Aus dem Arbeitsleben einer Hure
Kate Holden hat eine ungewöhnliche Biografie vorgelegt: In ihrem Erstlingswerk berichtet die Australierin aus ihrem Leben als Prostituierte. Ohne die gängigen Klischees zu bedienen, schildert sie nüchtern, wie sie als Tochter aus einem bürgerlichen Elternhaus in die Drogensucht abrutscht und ihre Abhängigkeit mit der Arbeit als Hure finanziert.
Intime Bekenntnisse - der Untertitel dieses Debüts der 1972 in Melbourne geborenen Kate Holden scheint eindeutig zu sein. Man denkt an Salonliteratur des 18. Jahrhunderts, an erotische Erlebnisliteratur sehr aufgeklärter französischer Intellektueller der postfeministischen Zeit.
An eines denkt man nicht: An Literatur der Arbeitswelt. Aber um diese handelt es sich genau genommen. Denn die Australierin Kate Holden beschreibt in diesem Roman auf eine provozierende nüchterne Weise die Jahre ihres Lebens, die sie in der Arbeitswelt der Prostitution verbrachte. Sie beschreibt sie nicht als seelisches Drama, nicht als exzentrische Erfahrung einer Grenzsituation, auch nicht als Außenseitergeschichte. Sondern als erzählten Bericht einer dem Geldverdienen geschuldeten Tätigkeit.
Sie idealisiert nicht und sie horrorfiziert nicht. Vor allem bricht ihr Roman vollkommen aus den gewohnten Kategorien der Schilderung eines düsteren Milieus, einer düsteren Herkunft, einer chancenlosen Biografie aus, die üblicherweise das Sujet der Prostitution und das Genre Prostitutionsgeschichte automatisch begleiten. Der wichtigste Satz auf der ersten Seite dieses Romans lautet: "Meine Familie war intakt und unkompliziert: Vater, Mutter, eine jüngere Schwester." Diese intakte Familie lebt in einem grünen hellen Vorort Melbournes in einem behaglichen Haus mit vielen Büchern, Musikinstrumenten, lebhaftem Küchenbetrieb. Einem Haus, in dem weder Gleichgültigkeit noch Rigidität herrschen. Der Vater ist Wissenschaftler, die Mutter arbeitet in der Ortsverwaltung. Aus diesen Verhältnissen heraus wird eine junge Frau in der Regel nur dann Prostituierte, wenn sie einen Knacks hat. Kate Holden hat ihn nicht. Sie ist lediglich schüchterner als ihre gleichaltrigen Schulkameradinnen, mit 20 ein wenig abenteuerhungriger, weil sie bis dahin sehr wenig erlebt und dafür sehr viel gelesen und allein geträumt hat. Es sind Zufälle, die sie dazu bringen, Rauschgift zu probieren und sich einem Milieu anzuschließen, in dem Heroin und Prostitution zum Alltag gehören.
Kate Holden schildert Erniedrigung und Zärtlichkeit, Ausbeutung und Bestätigung, die Angst, dem Leben als Prostituierter nicht mehr entkommen zu können und den stillen Triumph über den Mut, ihre Existenz so extrem an eine Grenze geführt zu haben. Sie schildert vor allem, dass ihr in der Zeit, die sie auf der Straße und in Bordellen verbrachte, nie ihre differenzierte Beobachtungsgabe verloren ging, ihr distanzierender Blick auch auf sich selbst. Mit der Perspektive dieses sachlichen Blicks beschreibt sie eine Arbeitswelt, die bis heute mit Tabus und Voyeurismus umgeben ist. In dieser Sachlichkeit liegt die Schonungslosigkeit des ersten Romans von Kate Holden.
Rezensiert von Ursula März
Kate Holden: Unter meiner Haut. Intime Bekenntnisse
Aus dem Englischen von Sabine und Matthias Hedinger
Rowohlt Verlag 2007
350 Seiten, 19,90 Euro
An eines denkt man nicht: An Literatur der Arbeitswelt. Aber um diese handelt es sich genau genommen. Denn die Australierin Kate Holden beschreibt in diesem Roman auf eine provozierende nüchterne Weise die Jahre ihres Lebens, die sie in der Arbeitswelt der Prostitution verbrachte. Sie beschreibt sie nicht als seelisches Drama, nicht als exzentrische Erfahrung einer Grenzsituation, auch nicht als Außenseitergeschichte. Sondern als erzählten Bericht einer dem Geldverdienen geschuldeten Tätigkeit.
Sie idealisiert nicht und sie horrorfiziert nicht. Vor allem bricht ihr Roman vollkommen aus den gewohnten Kategorien der Schilderung eines düsteren Milieus, einer düsteren Herkunft, einer chancenlosen Biografie aus, die üblicherweise das Sujet der Prostitution und das Genre Prostitutionsgeschichte automatisch begleiten. Der wichtigste Satz auf der ersten Seite dieses Romans lautet: "Meine Familie war intakt und unkompliziert: Vater, Mutter, eine jüngere Schwester." Diese intakte Familie lebt in einem grünen hellen Vorort Melbournes in einem behaglichen Haus mit vielen Büchern, Musikinstrumenten, lebhaftem Küchenbetrieb. Einem Haus, in dem weder Gleichgültigkeit noch Rigidität herrschen. Der Vater ist Wissenschaftler, die Mutter arbeitet in der Ortsverwaltung. Aus diesen Verhältnissen heraus wird eine junge Frau in der Regel nur dann Prostituierte, wenn sie einen Knacks hat. Kate Holden hat ihn nicht. Sie ist lediglich schüchterner als ihre gleichaltrigen Schulkameradinnen, mit 20 ein wenig abenteuerhungriger, weil sie bis dahin sehr wenig erlebt und dafür sehr viel gelesen und allein geträumt hat. Es sind Zufälle, die sie dazu bringen, Rauschgift zu probieren und sich einem Milieu anzuschließen, in dem Heroin und Prostitution zum Alltag gehören.
Kate Holden schildert Erniedrigung und Zärtlichkeit, Ausbeutung und Bestätigung, die Angst, dem Leben als Prostituierter nicht mehr entkommen zu können und den stillen Triumph über den Mut, ihre Existenz so extrem an eine Grenze geführt zu haben. Sie schildert vor allem, dass ihr in der Zeit, die sie auf der Straße und in Bordellen verbrachte, nie ihre differenzierte Beobachtungsgabe verloren ging, ihr distanzierender Blick auch auf sich selbst. Mit der Perspektive dieses sachlichen Blicks beschreibt sie eine Arbeitswelt, die bis heute mit Tabus und Voyeurismus umgeben ist. In dieser Sachlichkeit liegt die Schonungslosigkeit des ersten Romans von Kate Holden.
Rezensiert von Ursula März
Kate Holden: Unter meiner Haut. Intime Bekenntnisse
Aus dem Englischen von Sabine und Matthias Hedinger
Rowohlt Verlag 2007
350 Seiten, 19,90 Euro