Aufstieg und Fall einer Mätresse
Anna Constantia von Brockdorf, die spätere Gräfin Cosel, war wohl die berühmteste unter den Mätressen des deutschen Absolutismus. Durch ihre Verbindung zu August dem Starken wurde sie zu einer der einflussreichsten Personen am Dresdner Hof. Katja Doubek zeichnet in ihrem Buch "Die Gräfin Cosel" den Aufstieg und den tiefen Fall der Gräfin nach.
Sie ist die berühmteste unter den Mätressen des deutschen Absolutismus: Anna Constantia von Brockdorf, spätere Gräfin Cosel. Die Tochter eines verarmten holsteinischen Adligen spricht mehrere Sprachen, ist bewandert in Mathematik sowie in antiker Geschichte und interessiert sich, ungewöhnlich für ein Mädchen der Barockzeit, für chemische Phänomene. Sie stellt später in ihrem eigenen Labor Medikamente und Kosmetika her, kennt die Bibel und die Rezepturen, nach denen Branntwein und Bier gebraut werden, sie ist trink- und sattelfest, liebt die Jagd, betätigt sich als selbständige Geschäftsfrau und erfolgreiche Immobilienmaklerin. Und, mehr als nur eine lebenslustige Schönheit, kennt sie sich aus in der europäischen Politik.
Der 33-jährige August, Kurfürst von Sachsen und polnischer König, begegnet der um zehn Jahre Jüngeren am Dresdner Hof, wo sie als die Ehefrau des Finanzministers von Hoym eine gewisse Rolle spielt. Als Mätresse aber gewinnt er sie erst, als er ihr finanzielle sowie moralische Sicherheiten garantiert. In einem Ehevertrag wird neben einer enormen jährlichen Pension, die der der Königin entspricht, das Versprechen des Königs schriftlich festgelegt, die Cosel nach dem Tod seiner angetrauten Frau als Königin öffentlich anzuerkennen und ihre gemeinsamen Kinder als legitime Nachkommen zu behandeln. Die Favoritin, die außerdem das Taschenbergpalais in Dresden und Schloss Pillnitz als Geschenk erhält, steht im Rang über den Ministern. Keine seiner bisherigen Mätressen hatte je solche Befugnisse.
Nach Auffassung des Hofes mischte sich Anna Constantia, die 1706 auf Betreiben Augusts in den Reichsgrafenstand erhoben worden war, zu sehr in die Politik ein, und sie deckte Verfehlungen und Intrigen von Ministern auf. Besonders ihr Versuch, seine Polen-Politik zu beeinflussen, wurde ihr zum Verhängnis.
1713 verbannte August Anna Constantia nach Schloss Pillnitz, von wo aus sie nach Berlin floh, was man ihr als Landesverrat auslegte. Im Tausch gegen Deserteure wurde sie vom preußischen König an Sachsen ausgeliefert. Ohne Anklage stellte man sie auf der Burg Stolpen unter Arrest, wo sie bis zu ihrem Tod 49 Jahre lang gefangen gehalten wurde. Auch nach dem Tod Augusts des Starken hob dessen Nachfolger die Inhaftierung nicht auf. Die genauen Gründe dafür werden auch von Katja Doubek nicht geklärt. Im Zentrum ihrer Betrachtung stehen vielmehr die Jugendzeit ihrer Heldin, die sie als Hoffräulein in Braunschweig zubrachte sowie die neun kurzen Jahre, die ihr als Geliebte Augusts des Starken gegönnt waren.
Die wohlfeilen Vermutungen der bisherigen Cosel-Literatur rückt Katja Doubek zurecht. Nicht Hochmut und Arroganz seien es gewesen, die sie unbeliebt machten, nicht Machthunger sei ihr Motiv gewesen, sich in die Politik einzumischen. Die Autorin zeigt, wie sich die Cosel – aus Eifersucht - schließlich selbst demontiert hat. Allerdings werden dafür weniger die Gründe verantwortlich gemacht, die immer schon mit der Rolle der Mätresse verknüpft waren.
Katja Doubek, die nach ähnlicher Machart eine Biographie über Katharina Kepler geschrieben hat, die Mutter des Astronomen und Naturwissenschaftlers, ist als Psychotherapeutin tätig und verfasste zahlreiche psychologische Sachbücher zu Paar- und Familienproblemen. Sie legt weniger Wert auf die Darstellung von historischen Gegebenheiten als auf genrebildhafte Kolportageszenen. Breit ausgemalt werden Vorkommnisse, die so stattgefunden haben können, jedoch nicht eindeutig belegt sind, wie die Hinrichtung von drei Frauen, die der Hexerei verdächtigt werden, die Liebesgeschichte mit dem verheirateten Bruder des Braunschweiger Erbprinzen oder der Brand ihres Dresdener Hauses, den sie offenbar beherzt löscht. Diese Episoden stammen aus dem Bereich der Legenden und tauchen seit dem 19. Jahrhundert in jeder Cosel-Biographie auf.
