Aus dem Labor frisch auf den Tisch - Diskussion über "Grüne Gentechnik"

Mais, resistent gegen Schädlinge, Tomaten, leuchtend rot, schmackhaft und lange haltbar, Reissorten, die wenig Wasser brauchen und als Medikament gegen Mangelerkrankungen helfen können: Die "Grüne Gentechnik" schafft Lebensmittel nach Maß. Ihre Befürworter sehen sie als Wunderwaffe gegen das Welternährungsproblem. Die Risiken und Folgen für die Umwelt und den Verbraucher sind zu groß, widersprechen ihre Kritiker.
Die Skeptiker sind hierzulande in der Überzahl: Rund 80 Prozent der Deutschen lehnen Gen-Food ab. Was die wenigsten wissen: Genetisch veränderte Produkte finden sich längst in unseren Regalen. Der Molekularbiologe Prof. Dr. Bernd Müller Röber: "Nehmen sie herkömmliche Reinigungsmittel: In jedem handelsüblichen Produkt sind veränderte Enzyme drin, Eiweiße, die dafür sorgen, dass die Fett- oder Schmutzflecken weggehen oder dass die Wäsche auch nach mehreren Waschgängen noch leuchtet. Oder im Lebensmittelbereich: Vitamin C wird mithilfe von Gentechnik hergestellt oder der Zuckeraustauschstoff Aspartam. In der Käseindustrie haben sie künstliches Lab, was früher aus Kälbermägen gewonnen wurde. Auch in Getränken sind gentechnisch veränderte Bestandteile, die nicht deklariert werden müssen."

Die "Grüne Gentechnik" hat sich längst in Europa durchgesetzt: Gen-Soja hat über importierte Futtermittel Einzug auch in hiesige Ställe und damit in Steaks und Eier gefunden. Der Weltmarkt für genveränderte Pflanzen ist in den vergangenen Jahren um das Zwanzigfache gestiegen, die Anbaufläche beträgt mehr als 80 Millionen Hektar.

Dagegen nehmen sich die knapp 1000 Hektar Versuchsfläche in Deutschland geradezu lächerlich aus. Dort untersuchen z.B. Bernd-Müller Röber und seine Kollegen vom Max Planck Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam, wie man mit Hilfe der Gentechnik die Eigenschaften von Pflanzen verändern kann, z. B. den Stärke- und Wassergehalt von Kartoffeln. "Je weniger Wasser eine Kartoffel enthält, umso weniger Energie brauchen wir auch, um sie gar zu kochen." Er ist überzeugt, dass die Gentechnik auch für eine ökologische Landwirtschaft Nutzen bringen kann, weil sie zum Beispiel weniger Herbizide oder Insektizide nötig macht.

Gentechnik-Kritiker wie Dr. Steffi Ober vom Naturschutzbund Deutschland ziehen insbesondere die Vorteile für die Landwirte in Zweifel: "Für uns ist die Gentechnik grundsätzlich eine neue Art von Züchtung. Erstmals überschreitet der Mensch eine Grenze, nicht wissend, was er tut." Die Gentechnik habe eine Kaskade der Industrialisierung der Landwirtschaft losgetreten, die Artenvielfalt sei bedroht. "In Argentinien haben wir fast 100 Prozent genverändertes Soja, in Brasilien ist es 50/50. Wir haben dort riesengroße Landbesitzer und viele abhängig Beschäftigte.

In den USA sieht es ähnlich aus. Dort haben wir große Anbauflächen für genveränderten Mais, Soja und Baumwolle." In Kanada, so Steffi Ober, wehren sich immer mehr Bauern gegen die Gentechnik. "Dort haben wir mittlerweile überall Spuren von Genveränderungen, auch in anderen Pflanzen. Es gibt kaum noch reines Saatgut, keinen Ökolandbau mehr." Das Problem: Sowohl in den USA, als auch in Kanada gibt es keine Kennzeichnungspflicht für genveränderte Lebensmittel. "Die Verbraucher dort wissen überhaupt nicht, wenn sie einkaufen gehen: Ist in den Chips oder dem Popcorn Gentechnik drin oder nicht."

Ähnlich gehe es den hiesigen Verbrauchern: Veränderte Lebensmittel müssen nur dann deklariert werden, wenn der Gentechnikanteil den Grenzwert von 0,9 Prozent übersteigt. Liegt er darunter, verschweigen es die Hersteller lieber, aus Angst vor Boykotten. Wissenschaftler wie Bernd-Müller Röber bekommen den Protest hautnah zu spüren, immer wieder werden Versuchsfelder zerstört. "Unser Kartoffelfeld ist umzäunt, es gibt einen Wachdienst."

"Aus dem Labor frisch auf den Tisch - Pro und Contra 'Grüne Gentechnik'". Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr gemeinsam mit der Gentechnik-Kritikerin Steffi Ober und dem Genforscher Prof. Dr. Müller-Röber. Hörerinnen und Hörer könne sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254-2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet unter:
www.mpimp-golm.mpg.de und www.nabu.de