Claus Leggewie, Jetzt! Opposition, Protest, Widerstand
Verlag Kiepenheuer&Witsch, Köln 2019, 222 Seiten, 10 Euro.
"Raus aus der Komfortzone"
10:21 Minuten
Dem Widerstand gegen den Verlust von Demokratie hat der Politologe Claus Leggewie sein neues Buch gewidmet. Er kritisiert, dass sich Linke und Liberale nicht ausreichend zur Wehr setzen, sondern in taktische Spiele verstricken.
Wir müssen aufhören, immer nur über das Sterben der Demokratie nachzudenken, fordert der Politikwissenschaftler Claus Leggewie: "Es geht nicht länger um Rhetorik, sondern um Taten." Während rechtsextreme Autokraten stärker würden, verzettelten sich linke und liberale Parteien in taktische Spielchen. Damit müsse Schluss sein: "Wir müssen uns jetzt wehren."
Die Buchhandlungen sind voll mit politischen Bedrohungsanalysen: "Wie Demokratien sterben", "Der Zerfall der Demokratie", "Der Weg in die Unfreiheit". Ansporn genug für Leggewie, ein anderes Buch zu schreiben: "Jetzt! Opposition – Protest – Widerstand". "Mich hat geärgert, dass wir fast schon mit Angstlust über das Ende der Demokratie nachdenken, aber so wenig darüber, wie wir das verhindern können, welchen Widerstand wir den Autokraten entgegensetzen können." Das sei aber dringend nötig, wir müssten "raus aus der Komfortzone".
Die Buchhandlungen sind voll mit politischen Bedrohungsanalysen: "Wie Demokratien sterben", "Der Zerfall der Demokratie", "Der Weg in die Unfreiheit". Ansporn genug für Leggewie, ein anderes Buch zu schreiben: "Jetzt! Opposition – Protest – Widerstand". "Mich hat geärgert, dass wir fast schon mit Angstlust über das Ende der Demokratie nachdenken, aber so wenig darüber, wie wir das verhindern können, welchen Widerstand wir den Autokraten entgegensetzen können." Das sei aber dringend nötig, wir müssten "raus aus der Komfortzone".
Koalitionsbildung entscheidend
Mit Blick auf die Nationalratswahl in Österreich sagte Leggewie, es sei entscheidend, ob Sebastian Kurz als mutmaßlicher neuer Kanzler mit den Parteien der Mitte eine Koalition gegen Rechts bilde – oder erneut mit der FPÖ koaliere. "Das, um es deutlich zu sagen, ist der Weg Österreichs in die Visegrad-Achse, auch vielleicht in eine neue Art von Rechtsradikalismus und Faschismus. Darum geht es. Es steht Spitz auf Knopf."
Auf die Frage, was er für Deutschland befürchte, sagte Leggewie: "Ich befürchte einiges von Seiten der AfD und der völkisch-autoritären Rechten in Europa und weltweit. Die sind auf Angriffsmodus gepolt. Wenn Sie sich anhören, was die radikalen Flügel-Vertreter der AfD erzählen, dann hat das nichts mehr damit zu tun, was auf dem Boden der Verfassung ist. (…) Ich glaube tatsächlich: Hier ist ein Angriff zu befürchten." Deshalb sei es an der Zeit, sich zu organisieren. Es gehe nicht länger um Rhetorik, sondern um Taten.
Sollten alle demokratischen Abwehrversuche scheitern, bezeichnet Leggewie mit Blick auf das Grundgesetz als Ultima Ratio auch die gewaltsame Auflehnung gegen eine Diktatur als legitim. "Bei diesem Gedankenexperiment möge es unbedingt bleiben", betonte Leggewie, aber dieses Widerstandsrecht sei in Artikel 20 (4) des Grundgesetzes eigens verankert. "Wir haben das bisher Gott sei Dank nicht in Anspruch nehmen müssen. Aber es kann natürlich eine Situation kommen, in der – und das ist ja das Kennzeichen des heutigen völkischen Nationalismus –tatsächlich eine Mehrheit die Demokratie abschafft. Auf dem Weg dahin ist man bereits in Ungarn. Und auf dem Weg dahin befinden sich leider auch die USA."
