"Einzelkinder sind sozialer"
Jedes vierte Kind in Deutschland wächst ohne Geschwister auf. Doch was ist dran am Mythos vom verwöhnten Einzelkind? Das haben wir die Familientherapeutin Paula Honkanen-Schoberth gefragt - und einige überraschende Antworten bekommen.
Sie sind verwöhnt, sie können nicht teilen und sie denken, die ganze Welt dreht sich nur um sie. So jedenfalls klingen die weit verbreiten Klischees über Einzelkinder - laut jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes immerhin jedes vierte Kind in Deutschland.
Doch sind Kinder ohne Geschwister wirklich so oft verzogene Gören? "Nein, überhaupt nicht. Das sind alte Vorurteile", sagt Paula Honkanen-Schoberth, Familientherapeutin und Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes. Die Einzelkinder zeigten in Untersuchungen keine negativeren Anzeichen in ihrem Sozialverhalten. Im Gegenteil: Kinder ohne Geschwister seien sogar sozialer, so die Expertin. Da sie nicht mit Geschwistern streiten müssten, legten sie allgemein viel wert auf harmonische Beziehungen zu anderen Menschen.
Einzelkindern nicht alle Wünsche erfüllen
Dennoch bestehe bei Einzelkindern ein Risiko der Überbehütung. "Es ist schon eine kleine Gefahr für die Eltern, dass sie, wenn sie nur ein Kind haben, diesem Kind alles geben wollen, es reichlich beschenken und verwöhnen. Das ist nicht gut", sagte Honkanen-Schoberth im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Sie rät, Kindern nicht alle Wünsche zu erfüllen. Manches müssten die Kinder sich auch selbst verdienen und erarbeiten. "Kinder brauchen Freiräume, um ihre eigenen Erfahrungen zu machen und sich stark zu entwickeln."
Für Einzelkinder sei zudem der Kontakt zu anderen Kindern sehr wichtig. Die Eltern müssten darauf achten, diese Kontakte zu fördern, sei es in der Verwandtschaft oder zu Freunden, so Honkanen-Schoberth. Übernachtungs- und Wochenendbesuche sollten den Kindern erlaubt werden, damit sie Freundschaften und Verwandtschaftsbeziehungen entwickeln können.