Man vermisst eine Analyse der politischen Zusammenhänge ebenso wie der künstlerischen und architektonischen Ereignisse in Dresden. Auch wenn die Autorin munter Gespräche zwischen den historischen Figuren erfindet, innere Monologe und intime Seelenregungen wie Tatsachen abbildet, so kann man ihr ein Quellenstudium doch nicht absprechen, von Briefen und Memoiren der sächsischen Minister etwa. Freilich, wie bei jeder Biographie mit romanhaften Zügen, ist man gegen Zweifel an der Authentizität nie gefeit.
Katja Doubek: Die Gräfin Cosel
Liebe und Intrigen am Hof Augusts des Starken
Piper-Verlag München 2006
320 Seiten, 19,90 Euro
Der 33-jährige August, Kurfürst von Sachsen und polnischer König, begegnet der um zehn Jahre Jüngeren am Dresdner Hof, wo sie als die Ehefrau des Finanzministers von Hoym eine gewisse Rolle spielt. Als Mätresse aber gewinnt er sie erst, als er ihr finanzielle sowie moralische Sicherheiten garantiert. In einem Ehevertrag wird neben einer enormen jährlichen Pension, die der der Königin entspricht, das Versprechen des Königs schriftlich festgelegt, die Cosel nach dem Tod seiner angetrauten Frau als Königin öffentlich anzuerkennen und ihre gemeinsamen Kinder als legitime Nachkommen zu behandeln. Die Favoritin, die außerdem das Taschenbergpalais in Dresden und Schloss Pillnitz als Geschenk erhält, steht im Rang über den Ministern. Keine seiner bisherigen Mätressen hatte je solche Befugnisse.
Nach Auffassung des Hofes mischte sich Anna Constantia, die 1706 auf Betreiben Augusts in den Reichsgrafenstand erhoben worden war, zu sehr in die Politik ein, und sie deckte Verfehlungen und Intrigen von Ministern auf. Besonders ihr Versuch, seine Polen-Politik zu beeinflussen, wurde ihr zum Verhängnis.
1713 verbannte August Anna Constantia nach Schloss Pillnitz, von wo aus sie nach Berlin floh, was man ihr als Landesverrat auslegte. Im Tausch gegen Deserteure wurde sie vom preußischen König an Sachsen ausgeliefert. Ohne Anklage stellte man sie auf der Burg Stolpen unter Arrest, wo sie bis zu ihrem Tod 49 Jahre lang gefangen gehalten wurde. Auch nach dem Tod Augusts des Starken hob dessen Nachfolger die Inhaftierung nicht auf. Die genauen Gründe dafür werden auch von Katja Doubek nicht geklärt. Im Zentrum ihrer Betrachtung stehen vielmehr die Jugendzeit ihrer Heldin, die sie als Hoffräulein in Braunschweig zubrachte sowie die neun kurzen Jahre, die ihr als Geliebte Augusts des Starken gegönnt waren.
Die wohlfeilen Vermutungen der bisherigen Cosel-Literatur rückt Katja Doubek zurecht. Nicht Hochmut und Arroganz seien es gewesen, die sie unbeliebt machten, nicht Machthunger sei ihr Motiv gewesen, sich in die Politik einzumischen. Die Autorin zeigt, wie sich die Cosel – aus Eifersucht - schließlich selbst demontiert hat. Allerdings werden dafür weniger die Gründe verantwortlich gemacht, die immer schon mit der Rolle der Mätresse verknüpft waren.
Katja Doubek, die nach ähnlicher Machart eine Biographie über Katharina Kepler geschrieben hat, die Mutter des Astronomen und Naturwissenschaftlers, ist als Psychotherapeutin tätig und verfasste zahlreiche psychologische Sachbücher zu Paar- und Familienproblemen. Sie legt weniger Wert auf die Darstellung von historischen Gegebenheiten als auf genrebildhafte Kolportageszenen. Breit ausgemalt werden Vorkommnisse, die so stattgefunden haben können, jedoch nicht eindeutig belegt sind, wie die Hinrichtung von drei Frauen, die der Hexerei verdächtigt werden, die Liebesgeschichte mit dem verheirateten Bruder des Braunschweiger Erbprinzen oder der Brand ihres Dresdener Hauses, den sie offenbar beherzt löscht. Diese Episoden stammen aus dem Bereich der Legenden und tauchen seit dem 19. Jahrhundert in jeder Cosel-Biographie auf.
Man vermisst eine Analyse der politischen Zusammenhänge ebenso wie der künstlerischen und architektonischen Ereignisse in Dresden. Auch wenn die Autorin munter Gespräche zwischen den historischen Figuren erfindet, innere Monologe und intime Seelenregungen wie Tatsachen abbildet, so kann man ihr ein Quellenstudium doch nicht absprechen, von Briefen und Memoiren der sächsischen Minister etwa. Freilich, wie bei jeder Biographie mit romanhaften Zügen, ist man gegen Zweifel an der Authentizität nie gefeit.
Katja Doubek: Die Gräfin Cosel
Liebe und Intrigen am Hof Augusts des Starken
Piper-Verlag München 2006
320 Seiten, 19,90 Euro