Aus dem Hinterland der Kriege
Pakistan und der Iran gehören zu einer Region, die wir nicht unbedingt auf eigene Faust bereisen würden. Anders der Schweizer Photograph Daniel Schwartz. Unter dem Titel "Ansichten aus dem Hinterland der Kriege" sind seine Bilder jetzt in Berlin zu sehen.
Auf den ersten Blick erscheinen die Fotografien von Daniel Schwartz eingängig, manchmal spielen sie mit den Klischees, die durch die vielen Medienberichte über Afghanistan und die ganze zentralasiatische Region bestärkt werden: Eine Frau, verhüllt mit einer Burka, bettelt an einem Auto, das gerade angehalten und dessen Fenster geöffnet sind; eine schier endlose Steppe, in der sich ein kleines Lager von Nomaden gebildet hat; uralte steinerne Zeugen vergangener Kulturen in der Wüste. Auf den zweiten Blick wird klar, dass man kaum in der Lage sein dürfte, diese Bilder, ihre Hintergründe wirklich zu erfassen.
"Ich bin sehr ökonomisch eigentlich unterwegs, weil ich ja auch analog arbeite, möchte ich möglichst wenig Silber verbrauchen. Also ich versuche eigentlich, nur die Bilder zu machen, von denen ich mir erhoffe, dass sie relevant sind und in die Tiefe gehen und immer für einen gewissen Kontext stehen. Also, extrem formuliert: Ich mach das Bild erst, wenn ich die Legende dazu schon habe."
Sagt Daniel Schwartz, der Schweizer Fotograf, der sein Handwerk in Zürich gelernt hat und zwischen 1995 und 2007 insgesamt zwölf zentralasiatische Staaten bereist hat, neben Afghanistan etwa auch Iran, Pakistan, den Westen Chinas, Kasachstan oder Usbekistan. Ein Gebiet fast von der Größe Europas, ein Ballungsraum vergangener und gegenwärtigen Zivilisationen, in dessen Kulturen sich chinesische, griechische, arabische, mongolische, persische, russische und, über die Seidenstraße, mitteleuropäische Einflüsse widerspiegeln. Heute stoßen hier die Weltkonflikte der Globalisierung aufeinander. Hinter jedem Bild steckt eine lange Geschichte. Daniel Schwartz ist sich des Problems bewusst, diese Geschichte niemals direkt abbilden zu können. Er muss sie selbst erzählen. So steht das Erzählen am Beginn der Bilder.
"Zuerst war das Lesen. Und das Lesen ist ja so, dass es die Welt, auf die der Fotograf zurückgreifen muss, weil sie die Gegenstände durchs Licht direkt abbilden, diese Welt erweitert auf das, was nur darstellbar ist mittels des Wortes. Und insofern war das Lesen wirklich der Anfang, die Fotografie ist das Handwerk."
Die bettelnde Frau in der Burka - aufgenommen in Kabul 1998. Wahrscheinlich eine der unzähligen Kriegswitwen in Afghanistan, die bei den Kriegen der vorangegangenen Jahre Väter und Brüder verloren haben und zum Betteln gezwungen waren, weil sie durch den Erlass der Taliban vom Arbeitsleben ausgeschlossen wurden. Das vermeintliche "Nomadenlager" in der Steppe, aufgenommen 2001 in Herat in Afghanistan, zeigt in Wirklichkeit Flüchtlinge aus dem Hungergebiet von Badghis. Die Ruinen in der Wüste zeigen die Akropolis des Kushan-Herrschers Kanishka I. aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Verweis auf das untergegangene Grossreich der Kushan, die aus China stammten und sich einst vom Norden Afghanistans bis Indien und an die Grenzen Persiens erstreckte und eine Art kultureller Vermittler zwischen römischem Reich und China war. Schwartz' jahrelange fotografische Expeditionen waren offenkundig ein groß angelegtes Experiment mit dem Sichtbaren und Unsichtbaren der Zeitschichten.
"Das beginnt beim Studium der Karten, und nicht nur beim Studium der gegenwärtigen Karten, sondern bei den historischen Karten. Also wenn ich nach Zentralasien gehe, ist es interessant, sich mit den frühesten griechischen Karten zu beschäftigen, mit den arabischen Karten, auf denen die Welt auf dem Kopf steht; mit den chinesischen Karten, die keine Relation zur faktischen Gliederung der Räume haben, bis zu den Angriffskarten des amerikanischen Militärs, um dann vor Ort eigentlich immer zu wissen oder ein Gefühl von dem zu haben, was um die Ecke liegt."
Nicht selten operierte Schwartz in ehemaligen oder aktuellen Kriegsregionen wie zwischen Indien und Kashmir, in denen man noch immer auf Minen im Boden stoßen oder zwischen alte Fronten geraten konnte. Nicht selten findet sich die aktuelle Geschichte globaler Erschließung auch sonst vergraben im Boden, wie in der fast idyllisch anmutenden grünen Steppe, aufgenommen in Turkmenistan, unter der die Trasse des Trans-Asia-Europe-Glasfaserkabels verläuft. Doch einige der großformatigen, fast wie Gemälde wirkende Fotografien wirken auch ganz unmittelbar: Wie die Aufnahmen getöteter Freischärler in Kashmir oder eines kasachischen Jungen in einer ärmlichen Siedlung, der einen großen Wasserbehälter an einem Brunnen füllt. Für den erzählenden Fotografen nur zwei von zahllosen Mosaiksteinen einer Geschichte mit unendlichen Kombinationen.
