Überschwemmte Schule in Bad Münstereifel

Mit den Lehrern Eimer schleppen

05:26 Minuten
Freiwillige Helfer in Bad Münstereifel bei den Aufräumarbeiten in der Altstadt.
So wie hier in der Altstadt von Bad Münstereifel packten auch am St. Angela-Gymnasium viele an. © Imago/Uta Wagner
Von Vivien Leue · 18.11.2021
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Bad Münstereifel gehört zu den Orten mit den größten Schäden durch das Juli-Hochwasser. Auch ein Gymnasium versank in Schlamm und Schutt. Nach den Herbstferien konnte der Unterricht wieder beginnen, der eigentliche Wiederaufbau steht aber noch bevor.
Als die Erft während der Überschwemmungen im Juli dieses Jahres über die Ufer trat, versank auch das St. Angela-Gymnasium in Bad Münstereifel im Wasser. Danach waren die Pädagogen monatelang an sieben Tage pro Woche vor Ort, manchmal bis zur Erschöpfung. Nicht etwa, um den Schulunterricht vorzubereiten, sondern um den Dreck nach der Flut wegzuräumen.
Schuldirektor Bernhard Helfer war in den letzten Wochen gezwungenermaßen eher Bauleiter als Pädagoge und sagt, dass man nun fast durch sei mit der Trocknung während im Hintergrund die Bautrockner weiter laufen. Bis zu zwei Meter hoch sei das dreckige Wasser damals in manchen Räumen gestanden, erinnert sich Helfer: "Verwaltungstrakt, Schulleitung, Sekretariat, Oberstufe und so weiter.“

Es gibt keinen Plan B

Alles ging verloren. Weder Strom, Abwasser, Heizung noch Telefon funktionierten. Immerhin blieb der zweite Stock von der Flut verschont. Mithilfe eines Containerdorfs auf dem Schulhof kann der Schulbetrieb hier mittlerweile wieder stattfinden.
"Um ganz ehrlich zu sein, zu der Wiedereröffnung jetzt nach den Herbstferien hatten wir nie einen Plan B. Das heißt, die Nervosität, die Sorge und der damit verbundene Druck waren schon erheblich", sagt Helfer.
Vor allem für die Schülerinnen und Schüler ist der Unterricht in Präsenz ungemein wichtig, sagt die 17-jährige Schulsprecherin Paula-Marie: „Man erlebt hier persönlich viele Schicksale. Deshalb ist dieses Zusammentreffen in der Schule wichtig für das Soziale, dass man mit den Freunden darüber sprechen kann.“

Gespenstische Szene mit einer Hirschkuh

Die Fluten der eigentlich ruhigen Erft zerstörten große Teile der Altstadt Bad Münstereifels. Das St.-Angela-Gymnasium liegt nur wenige Meter außerhalb der Altstadtmauern: ein moderner zwei- bis dreistöckiger Bau aus rotem Backstein und viel Glas. Auch hier fließt die Erft vorbei, direkt neben dem Schulhof.

„Ich brauchte 20 Minuten, um vom Schulhofeingang bis nach vorne an das Ende des ersten Blocks zu klettern. Es brach alles unter mir weg, was nicht ohnehin schon unterspült war. Ich habe alles inspiziert: Da lagen Autos auf dem Dach, da hab ich reingeguckt, ob noch jemand drin ist. Die einzige Begleitung, die ich hatte, war eine verirrte Hirschkuh. Es war gespenstisch. Als ich hier durchkam und die Räume sah: Es war ein einziger Alptraum. Es war furchtbar.““

Schulleiter Bernhard Helfer über den Morgen nach der Flutnacht

Die Schüler packen mit an

Als Geschichts- und Englischlehrer, erzählt Schulleiter Bernhard Helfer, sei er auf diese Katastrophe nicht vorbereitet gewesen. Aber so sei es allen ergangen.
Was den Schulleiter rückblickend besonders erfreut hat ist die Solidarität nach der Flutkatastrophe. Viele der rund 800 Schülerinnen und Schüler des St. Angela-Gymnasium kamen vorbei, halfen bei den Aufräumarbeiten.
„Wie viele von denen mit angepackt haben und Qualitäten gezeigt haben, bis hin zu so Koordinationsfähigkeiten, die man im Unterricht nie entfalten kann, böswillig gesagt, nicht entfalten darf.... Das war schon toll zu sehen“, sagt Helfer.
Er sei von Haus aus Optimist. Die Krise habe auch gute Seiten, zumindest habe sie Gutes zutage gefördert: „Da war eine Schülerin, die sagte letzte Woche: Man sitzt natürlich im Unterricht und weiß, dass der Lehrer die Autorität ist. Aber man hat mit dem zusammen Eimer geschleppt. Das macht einen Unterschied.“

Krise als Chance

Helfer öffnet die Tür zu seinem neuen Büro, das er sich mit seiner Stellvertreterin Carolin Neswadba teilt. Der Fußboden ist aus Spanplatten, die Wände sind nur provisorisch verputzt. Aber immerhin: Computer, Telefon und das Internet funktionieren.

„Wir sehen es als Chance. Jetzt haben wir keine andere Wahl. Wir bauen wieder auf, hoffentlich viel schöner, als es jemals gewesen ist. Und man kriegt ja dann auch Visionen und Träume und versucht wirklich voran zu gucken.“

Carolin Neswadba, stellvertretende Schulleiterin

Man freue sich auf die kommenden Prozesse, auf Konzepte und Zukunftsideen für eine neue Schule, sagt Helfer. Und obwohl er schon mehr als drei Jahrzehnte Schulleben hinter sich hat, spürt man seine Begeisterung wenn er davon spricht.

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