Aufnahmen von Hugh Tracey

Einzigartige Klänge aus der Vergangenheit Afrikas

Das Kukyekukyeku Bamboo Orchestra führt traditionelle Musik und Tänze in einem Dorf in Ghana auf.
Traditionelle afrikanische Musik heute: das Kukyekukyeku Bamboo Orchestra in Ghana © picture alliance / dpa ZB / Rolf Zimmermann
Von Arndt Peltner |
Der Musikethnologe Hugh Tracey dokumentierte ab den 40er-Jahren die Musikgeschichte Afrikas. Viele seiner Bänder sind die einzigen Audio-Dokumente dieser Zeit. Auf 22 CDs sind sie nun bei einem holländischen Label erschienen - in exzellenter Klangqualität.
Einspielung aus dem Song "Agasiga" vom Album "At the court of the Mwami" der Royal Drum Rhythm
Die "Royal Drummers" mit "Agasiga" von der CD "At the court of the Mwami, Rwanda". Aufgenommen von Hugh Tracey, der 1952 nach Ruanda gereist war, um hier Musik aufzunehmen. Als Weißem wurde ihm gestattet, nach Nyanza zu kommen, dem damaligen Königshof in Ruanda.
Bis zur Unabhängigkeit des Landes ist Ruanda ein Königreich gewesen. Die königlichen Trommeln der "Royal Drummers" sind nur am Hofe des Tutsi-Königs gespielt worden. Als Ruanda 1961 unabhängig wurde, endete auch das jahrhundertealte Königreich Ruanda. Das Symbol der Macht, die königlichen Trommeln sind für immer verschwunden und wurden nie mehr gespielt.
Diese Aufnahmen sind nur eine Veröffentlichung in einer 22 CDs umfassenden Reihe mit Hugh Tracey Recordings. Veröffentlicht wurden sie bei SWP Records in Holland. Label-Chef Michail Baird stieß selbst durch Zufall auf den Klangschatz von Hugh Tracey. 1994 hörte er zum ersten mal von ILAM, der "International Library of African Music", die der Rhodes University in Grahamstown, Südafrika, angegliedert ist. Zwei Jahre später reiste er dorthin, um diesen Schatz an Musik zu hören:
"Als ich 1996 in die Bibliothek kam, um die Bänder zu hören, hatte sich neben dem Tonkopf ein Häufchen roter Staub gebildet. Die Beschichtung hatte sich gelöst. Jedesmal also, wenn man das Band abspielte, ging die Qualität mehr und mehr verloren. Die Bänder lagen also auf den Regalen und verrotteten. Das trieb mich an, etwas zu tun, sie der Welt zugänglich zu machen."
"Er war ein Pionier"
Einspielung aus dem Song "Nisoya Na Chingola" von der CD "Kalimba & Kalumbu Songs, Northern Rhodesia 1952 & 1957" von Hugh Tracey
"Nisoya Na Chingola", ein Lied aufgenommen 1957 in Zimbabwe. Hugh Tracey kam Anfang der 20er-Jahre von England nach Süd-Rhodesien, dem heutigen Zimbabwe. Sein Bruder hatte dort eine Tabakfarm. So richtig wusste er allerdings nicht, was er anfangen sollte. Doch die Musik, die er hörte, faszinierte ihn.
"Es wurde sein Lebenswerk. Er hatte endlich eine Lebensaufgabe gefunden. Besonders in den britischen Gebieten gab es diese unglaubliche Arroganz: 'Na ja, die Afrikaner können sich glücklich schätzen, britisch zu sein, denn wir bringen ihnen die Zivilisation.' Die Belgier und die Portugiesen dagegen waren nur da, um sich zu bereichern. Die Briten allerdings glaubten wirklich, die Zivilisation zu verbreiten, während sie aus Zambia den Kupfer und anderes klauten.
Hugh Tracey sah, dass die Musik keinen Beamten einer Behörde auch nur im Geringsten interessierte. Niemand zeichnete etwas auf, niemand hatte es vorher getan. Er war der erste. Anfangs, als Produzent für den südafrikanischen Hörfunk, entwickelte er eine Sendung, die sich nur mit der traditionellen afrikanischen Musik befasste. Stellen Sie sich das vor, in den 30er-Jahren in Südafrika. Er war ein Pionier."
Auf Sandpisten tausende Kilometer durch Afrika gequält
Schon Anfang der 30er-Jahre machte Tracey erste Feldstudien und begann Musik aufzuzeichnen. Aufgenommen hat er alles mit einem Neumann-Mikrofon. Die Musik wurde direkt auf Acetat Platten geritzt. Vor allem die 50er-Jahre wurden ein ergiebiges Jahrzehnt für den Klangsammler. Die Aufnahmetechnik hatte sich verändert, mit den Tonbändern war es deutlich einfacher als mit den Acetat-Platten, Musik aufzuzeichnen.
Auf Sandpisten und Staubstraßen hat er sich mit seinem Tontechniker über tausende von Kilometern durch Afrika gequält, immer auf der Suche nach mehr Musik. In Botswana hat eine Gruppe älterer Männer für ihn gesungen. "A Re Reng" bedeutet "Lass uns gehen", ein Lied zum Spazierengehen. In seinen Notizen hatte Tracey vermerkt: "Die ganze Gruppe tanzte enthusiastisch während der Vorführung".
Beim Durchhören all dieser Musik stellt man sich die beschwerlichen Reisen vor, die dieser Engländer mit seinem Transportwagen unternahm. Immer mit dem freudigen Ausblick, neue Musik zu finden. Das trieb ihn an. Ein Aufeinandertreffen der Kulturen - und doch ist da diese universelle Sprache der Musik. Als Hörer findet man natürlich persönliche Favoriten in diesem reichen Musikschatz. Für mich ist es "Inkulu Into Ezakwenzeka", übersetzt heißt das "Etwas Schlimmes wird passieren", ein einfaches, doch so ausdrucksstarkes Lied, aufgenommen in Südafrika beim Stamm der Xhosa.

Hintergrund: 1975 erklärte der Internationale Musikrat den 1. Oktober zum International Music Day. Ein Tag, an dem im Geiste der UNESCO unter anderem die gegenseitige Anerkennung und Achtung der ästhetischen Werte der Völker gewürdigt werden soll. Dazu gehört auch die Sammlung und Bewahrung Jahrhunderte alter Musikkulturen.

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