Heroischer Kampf gegen die Übermacht der Besatzer
Unter fürchterlichen Bedingungen mussten mehr als 380.000 Menschen seit 1940 im Warschauer Ghetto leben. Vor 75 Jahren stellten sich ein paar hundert von ihnen den 2000 deutschen Soldaten entgegen. Um Sieg ging es den jüdischen Aufständischen nicht, sondern um die Art des Sterbens.
Es war ein aussichtsloser Kampf. Eine Tragödie. Es ging nicht um einen Sieg, es ging um die Art des Sterbens. Aufrecht, mit der Waffe in der Hand, nicht aber wehrlos in den Gaskammern von Treblinka. Ein paar hundert schlecht bewaffnete, ausgemergelte jüdische Kämpfer standen zweitausend Deutschen in voller Kriegsausrüstung gegenüber.
Marek Edelman, einer der Kommandeure des Ghetto-Aufstandes, damals 23 Jahre alt, erinnerte sich so: "Die Deutschen waren ganz früh an diesem Tag gekommen. Sie hatten offenbar vor, das Ghetto bis zum Geburtstag Hitlers einen Tag später, am 20. April, zu liquidieren. Sie glaubten offenbar, dass sie es im Laufe dieses einen Tages schaffen würden. Aber wie sich dann gezeigt hat, war das nicht möglich."
Die deutsche Besatzungsmacht hatte 1940 einen sogenannten jüdischen Wohnbezirk nordwestlich des Warschauer Stadtzentrums errichten lassen, in den alle außerhalb davon lebenden Juden umziehen mussten. Von einer hohen Mauer umgeben, wurde das Ghetto im November 1940 abgeriegelt.
Hunderttausende wurden ermordet
Über 380.000 Menschen lebten dort eingeschlossen auf engstem Raum. Viele starben in den folgenden Monaten an Hunger, Entkräftung, Typhus-Epidemien. Mehr als 300.000 Männer, Frauen und Kinder wurden 1942 und 1943 deportiert und in den Gaskammern von Treblinka ermordet. Im April 1943 befanden sich noch etwa 56.000 Menschen im Ghetto, das auf Befehl Himmlers endgültig liquidiert werden sollte.
Im Ghetto hatte sich der Widerstand um die Jüdische Kampforganisation und den Jüdischen Militärverband formiert, meist waren es junge Leute, die ihre Familien schon verloren hatten. In der Nacht zum 19. April, dem Beginn des jüdischen Pessach-Festes, gingen die Aufständischen in vier Kampfzonen in Stellung und griffen die anrückenden Deutschen an.
27 Tage Widerstand
"Es war eine Überraschung für die Deutschen", berichtete Marel Edelmann. "Die Soldaten hatten Angst, dass sie von uns getroffen, erschossen werden. Also flüchteten sie. Sie versteckten sich irgendwo an den Toren zur Straßenseite. Auf den Straßen selbst aber war niemand mehr. Die Straße gehörte uns. Und das war eine große Genugtuung. Keiner hatte geglaubt, dass man mit ein paar selbstgebastelten Handgranaten und einigen Pistolen eine so große Zahl von gut bewaffneten Soldaten in die Flucht schlagen konnte."
27 Tage lang stellten sich die Aufständischen der deutschen Übermacht. Doch auf Dauer hatten sie keine Chance. Sie verfügten nur über wenige Waffen, die auf dem Schwarzmarkt gekauft oder vom polnischen Widerstand geschmuggelt worden waren. Ihm gehörte Władysław Bartoszewski an, der spätere polnische Außenminister.
Das Viertel wurde dem Erdboden gleichgemacht
"Am Morgen des 19. April, das war Montag in der Karwoche damals, erfuhr ich von Straßenbahnern von dem Kampf im Ghetto", erinnerte sich Władysław Bartoszewski. "Und man sprach mit der größten Genugtuung laut über die Verluste, die den NS-Deutschen von den Verteidigern des Ghettos zugefügt wurden."
Bald begannen SS und Waffen-SS mit Flammenwerfern ganze Häuserzeilen in Brand zu stecken, die Menschen herauszutreiben und zu erschießen. Fast 7000 Ghetto-Bewohner starben. Die letzten verbliebenen 50.000 wurden in Vernichtungslager deportiert und ermordet. Am 16. Mai 1943 meldete der SS- und Polizeiführer von Warschau, Jürgen Stroop, die erfolgreiche Liquidierung des Ghettos. Als Schlussakt ließ er die Große Synagoge von Warschau sprengen. Das Ghetto-Viertel wurde dem Erdboden gleichgemacht.
"Großartiger, heroischer Kampf"
Marek Edelman konnte mit einigen wenigen Kämpfern durch die Kanalisation aus dem Ghetto entkommen und schloss sich dem polnischen Widerstand an. Der 24-jährige Mordechaj Anielewicz, auch er ein Kommandeur des Aufstandes, beging mit seinen Leuten Selbstmord, als ihr Bunker in der Miłastraße 18 entdeckt wurde. In einem seiner letzten Briefe heißt es: "Der Traum meines Lebens ist endlich wahr geworden. Die Selbstverteidigung im Ghetto wurde Realität. Ich war Zeuge dieses großartigen, heroischen Kampfes ..."