Aufstieg durch Bildung? - Das war einmal
In Spanien oder Griechenland ist jeder Zweite unter 25 Jahren auf Jobsuche. Doch auch hierzulande stellen sich gerade qualifizierte junge Menschen oft die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Der Autor Konstantin Sakkas meint: Das Versprechen Sicherheit und Wohlstand durch Bildung wird nicht mehr eingelöst.
Das Prekariat lässt uns nicht mehr los. Und die Mittelschicht wird sich an diese bittere Wahrheit gewöhnen müssen. Junge Leute unter 30 können gut ausgebildet sein und dennoch nicht wissen, wovon sie leben oder gar ihren Studienkredit zurückzahlen sollen. Obschon sie aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammen, schieben sie den Gedanken an eine eigene Familie beiseite – allein aus finanziellen Gründen.
Die am besten qualifizierte Generation beneidet jeden Facharbeiter in der Industrie um ein Grundgehalt, von dem viele Hochschulabsolventen nur träumen können. Bildungsbürger geworden zu sein, garantiert schon lange nicht mehr, geborgen im eigenen Heim zu wohnen, im Beruf aufzusteigen oder sich den Lebensstandard der Eltern zu erhalten, sondern es verlangt, sich voll dem Risiko zu stellen – und doch kaum Geld zu verdienen.
Die fetten Jahre sind vorbei. Jeder, der nach 1975 geboren wurde, weiß, wovon ich rede. Unbezahltes Praktikum reiht sich an kurzfristigen Job, dann wieder an freiberufliche Tätigkeit – mal echt selbstständig, mal nur zum Schein.
Anderswo in Europa ist die Jugendarbeitslosigkeit bedrückend hoch. Sie war es bereits vor der Bankenkrise und ist es jetzt in der Rezession erst recht. Jungakademiker suchen ihr Glück im Ausland, starten eine nächste Gastarbeiterwelle, die sie auch nach Deutschland führt.
Doch der viel beschworene Fachkräftemangel ist ein Mythos. Hierzulande treten sich die Qualifizierten gegenseitig auf die Füße wie Häftlinge in einem überfüllten Gefängnis. Die Schule zu schaffen, eine Ausbildung zu absolvieren oder ein Studium zu durchlaufen: dies sind nicht die Probleme der Mittelstandsjugend, eher schon ordentlich bezahlte Arbeit zu finden.
Aufstieg durch Bildung? Das war einmal. Das Versprechen wird längst nicht mehr eingelöst, obschon es die Älteren ebenso wie die Erfolgreichen stereotyp wiederholen. Und vorbei sind die Zeiten, als sich gut versorgte Babyboomer einen Dreikinderhaushalt leisten konnten.
Bürgerliches Leben mag heute wie einst vieles, auch wertvolles, bezeichnen, nur eines nicht mehr, gut situiert oder fern der Armut zu leben. Nicht die Vermögenden, sondern die Besitzlosen bilden einen immer größeren Teil des Bürgertums. Auch Intelligenz und Qualifikation bleiben besitzlos.
So kehrt die Bürgerlichkeit zu ihren Wurzeln zurück. Denn damals, im 18. Jahrhundert, fanden sich außerhalb des Adels kaum reiche Leute. Nicht über das Materielle, sondern über den Geist definierte sich die Bürgerlichkeit. Sich Freiheit zu nehmen, auch die Freiheit, sich scheinbar unnützen Dingen zu widmen, dem Schönen und dem Guten, das war bürgerlich. Dafür lebten die Kreativen - wie etwa Friedrich Schiller oder Ludwig van Beethoven – in ärmlichen Verhältnissen.
Zu diesem romantischen Idealismus kehren die Jungen von heute zurück. Sie stöhnen ja nicht gequält aus einem sozialen Jammertal, vielmehr erfahren sie unter Freunden - ungeachtet aller Sorgen - durchaus eine fantastische Schicksalsgemeinschaft. Nur geben sie eben nicht mehr vor den Eltern der Verlobten mit einem schicken Auto an, sondern beeindrucken, weil sie das Klavier auch spielen, das jahrelang ungenutzt im Wohnzimmer stand.
