Klapp-Elemente, Traumwelten, Theaterbühnen
08:55 Minuten
Kinderbücher werden immer größer, schwerer, extravaganter. Viele regen zum aktiven Mitmachen an: Pop-up-Bücher mit Elementen zum Ziehen, Drehen oder Knicken. Der Trend sei ungebrochen, meint Kritikerin Eva Hepper - sie stellt gelungene Exemplare vor.
In den vergangenen Jahren sind immer mehr enorm aufwendig gestaltete Kinderbücher erschienen. Sie werden zunehmend größer, schwerer und extravaganter. Viele erscheinen mittlerweile als "Spielbilderbuch", das zum aktiven Mitmachen anregt: mit aufklappbaren Elementen, mit filigranen Scherenschnitten und farbigen Folien, mit eingesteckten Zauberlupen, Brillen und Laschen zum Ziehen, Drehen oder Knicken. Besonders beliebt sind die Pop-up-Bücher. Manche der komplexen Wunderwerke werden gar zu kleinen Theaterbühnen, die eigenhändig bespielt werden können – mit heraustrennbaren Figuren und variabel zu gestaltenden Settings.
Es sei ein ungebrochener Trend, dass Bilderbücher, vor allem Sachbilderbücher, "wahre Hingucker" seien, "richtige Prachtbände", sagt Literaturkritikerin Eva Hepper. "30 mal 40 Zentimeter ist keine Seltenheit, das ist dann eigentlich Atlasformat und gar nicht so einfach im eigenen Regel unterzubringen."
Immer ausgetüfteltere Papiermechanik
Ihr seien zwei Sorten von Büchern aufgefallen, so Hepper. "Zum einen diese großen Bilderbücher, die voll auf Illustrationen setzen: ganz schöne Tableaus, exzellent gedruckt auf hochwertigem Papier." Ein Beispiel dafür sei "Wildnis. Wo Tiere und Pflanzen zu Hause sind" von Mia Cassany, erschienen bei Prestel. Darin tauchten sozusagen alle Tiere der Welt auf. "Das ist wunderschön anzusehen."
Daneben seien ihr Bücher aufgefallen, sagt Hepper, die man "Mitmachbücher" nennen könnte. "Da gibt es Laschen zum Ziehen oder Knicken, Falzen. Man kann was entdecken, vielleicht auch raustrennen." Darunter fielen auch Pop-up-Bücher, die, etwa bei der Papiermechanik immer ausgetüftelter seien. "Es springen einen ganze Welten an, wenn man die aufklappt." Das seien regelrechte Kunstwerke.
Besonders begeistert habe sie, erzählt Hepper, das Buch "Eins, zwei, drei, die Akrobaten". Im Untertitel ist von einer "inszenierten Nummer" die Rede. Tatsächlich ergebe das Buch aufgeklappt ein Zirkuszelt. "Sie können Seite für Seite kleine Laschen aufklappen, dann erscheint erst eine Akrobatin, dann die zweite Akrobatin. Und am Ende stehen ganz viele übereinander." Es sei "ein unglaublich schönes Buch", mit dem man nebenbei auch zählen lernen könne, erklärt Hepper.
Aus München in die Welt
Schon seit ein paar Jahrhunderten würden Bücher so gestaltet. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts könne man es direkt zurückverfolgen. Damals seien "Ziehbilderbücher" beziehungsweise "Spielbilderbücher" in Mode gekommen, sagt Hepper. Ursprungsort sei München. Der Buchkünstler Lothar Meggendorfer (1847-1925) sei von dort aus mit seinen Schöpfungen weltweit berühmt geworden. Besonders in den USA sei das Genre der Papiermechanik weiterentwickelt worden. Dort werde bis heute ein nach Meggendorfer benannter Preis vergeben. "Man kann sagen, dass das Genre von Deutschland aus in die Welt gegangen ist."
Aber eignen sich solch filigran gestaltete Bücher auch für etwas wildere Kinder? "Ich denke schon", meint Eva Hepper. Am Anfang sollten sich vielleicht Erwachsene das Buch gemeinsam mit den Kindern anschauen. Und dann gäben auch die Bücher selbst "das Signal, da nicht wild dran rumzurupfen". Allerdings täten "vorsichtige Fingerchen" den Büchern in jedem Fall besser.
(abr)