriker Hanns-Joachim Schlegel eine lange Kontinuität radikalnationalistischer und antisemitischer Tendenzen von Klassikern der russischen Literatur bis in den russischen Gegenwartsfilm hinein. Grundsätzlich vergleicht Hanns Joachim Schlegel die Situation des postkommunistischen Russlands mit der Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg, mit neuen und alten Feindbildern:
"Der imperiale Traum ist weg. Man fühlt sich als Nation erniedrigt, und man ist konfrontiert mit einer wirtschaftlichen Not, angeheizt natürlich jetzt auch durch die Krise. Das ist ein Humus, wo man nach Schuldigen sucht, und das war damals wie heute der Jude, natürlich nicht nur der Jude, heute kommen noch ganz andere dazu, auch nicht nur die Romas, sondern insbesondere auch die Kaukasier, die Moslems oder die Zentralasiaten, die ja in Russland zum Teil heute wirklich Sklavenarbeit verrichten müssen, aber gleichzeitig."
Feindbilder, die auf sehr lokalen, aber auch der internationalen Ebene funktionieren, sagt der serbische Historiker Dorde Tomic von der Berliner Humboldt Universität:
"In der Tat, die Neonazi-Gruppen in Osteuropa, die sind unabhängig von ihren autochtonen Eigen- oder Besonderheiten, die sind durchaus auch sehr stark international vernetzt, also einmal zwischen Ost- und Westeuropa, aber dann auch noch einmal innerhalb Osteuropas - noch mal Verbindungen - das ist ganz klar."
In drei Tagen bot das Symposium einen komplexen Überblick, wie sich der Aufstieg der extremen Rechten in Ost- und Mitteleuropa und ihrer alten und neuen Feinde im Film niedergeschlagen hat, aber auch mit welcher erschreckenden Geschwindigkeit sich alte und neue Feinbilder, dumpfe Ressentiments zu einem Amalgam verdichtet haben, das längst auch in breiten Wählerschichten zum Konsens geworden ist. Und das nicht nur in Osteuropa.
"Diese jungen Leute benutzen die Musik um diese Ideologie zu vermitteln, ihre Texte verherrlichen die Ideen der extremen Rechten. Wie wollten über dieses Porträt einer Musikgruppe auch von dieser Ideologie vermitteln. Die extreme Rechte in Ungarn greift immer mehr auf diese Rockgruppen zurück und umgekehrt stehen diese Gruppen. Auch wenn sie sich manchmal als anti- oder unpolitisch definieren, arbeiten sie doch für die rechtradikale Partei Ungarns, die JOBBIK."
"Rocking the nation" war einer der 13 Spiel- und Dokumentarfilme des Symposiums. Die politische und soziale Entwicklung in Ungarn war dabei ein zentrales Thema. Die Deutsch-ungarische Filmemacherin Karolina Doleviczenyi zeigt in ihrem Filmessay "Auf der Suche - ein Rechtsruckl erschüttert Ungarn" über eigene Reflektionen und Gespräche, wie stark das rechte Gedankengut schon in der ungarischen Mittelschicht verbreitet ist. Ein Filmausschnitt:
"Während meiner Reise begreife ich: es gibt keine Gegenwart ohne Vergangenheit. Egal wo ich hinkomme, die Vergangenheit ist in Ungarn immer ein Thema. Gerade für die politisch Rechten spielt sie eine gewichtige Rolle. Die Rechten fühlen sich als Opfer ihrer eigenen Geschichte. Als Heimatvertriebene in ihrem eigenen Land."
Aus sozialem und politischen Unbehagen, Ressentiments gegen Fremde, übersteigertem Nationalismus und autoritären Denkweisen ist ein explosives Gemisch entstanden, das in Deutschland und Westeuropa noch viel zu sehr auf randalierende Skinheads reduziert wird. Osteuropäische Filmemacher schildern facettenreich eine bedrückende Realität und versuchen, hinter die platte Selbstdarstellung der neuen Rechten zu blicken. Da geht es um die Verfolgung eines lesbischen Paares in Kroatien, um die Gruppendynamik russischer Skinheads, oder um die Verbindung von Neofaschisten und orthodoxer Kirche in Serbien. Die Leiterin und Kuratorin des Symposiums Grit Lemke:
"Ja, die gehen extrem unterschiedlich damit um, das sieht man auch in der Reihe, vom wirklich reflexiven Essay über die investigative Reportage bis zum Liebesfilm, der Komödie, dem großen Drama gibt es eigentlich keine Form mittlerweile, die Filmemacher nicht nutzen, um sich dem Thema zu nähern, aber natürlich: die Zeit ist da ein ganz wichtiger Aspekt, es sind wirklich Filme oder ernst zu nehmende Filme erst in den letzten Jahren dazu entstanden, also braucht es offensichtlich doch einen gewissen Abstand zu solchen Dingen."
In acht Vorträgen beleuchteten Filmemacher, Soziologen, Historiker und Filmhistoriker den neuen rechten "mainstream" in Ost- und Mitteleuropa. Am Beispiel Russland beschrieb der Filmhistoriker Hanns-Joachim Schlegel eine lange Kontinuität radikalnationalistischer und antisemitischer Tendenzen von Klassikern der russischen Literatur bis in den russischen Gegenwartsfilm hinein. Grundsätzlich vergleicht Hanns Joachim Schlegel die Situation des postkommunistischen Russlands mit der Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg, mit neuen und alten Feindbildern:
"Der imperiale Traum ist weg. Man fühlt sich als Nation erniedrigt, und man ist konfrontiert mit einer wirtschaftlichen Not, angeheizt natürlich jetzt auch durch die Krise. Das ist ein Humus, wo man nach Schuldigen sucht, und das war damals wie heute der Jude, natürlich nicht nur der Jude, heute kommen noch ganz andere dazu, auch nicht nur die Romas, sondern insbesondere auch die Kaukasier, die Moslems oder die Zentralasiaten, die ja in Russland zum Teil heute wirklich Sklavenarbeit verrichten müssen, aber gleichzeitig."
Feindbilder, die auf sehr lokalen, aber auch der internationalen Ebene funktionieren, sagt der serbische Historiker Dorde Tomic von der Berliner Humboldt Universität:
"In der Tat, die Neonazi-Gruppen in Osteuropa, die sind unabhängig von ihren autochtonen Eigen- oder Besonderheiten, die sind durchaus auch sehr stark international vernetzt, also einmal zwischen Ost- und Westeuropa, aber dann auch noch einmal innerhalb Osteuropas - noch mal Verbindungen - das ist ganz klar."
In drei Tagen bot das Symposium einen komplexen Überblick, wie sich der Aufstieg der extremen Rechten in Ost- und Mitteleuropa und ihrer alten und neuen Feinde im Film niedergeschlagen hat, aber auch mit welcher erschreckenden Geschwindigkeit sich alte und neue Feinbilder, dumpfe Ressentiments zu einem Amalgam verdichtet haben, das längst auch in breiten Wählerschichten zum Konsens geworden ist. Und das nicht nur in Osteuropa.