"Ich geh in der Geschichte spazieren. Ich stehe vor Timurs Grabmal in Smarkand und bin dann plötzlich in Stalingrad und überlege mir, ob Timurs Genie Stalin geholfen hat, in den Kessel einzudringen. Also ich erlaub mir alle, alle Freiheiten und Frechheiten, aber ich wollte keinen faktischen Fehler machen."
Links auf dradio.de:
"Ich reise durch das Auge der Geschichte" - Der Fotograf Daniel Schwartz über seine Ausstellung in Berlin
"Ich bin sehr ökonomisch eigentlich unterwegs, weil ich ja auch analog arbeite, möchte ich möglichst wenig Silber verbrauchen. Also ich versuche eigentlich, nur die Bilder zu machen, von denen ich mir erhoffe, dass sie relevant sind und in die Tiefe gehen und immer für einen gewissen Kontext stehen. Also, extrem formuliert: Ich mach das Bild erst, wenn ich die Legende dazu schon habe."
Sagt Daniel Schwartz, der Schweizer Fotograf, der sein Handwerk in Zürich gelernt hat und zwischen 1995 und 2007 insgesamt zwölf zentralasiatische Staaten bereist hat, neben Afghanistan etwa auch Iran, Pakistan, den Westen Chinas, Kasachstan oder Usbekistan. Ein Gebiet fast von der Größe Europas, ein Ballungsraum vergangener und gegenwärtigen Zivilisationen, in dessen Kulturen sich chinesische, griechische, arabische, mongolische, persische, russische und, über die Seidenstraße, mitteleuropäische Einflüsse widerspiegeln. Heute stoßen hier die Weltkonflikte der Globalisierung aufeinander. Hinter jedem Bild steckt eine lange Geschichte. Daniel Schwartz ist sich des Problems bewusst, diese Geschichte niemals direkt abbilden zu können. Er muss sie selbst erzählen. So steht das Erzählen am Beginn der Bilder.
"Zuerst war das Lesen. Und das Lesen ist ja so, dass es die Welt, auf die der Fotograf zurückgreifen muss, weil sie die Gegenstände durchs Licht direkt abbilden, diese Welt erweitert auf das, was nur darstellbar ist mittels des Wortes. Und insofern war das Lesen wirklich der Anfang, die Fotografie ist das Handwerk."
Die bettelnde Frau in der Burka - aufgenommen in Kabul 1998. Wahrscheinlich eine der unzähligen Kriegswitwen in Afghanistan, die bei den Kriegen der vorangegangenen Jahre Väter und Brüder verloren haben und zum Betteln gezwungen waren, weil sie durch den Erlass der Taliban vom Arbeitsleben ausgeschlossen wurden. Das vermeintliche "Nomadenlager" in der Steppe, aufgenommen 2001 in Herat in Afghanistan, zeigt in Wirklichkeit Flüchtlinge aus dem Hungergebiet von Badghis. Die Ruinen in der Wüste zeigen die Akropolis des Kushan-Herrschers Kanishka I. aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Verweis auf das untergegangene Grossreich der Kushan, die aus China stammten und sich einst vom Norden Afghanistans bis Indien und an die Grenzen Persiens erstreckte und eine Art kultureller Vermittler zwischen römischem Reich und China war. Schwartz' jahrelange fotografische Expeditionen waren offenkundig ein groß angelegtes Experiment mit dem Sichtbaren und Unsichtbaren der Zeitschichten.
"Das beginnt beim Studium der Karten, und nicht nur beim Studium der gegenwärtigen Karten, sondern bei den historischen Karten. Also wenn ich nach Zentralasien gehe, ist es interessant, sich mit den frühesten griechischen Karten zu beschäftigen, mit den arabischen Karten, auf denen die Welt auf dem Kopf steht; mit den chinesischen Karten, die keine Relation zur faktischen Gliederung der Räume haben, bis zu den Angriffskarten des amerikanischen Militärs, um dann vor Ort eigentlich immer zu wissen oder ein Gefühl von dem zu haben, was um die Ecke liegt."
Nicht selten operierte Schwartz in ehemaligen oder aktuellen Kriegsregionen wie zwischen Indien und Kashmir, in denen man noch immer auf Minen im Boden stoßen oder zwischen alte Fronten geraten konnte. Nicht selten findet sich die aktuelle Geschichte globaler Erschließung auch sonst vergraben im Boden, wie in der fast idyllisch anmutenden grünen Steppe, aufgenommen in Turkmenistan, unter der die Trasse des Trans-Asia-Europe-Glasfaserkabels verläuft. Doch einige der großformatigen, fast wie Gemälde wirkende Fotografien wirken auch ganz unmittelbar: Wie die Aufnahmen getöteter Freischärler in Kashmir oder eines kasachischen Jungen in einer ärmlichen Siedlung, der einen großen Wasserbehälter an einem Brunnen füllt. Für den erzählenden Fotografen nur zwei von zahllosen Mosaiksteinen einer Geschichte mit unendlichen Kombinationen.
"Ich geh in der Geschichte spazieren. Ich stehe vor Timurs Grabmal in Smarkand und bin dann plötzlich in Stalingrad und überlege mir, ob Timurs Genie Stalin geholfen hat, in den Kessel einzudringen. Also ich erlaub mir alle, alle Freiheiten und Frechheiten, aber ich wollte keinen faktischen Fehler machen."
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"Ich reise durch das Auge der Geschichte" - Der Fotograf Daniel Schwartz über seine Ausstellung in Berlin