Bildung ist auf einmal wieder das geworden, was sie ursprünglich sein sollte: ein Wert an sich, den man um der eigenen Reifung willen anstrebt, ohne zugleich materielle Vorteile oder Einkommen garantiert zu erhalten. Den Gewinn, der darin liegt, gilt es schätzen zu lernen. Er könnte der größte überhaupt sein. Das, ihre Freiheit und ihr Potenzial, sollten die Bürgerkinder im Existenzkampf nie vergessen.
Konstantin Sakkas, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.
Die am besten qualifizierte Generation beneidet jeden Facharbeiter in der Industrie um ein Grundgehalt, von dem viele Hochschulabsolventen nur träumen können. Bildungsbürger geworden zu sein, garantiert schon lange nicht mehr, geborgen im eigenen Heim zu wohnen, im Beruf aufzusteigen oder sich den Lebensstandard der Eltern zu erhalten, sondern es verlangt, sich voll dem Risiko zu stellen – und doch kaum Geld zu verdienen.
Die fetten Jahre sind vorbei. Jeder, der nach 1975 geboren wurde, weiß, wovon ich rede. Unbezahltes Praktikum reiht sich an kurzfristigen Job, dann wieder an freiberufliche Tätigkeit – mal echt selbstständig, mal nur zum Schein.
Anderswo in Europa ist die Jugendarbeitslosigkeit bedrückend hoch. Sie war es bereits vor der Bankenkrise und ist es jetzt in der Rezession erst recht. Jungakademiker suchen ihr Glück im Ausland, starten eine nächste Gastarbeiterwelle, die sie auch nach Deutschland führt.
Doch der viel beschworene Fachkräftemangel ist ein Mythos. Hierzulande treten sich die Qualifizierten gegenseitig auf die Füße wie Häftlinge in einem überfüllten Gefängnis. Die Schule zu schaffen, eine Ausbildung zu absolvieren oder ein Studium zu durchlaufen: dies sind nicht die Probleme der Mittelstandsjugend, eher schon ordentlich bezahlte Arbeit zu finden.
Aufstieg durch Bildung? Das war einmal. Das Versprechen wird längst nicht mehr eingelöst, obschon es die Älteren ebenso wie die Erfolgreichen stereotyp wiederholen. Und vorbei sind die Zeiten, als sich gut versorgte Babyboomer einen Dreikinderhaushalt leisten konnten.
Bürgerliches Leben mag heute wie einst vieles, auch wertvolles, bezeichnen, nur eines nicht mehr, gut situiert oder fern der Armut zu leben. Nicht die Vermögenden, sondern die Besitzlosen bilden einen immer größeren Teil des Bürgertums. Auch Intelligenz und Qualifikation bleiben besitzlos.
So kehrt die Bürgerlichkeit zu ihren Wurzeln zurück. Denn damals, im 18. Jahrhundert, fanden sich außerhalb des Adels kaum reiche Leute. Nicht über das Materielle, sondern über den Geist definierte sich die Bürgerlichkeit. Sich Freiheit zu nehmen, auch die Freiheit, sich scheinbar unnützen Dingen zu widmen, dem Schönen und dem Guten, das war bürgerlich. Dafür lebten die Kreativen - wie etwa Friedrich Schiller oder Ludwig van Beethoven – in ärmlichen Verhältnissen.
Zu diesem romantischen Idealismus kehren die Jungen von heute zurück. Sie stöhnen ja nicht gequält aus einem sozialen Jammertal, vielmehr erfahren sie unter Freunden - ungeachtet aller Sorgen - durchaus eine fantastische Schicksalsgemeinschaft. Nur geben sie eben nicht mehr vor den Eltern der Verlobten mit einem schicken Auto an, sondern beeindrucken, weil sie das Klavier auch spielen, das jahrelang ungenutzt im Wohnzimmer stand.
Bildung ist auf einmal wieder das geworden, was sie ursprünglich sein sollte: ein Wert an sich, den man um der eigenen Reifung willen anstrebt, ohne zugleich materielle Vorteile oder Einkommen garantiert zu erhalten. Den Gewinn, der darin liegt, gilt es schätzen zu lernen. Er könnte der größte überhaupt sein. Das, ihre Freiheit und ihr Potenzial, sollten die Bürgerkinder im Existenzkampf nie vergessen.
Konstantin Sakkas, Jahrgang 1982, schloss 2009 das Studium in den Fächern Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte an der Freien Universität Berlin ab. Er arbeitet seit mehreren Jahren als freier Autor für Presse und Rundfunk.