Urheberrechtsstreit um August Sanders Werke
August Sander ist berühmt für seine Porträts von Menschen des 20. Jahrhunderts. Hier ein "Konditormeister" aus Koeln-Lindenthal, aufgenommen um 1928. © picture-alliance / akg-images
Wem gehören die Informationen?
11:56 Minuten
Fotograf August Sander schuf das Fotoprojekt "Menschen des 20. Jahrhunderts". Sein Urenkel will die Bilder öffentlich zugänglich machen und verschenkt über 10.000 Kontaktabzüge – mit Hilfe von NFTs. Darüber ist nun ein Urheberrechtsstreit entbrannt.
Vor gut 100 Jahren hat der Fotograf August Sander epochale Schwarz-weiß-Porträts von Handwerkern, Bauarbeitern, Großstädtern, Witwern und vielen mehr mit einer großformatigen Plattenkamera angefertigt. Sein konzeptionelles Fotoprojekt „Menschen des 20. Jahrhunderts“ ist gerade wieder im Centre Pompidou in Paris zu sehen. Die Urheberrechte an Sanders Motiven liegen seit 1992 größtenteils bei der SK Stiftung Kultur der Sparkasse Köln-Bonn.
Rund 10.000 Kontaktabzüge besitzt seit Kurzem der Urenkel des berühmten Fotografen, der Galerist und Kunsthändler Julian Sander. Und er hat sie einfach verschenkt, indem er für jeden einzelnen Abzug ein NFT, also ein Besitzzertifikat, erstellt und über die NFT-Plattform OpenSea gegen eine geringe Minting-, also Präge-Gebühr, angeboten hat.
10.400 Kontaktabzüge fast verschenkt
Innerhalb von 26 Minuten haben 10.400 Kontaktabzüge ihren Eigentümer gewechselt. Die Kosten lagen zwischen zwei und im höchsten Fall um die 200 Euro, je nachdem, wie stark das Netzwerk zum Zeitpunkt des Erwerbs ausgelastet war. Nun muss Sander die Abzüge noch verschicken oder abholen lassen.
Doch über diese Aktion ist nun ein Urheberrechtsstreit entbrannt. Die SK Stiftung Kultur hat mit Unterstützung der VG Bild-Kunst geklagt. Die Veröffentlichung von Motiven von August Sander sei nur mit Genehmigung der fotografischen Sammlung der Stiftung und der VG Bild-Kunst zulässig, heißt es. Doch dem sieht Julian Sander eher gelassen entgegen. Der Galerist sagt:
„Ich bin Kunsthändler und die Schrankenregelungen des Urheberrechts sind ja spezifisch dafür ausgelegt, dass genau solche Diskrepanzen nicht auftauchen, denn sonst könnte jeder Urheberrechtler mich daran hindern, ein Werk zu verkaufen. Die NFTs, die ich gemacht habe, sind ja nicht Digitalisate des Werkes, sondern Besitzzertifikate für die physikalischen Kontaktabzüge, die mein Vater gemacht hat. Und wir sind jetzt in dem Prozess, diese ganzen Kontaktabzüge an die jetzigen Besitzer auszuliefern.“
Das Archiv soll zugänglich werden
Doch worum geht es ihm dann?
„Die SK-Stiftung sollte ja laut deren Vereinbarungen mit meinem Vater ein August-Sander-Recherchezentrum in Köln bauen. Davon wird überhaupt nicht geredet. Es ist aber in dem Vertrag drin. Ich verstehe, wie schwer das ist. Und ich habe es gemacht, weil ich es kann – und weil ich es sehr gut kann“, so Julian Sander.
Er berichtet, dass sein Vater Ende der 80er-Jahre diese Kontaktabzüge angefertigt und nie verkauft habe. Daraus habe er dann eine „physische Datenbank“ erstellt. Das heißt: Er hat die Abzüge mitsamt allen möglichen Informationen zu den jeweiligen Bildern – Briefe, Zeitungsartikel etc. – in klassische Büroorder gepackt, um so den Wissensbestand zu bewahren.
Und um das Zugänglichmachen dieses Archivs geht es Julian Sander letztlich, der in den letzten Jahrzehnten auch weiter Wissen über die einzelnen Motive gesammelt hat. Erst durch diese Informationen erhalte das Werk seines Urgroßvaters seine Bedeutung. Und dafür sind NFTs seiner Ansicht nach das ideale Mittel.
NFTs sind mehr als Spekulationsobjekte
Dem Galeristen geht es um die tatsächliche Nutzbarkeit der NFT-Technologe, „die mehr ist als nur Spekulationsobjekt“, weil sie die Möglichkeit bietet, Wissen allen zugänglich zu machen, obwohl das Werk jemandem gehört. „Das ist ein krasses Gegenbeispiel zu den verschlossenen und verstaubten Archiven, die wir überall in der Welt haben. Das, glaube ich, ist es, was dabei rauskommen wird.“
In den Metadaten seiner NFTs befinden sich nämlich neben dem Wissen über die Negative auch Verweise, wo man das jeweilige Bild sehen kann, wenn man es nicht physikalisch besitzt.
Julian Sander glaubt, dass die NFT-Technologie gewaltige positive Auswirkungen auf unser kulturelles Erinnerungsvermögen haben könne. "Und das ist es, was ich beabsichtigt habe mit diesem NFT-Projekt“, sagt er. Gleichzeitig ist es eine geniale Geschäftsidee: Wenn ein Besitzer sein NFT weiterverkauft, bekommt Sander 7,5 Prozent vom Verkaufspreis.