Wenn Liberale Jagd auf Trumpanhänger machen
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Er will der kontroverseste Film des Jahres sein: In "The Hunt" macht eine liberale Elite Jagd auf Waffennarren, rechte Podcaster und Sexistinnen. Leider wirkt er in weiten Teilen selbst wie eine Twitter-Debatte, meint unser Filmkritiker.
Um den Film "The Hunt" gab es schon viel Aufregung, bevor er veröffentlicht wurde. Im August 2019 erschien der Trailer und die ersten Testscreenings fanden statt. Gleichzeitig passierten die Anschläge von El Paso und Ohio. Dem Film wurde vorgeworfen, noch mehr Gewalt zu schüren – vor allem von rechts. Medien wie "Breitbart" kritisierten den Film, "Fox News" sprach von Liberalen, die den Twitterkrieg nun in einen realen Bürgerkrieg umwanden wollten. Das ist natürlich insofern etwas seltsam, weil "Bürgerkrieg" und "Menschenjagd" sonst feste Bezugsgrößen im rechtsextremen Denken sind – und ja auch real stattfinden.
Aber der Film dreht das eben um – und so hat sich auch schnell Donald Trump über Twitter eingeschaltet und meinte, der Film zeige, dass die Liberalen aus Hollywood die "wahren Rassisten" seien. Einen Tag nach Trumps Tweet hat Universal den Start zunächst verschoben, wegen der Coronakrise ist er jetzt nur online zu sehen.
Bekannte Erzählmuster
Im Grunde hat der Film ein sehr gängiges Erzählmotiv. Jeden Sonntagabend gucken wir im "Tatort" im Grunde einer kleinen Menschenjagd zu. Es ist auch ein sehr altes Motiv: Eine Referenz für "The Hunt" ist die Kurzgeschichte "The Most Dangerous Game" von Richard Connell (1924). In dieser wird einem Großwildjäger die Jagd auf Tier zu langweilig, also jagt er Menschen.
Die Menschenjagd war auch ein sehr beliebtes Erzählmotiv von Fritz Lang in den 30er- und 40er-Jahren, in den Zeiten des kollektiven Wahns. Sie hat sich dann als Erzählmotiv über die Jahre immer den jeweiligen Ängsten angepasst: In den 80ern beschrieb sie Stephen King in "Running Man" als modernen Gladiatorenkampf zu Unterhaltung der Massen in einem futuristischen Überwachungsstaat – verfilmt mit Arnold Schwarzenegger.
Ein paar Jahre später wurde sie dann als Vergnügung für Reiche gezeigt, die Jagd auf Obdachlose machen – Stichwort Neoliberalismus. "Harte Ziele" von John Woo mit Jean Claude Van Damme ist hier das Beispiel aus dem Jahr 1993. Und "The Hunt" übersetzt diese Jagd auf eine Menschengruppe jetzt in die politisch aufgeladene Twitter-Zeit – als Horrorsatire.
Monster der politischen Korrektheit
Der Film erzählt im Grunde eine wahr gewordene Verschwörungstheorie: Wir sehen zu Beginn des Films einen Chat, in dem sich Leute zur Jagd auf zwölf "Deplorables" verabreden. Wörtlich sind das zwölf "erbärmliche" oder "bedauerliche" Menschen. Der Begriff ist in den USA politisch krass aufgeladen: Hillary Clinton hat so 2016 rassistische und sexistische Trump-Fans bezeichnet. Und da dockt der Film jetzt an.
Denn der Chat wird bald auf rechten Internetseiten geleakt und dann sehen wir, wie sich ein paar liberale Führungspersönlichkeiten tatsächlich zwölf Menschen casten – darunter Trump-Unterstützer, einen Großwildjäger, einen Waffennarren, eine Anti-LGBTI-Aktivistin. Sie alle werden gefangen und nach Kroatien geflogen, um sie dort zu jagen.
Sie werden dort gejagt von Figuren, die wie Monster der politischen Korrektheit wirken sollen. Ein Trump-Anhänger bekommt zum Beispiel von einem alten NPR-Hörer zu den Worten "climate change is real" den Gewehrkolben ins Gesicht. Ein anderer muss sterben, weil er "das N-Wort auf Twitter verwenden" würde. Und ein rechter Podcaster beschimpft auf der anderen Seite Flüchtlinge als "Crisis Actors", also als Schauspieler – und so nimmt das die ersten 25 Minuten Fahrt auf.
Bis der Film bei der gejagten Crystal aus Mississippi hängen bleibt, gespielt von Betty Gilpin. (Manche kennen sie vielleicht als amerikanische Wrestling-Queen aus der Serie "Glow".) Und diese Crystal schlägt und schießt dann richtig zurück – bis hin zu einem zehnminütigen Endkampf, den sie sich mit der Oberliberalen Hilary Swank liefert. Wie lernen dabei vor allem, wie wirkmächtig Verschwörungstheorien werden können, wenn Menschen an sie glauben.
Viel Lob von Rechtsextremen
Bei dem Hauptthema des Films scheitert er. Das ist die Ebene der "Identitätspolitik". Dabei geht es um die viel diskutierte Frage: Wie gehen hier bestimmte politische Gruppierungen miteinander um, sodass sie nicht einmal mehr miteinander reden können? Diese Frage richtig zu behandeln, das gelingt dem Film allerdings nicht. Was auch daran zu sehen ist, dass "The Hunt" gerade vor allem Lob aus der Alt Right erhält, also von ein paar amerikanischen Rechtsextremen. Sie mögen vor allem, dass der Film so "weiß" daherkommt.
Daran kann lässt sich erkennen, dass der Film einen zentralen Denkfehler der ganzen Twitterkriege und Debatten rund um "Identitätspolitik" in seinen Aufbau übernommen hat: den Eindruck, in dieser Debatte ginge es immer nur um eine abgehängte weiße Trump-Wählerschaft, die von einer Elite verachtet werde. Dabei sind natürlich noch viel mehr Schwarze und andere People of Colour abgehängt und vergessen worden. Und erst der Blick auf solche Gemeinsamkeiten würde ja den Raum wieder für ein Gespräch öffnen, dass die verschiedenen Gruppen angeblich nicht mehr führen können. Man müsste also den Blick von den Tweets auf die Strukturen dahinter richten.