Mit Dörte Hansen, Vea Kaiser und Christian Berkel
48:50 Minuten
Im "Literarischen Quartett" diskutiert Thea Dorn mit ihren Gästen über Bücher von Annie Ernaux, Kate Elizabeth Russell, Samanta Schweblin und Robert Seethaler.
Annie Ernaux: "Die Scham"
"Scham ist das beharrliche Gefühl der eigenen Unwürdigkeit", analysiert die Schriftstellerin Annie Ernaux. Sie erkundet an ihrer eigenen Biografie die bedrückende Last der Vergangenheit. Ein altes Foto erinnert sie 50 Jahre später an jenen Sonntagnachmittag, als ihr Vater versuchte, vor den Augen der kleinen Annie, die Mutter umzubringen. Annie stellt sich der Erinnerung, seziert das Geschehen von damals in all seine Bestandteile und schafft dabei ein Panorama der 50er-Jahre, als die Eltern versuchten, den sozialen Aufstieg zu schaffen und es doch immer wieder misslang.
Kate E. Russell: "Meine dunkle Vanessa"
Gerade 15 Jahre alt ist Vanessa, als sie aufs College-Internat geschickt wird. Mitten in der Pubertät kämpft sie mit sich und ihren chaotischen Gefühlswelten, niemand scheint sie richtig zu verstehen. Niemand? Ihr Englischlehrer ist anders, von ihm fühlt sie sich gehört und aufgefangen. Sie haben Sex, und sie ist überzeugt: Es ist Liebe. Zwei Jahrzehnte später, es ist die Zeit von #MeToo, wird der Lehrer von ehemaligen Mitschülerinnen wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt. Vanessas Gewissheiten geraten ins Wanken: War auch sie nur ein Opfer unter Vielen, oder war es große Liebe?
Samanta Schweblin: "Hundert Augen"
Samanta Schweblin erschafft moderne Mythen über unsere vernetzte Gegenwart, berückende Bilderwelten und eine Ahnung von unaussprechlichem Terror. Wie kann es sein, dass jemand in Bangkok mit deinen Kindern in Buenos Aires frühstückt, und du bist dabei, aber weißt nichts davon? Wer sind diese Menschen, die aussehen, riechen und leben wie wir, mit uns, in uns? Sie sind überall, sie haben die Städte, die Schulen, die öffentlichen und privaten Plätze und unsere Schlafzimmer infiltriert. Sie sind mitten unter uns, und wir lieben sie, denn sie zeigen uns die Schönheit der Welt. Noch.
Robert Seethaler: "Der letzte Satz"
Robert Seethaler porträtiert einen Mann am Ende seines Lebens. Er ist der größte Musiker seiner Zeit, dirigiert die Orchester der Metropolen und wird umjubelt vom Konzertpublikum auf beiden Seiten des Atlantiks – Gustav Mahler. Alt, krank und gebrechlich begibt er sich per Schiff auf seine letzte Passage von New York nach Europa und hält Rückschau: auf sein Leben, seine große Liebe, Alma, die ihn fast den Verstand kostet, sein Ringen um die Komplexität der Töne, seine Verluste und seine Ängste.
Bei uns können Sie die ZDF-Sendung "Das Literarische Quartett" als Podcast nachhören.