Ungesetzlichkeit auf dem Vormarsch
Zwar gelte international, dass Autokraten sowie Politiker auf dem Weg zur Autokratie keine echten, stabilen Mehrheiten hätten. Doch die linken, liberalen und bürgerlichen Parteien seien oft zu schwach gewesen, um sich zu wehren, "weil sie sich in strategisch-taktische Spielchen stürzen". Nötig sei es, einen gemeinsamen starken Pol gegen rechts zu bilden.
"Donald Trump ist nicht mit der Mehrheit des amerikanischen Volks gewählt. Nicht einmal Orban und Erdogan hatten wirklich reale Mehrheiten hinter sich." Doch seien gezielt Menschen am Wählen gehindert worden, die den Aufstieg der Autokraten hätten verhindern können. "Das heißt: Hier gibt es nicht mehr faire Wahlen, hier gibt es bereits die Ungesetzlichkeit, die auf dem Vormarsch ist. Und genau dagegen muss man sich jetzt zu Wehr setzen."
Eine Schwächung und Spaltung der demokratisch-rechtsstaatlichen Opposition sei in vielen Staaten zu beobachten. Jüngst gebe es aber auch Versuche, diese Spaltung zu überwinden. "Das ist aber gar nicht so einfach. In den USA eine Wahlkampfstrategie der Demokraten zu gestalten, in der man tatsächlich Trump aus dem Amt befördern kann."
"Donald Trump ist nicht mit der Mehrheit des amerikanischen Volks gewählt. Nicht einmal Orban und Erdogan hatten wirklich reale Mehrheiten hinter sich." Doch seien gezielt Menschen am Wählen gehindert worden, die den Aufstieg der Autokraten hätten verhindern können. "Das heißt: Hier gibt es nicht mehr faire Wahlen, hier gibt es bereits die Ungesetzlichkeit, die auf dem Vormarsch ist. Und genau dagegen muss man sich jetzt zu Wehr setzen."
Eine Schwächung und Spaltung der demokratisch-rechtsstaatlichen Opposition sei in vielen Staaten zu beobachten. Jüngst gebe es aber auch Versuche, diese Spaltung zu überwinden. "Das ist aber gar nicht so einfach. In den USA eine Wahlkampfstrategie der Demokraten zu gestalten, in der man tatsächlich Trump aus dem Amt befördern kann."
Der "Thunberg-Effekt"
Seine Hoffnung setzte Leggewie auf junge Menschen. In seiner jahrzehntelangen Arbeit als Hochschullehrer habe er eine neue Tendenz beobachtet: "Die jungen Menschen haben gemerkt, dass sie rausmüssen aus der Komfortzone, dass die Demokratie keine Lebensversicherung ist, und dass es tatsächlich wichtig ist, dass sich jeder einzelne selbst organisiert. Und das, was sich in den letzten Wochen und Monaten freitäglich auf unseren Straßen getan hat, das gibt mir Hoffnung."
Leggewie nennt es den "Thunberg-Effekt": "Der besteht darin, dass es jetzt eine Generation gibt, die auch wächst, die zunimmt, die standhaft ist, und von der wir glauben können, dass ihr Protest und ihr Widerstand nachhaltig sein werden. Die sagen: Genug der Worte sind gewechselt, jetzt wolle wir Taten sehen. Und die das auch durch Akte des zivilen Ungehorsams bis hin zum Widerstand unterstreichen."
Die jungen Menschen zeigten, dass es ihnen ernst sei. "Und sie zeigen damit den über Dreißigjährigen, dass es denen bisher eigentlich mehr um Worte als um Taten ging."