Die Batterien der Zukunft
Ob in Smartphones oder in Elektrofahrzeugen: Lithium-Ionen-Akkus haben sich als mobile Stromspeicher etabliert. Aber natürlich suchen Wissenschaftler schon nach der Technologie von morgen. Arndt Reuning hat einen dieser Experten besucht.
Ein Batterielabor an der Universität Gießen. Vier schwarze, unförmige Arme mit dicken Wurstfingern an den Händen ragen aus einem Kasten mit einer Glasscheibe heraus. Diese Handschuhbox schützt die empfindlichen Chemikalien, die zur Herstellung von Lithium-Akkus benötigt werden. Denn Sauerstoff und Feuchtigkeit aus der Luft setzen ihnen zu. Jürgen Janek greift in einen der Handschuhe.
"Sie sehen also diese großen, schwarzen Handschuhe, die dann eingestülpt werden in die Handschuhbox. Und die Mitarbeiter, Doktoranden, Studenten können in der Zelle unter Argon-Atmosphäre, also in einem Edelgas, problemlos mit Lithiumverbindungen arbeiten, Elektroden fertigen, Zellen zusammensetzen, die dann vermessen werden."
Das Messlabor liegt ein paar Türen weiter. Auf dem Weg dahin erzählt der Chemieprofessor, dass das Institutsgebäude gerade erst vor einigen Wochen feierlich eingeweiht wurde. Mit seinen hellen Gängen, der Glasfassade und dem begrünten Innenhof ähnelt der Neubau eher einem Rathaus als einer Forschungseinrichtung.
Im Labor steht ein großer Kasten, der einem amerikanischen Kühlschrank ähnelt. Jürgen Janek öffnet die beiden massiven Türen. Hinter einer Glasscheibe liegen unzählige Batterien wie auf Ofenrosten übereinander gestapelt.
"Jede einzelne Zelle, die auch verkabelt ist, wird die ganze Zeit kontinuierlich geladen, entladen. Und aus diesen Messkurven können wir dann etwas lernen über die Frage, ob die Materialien, die wir vielleicht neu in diese Batterien eingebracht haben, einen Vorteil bringen oder vielleicht das Verhalten der Batterie tatsächlich sogar verschlechtern."
Batterie mit Schaukelstuhl-Effekt
Das Gießener Forscherteam arbeitet daran, die Lithium-Ionen-Technologie zu verbessern. Keine leichte Aufgabe, denn die Akkus gelten als besonders pflegeleicht. Das liegt an ihrer Zellchemie: Beim Laden und Entladen wandern einfach nur Lithium-Ionen zwischen den Polen hin und her, her und hin.
"Als Sony 1991, 1992 den Lithium-Ionen-Akku kommerzialisiert hat, wurde das Bild geprägt von einem Schaukelstuhl, einer 'Rocking Chair'-Batterie. So dass dieses reversible Transportieren des Lithiums von rechts nach links, von links nach rechts wie das Schaukeln eines Schaukelstuhls zu betrachten ist. Und alle wissen: Das geht sozusagen sehr sanft, das Schaukeln eines Schaukelstuhls. Und genauso gut und schonend ist dann eigentlich auch das, was an Chemie in einem Lithium-Ionen-Akku abläuft."
Potential zur Verbesserung bietet aber zum Beispiel noch der Elektrolyt. Das ist die Flüssigkeit, durch die sich die geladenen Lithium-Teilchen hindurch bewegen. Üblicherweise besteht sie aus organischen Lösungsmitteln. Deren Nachteil: Sie sind brennbar. Wenn sich eine Batterie unter ungünstigen Bedingungen selbst überhitzt, wie kürzlich beim Galaxy Note 7 von Samsung, kann sie in Flammen aufgehen. Für Abhilfe könnte hier eine Feststoffbatterie auf Basis von Lithium sorgen.
"Die Idee ist also sozusagen: Wir verzichten komplett auf diesen flüssigen Elektrolyten und verwenden einen anderen, einen festen Elektrolyten, vielleicht sogar auf keramischer Basis, um dann zu einer Batterie zu kommen, die nur noch aus festen Komponenten besteht. Solche Festelektrolyte gibt es. Und es gibt eine ganze Reihe von Firmen und Zellherstellern, die derzeit dabei sind, zu erforschen, ob Feststoffbatterien tatsächlich die Lithium-Ionen-Batterie ersetzen könnten."
Als Stromspeicher für die Elektromobilität wird vor allem die Energiedichte eine wichtige Rolle spielen – und damit verbunden die Reichweite einer einzelnen Akkuladung. Die Anforderungen an die Batterien werden also in absehbarer Zukunft weiter steigen.
Die Energiedichte von Lithium-Ionen-Akkus hat sich im Lauf der vergangenen fünfundzwanzig Jahre zwar vervierfacht. Allerdings dürfte diese Entwicklung bald schon an eine physikalisch-chemische Grenze stoßen. Und dann wäre es an der Zeit, sich vom Konzept einer Schaukelstuhl-Batterie zu verabschieden.
"Dann sind eigentlich alle alternativen Batteriekonzepte darauf ausgerichtet, andere chemische Reaktionen ablaufen zu lassen in der Batterie, bei denen Stoffe wirklich massiv verändert werden: neu gebildet werden, verbraucht werden beim Hin- und Herladen in der Batterie. Damit ist man dann in der Lage, mehr Energie zu speichern. Aber das Ganze ist vom Ablauf her dieser Reaktion sehr viel komplexer, sehr viel schwieriger, so dass das Laden und Entladen nicht so gut funktioniert wie mit einer Lithium-Ionen-Batterie."
Eine Lithium-Schwefel-Basis könnte die Zukunft sein
Ein Beispiel: die Lithium-Schwefel-Batterie. Sie enthält elementaren, gelben Schwefel, der als Nebenprodukt in der Erdölindustrie kostengünstig anfällt. Er bildet bei ihr die Kathode. Dorthin wandern die Lithium-Ionen vom Gegenpol aus, von der Anode, um sich mit dem Schwefel zu verbinden. Dessen Moleküle bilden üblicherweise Ringe aus acht Atomen. Durch die chemische Reaktion in der Zelle zerfallen diese Gebilde jedoch zu Ketten verschiedener Länge. Erst seit kurzer Zeit hat man gelernt, diese recht komplexe Zellchemie zu bändigen.
"Man ist heute dabei, würde ich sagen, Zellen auf Lithium-Schwefel-Basis zu entwickeln, die schon sehr gut sind, die den Vorteil haben, wirklich auch kein teures Metall zu enthalten wie Kobalt oder Nickel im Fall der Lithium-Ionen-Batterien. Also die Lithium-Schwefel-Batterie ist in diesem Sinne eine ressourceneffiziente Batterie. Sie hat den Vorteil einer großen spezifischen Energiedichte bezogen auf die Masse. Und deshalb werden Lithium-Schwefel-Zellen schon testweise im Fall von Drohnen eingesetzt."
Als Nachfolger für die Lithium-Ionen-Technologie werden auch Metall-Luft-Akkus diskutiert oder Zellen auf Basis von Natrium. Welches Konzept aber tatsächlich die etablierten Energiespeicher ablösen wird, dürfte sich wohl erst im Lauf der kommenden Jahre zeigen. Und bis dahin ist noch viel Forschungsarbeit im Labor nötig.