"Wiesbaden hätte das ein bisschen länger aushalten müssen"
Eine vergoldete Skulptur des türkischen Präsidenten Erdogan sorgte in Wiesbaden für heftige Auseinandersetzungen. Die Stadt ließ das Biennale-Kunstwerk nach 24 Stunden abbauen - aus Sicherheitsgründen. Zu früh, meint der Leiter der Bundeskunsthalle Bonn, Rein Wolfs.
Die kalkulierte Provokation der Kuratoren der Wiesbaden Biennale ist gelungen: Eine vier Meter große vergoldete Statue des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan stand nur rund 24 Stunden lang mitten in der Stadt - angrenzend an ein migrantisches Viertel.
Das Kunstwerk sorgte für so viel Wirbel, dass es in der Nacht zu Mittwoch von der Feuerwehr wieder abgebaut wurde. Die Sicherheit könne nicht mehr weiter gewährleistet werden, hieß es. Es gab heftige Wortgefechte um die Statue, laut Medienberichten seien auch Stichwaffen gesichtet worden.
Den Abbau beschlossen hat die Stadt nach eigenen Angaben, nachdem bekannt geworden sei, dass kurdische Kreise dazu aufgefordert hätten, überregional zu Protestaktionen nach Wiesbaden anzureisen. Ursprünglich sollte die Statue bis Sonntag stehenbleiben. Für die Macher der Biennale geht die Entscheidung offenbar in Ordnung: "Öffentliche Sicherheit gehe vor Kunst", hieß es da.
Anderer Meinung ist der Leiter der Bundeskunsthalle Bonn, Rein Wolfs. Die Stadt hätte anders mit den Emotionen um die Aktion umgehen sollen, sagte er im Deutschlandfunk Kultur:
"Ich weiß nicht, wie lange sie es hätte aushalten müssen - aber sie hätte es ein bisschen länger aushalten müssen." Außerdem hätte sie "es ein bisschen öffentlicher diskutieren müssen".
Dass die Statue jetzt in einer Nacht- und Nebelaktion zum Verschwinden gebracht worden sei, sei eigentlich nicht der demokratische Umgang, den wir normalerweise haben.
"Wenn es um ein öffentliches Projekt geht, das mit öffentlichen Geldern finanziert worden ist, dann sollte man auch die Diskussion öffentlich führen."
Mehr Vorsicht wegen größerer Härte in der Politik
Der Umgang der Stadt Wiesbaden mit dem Aufruhr um die Statue liege auch "an unserer Zeit", so Wolfs. Das habe sich etwa auch in der Documenta-Stadt Kassel gezeigt, wo es seit Monaten darum geht, ob die Stadt ein documenta14-Kunstwerk ankauft: einen Obelisken mit dem Bibel-Zitat "Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt" des Künstlers Olu Oguibe.
Ein AfD-Stadtverordneter hatte den Obelisken als "entstellende Kunst" bezeichnet. Die Stadt bestreitet hingegen, dass die Position der AfD für ihr Agieren eine Rolle spiele.
Für Wolfs steht fest: Auch Städte, die sehr souverän mit derartigen Problematiken umgehen konnten, gerieten zunehmend unter politischen Druck, unter Druck des Populismus.
"Die Zeiten haben sich geändert. Der Umgang im politischen Betrieb ist härter geworden und man wird vorsichtiger."
(abr)