Aus dem Leben eines indischen Büglers
Gerade einmal fünf Euro am Tag verdient Om Prakash mit seinem Bügelstand. © Deutschlandradio / Silke Diettrich
Mit Senföl und glühender Kohle
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In Indien arbeiten viele Männer aus der Kaste der Dhobi als Bügler. An provisorischen Ständen am Straßenrand bügeln sie die Wäsche der besser Betuchten: mit schweren altmodischen Bügeleisen, die mit glühender Kohle befeuert werden. Ein Knochenjob.
Rauch steigt auf, wenn Om Prakash mit festem Griff sein Bügeleisen vom Stein hebt und über die Kleidung fahren lässt. Mal presst er hart, mal lässt er das Eisen sanft über die Stoffe gleiten. Dabei wiegt sein Bügelgerät ganze acht Kilo: Es ist aus Gusseisen, mit Holzgriff, innen glühende Kohlen. Gefährlich kann es auch werden. Om Prakash zeigt auf zahlreiche Narben an seinem Körper:
"Manchmal bricht der Griff ab, dann ist mir das ganze Eisen schon auf die Füße gefallen. Ich habe mir schon so oft die Hände verbrannt, die glühende Kohle ist mir auch schon auf den Bauch gefallen. Dieses heiße Eisen ist ein ständiges Risiko. Einmal ist mir auch schon ein Funke ins Auge gesprungen."
Mit elf Jahren bereits verheiratet
Vor mehr als 45 Jahren hat Om Prakash mit dem Bügeln angefangen, da war er gerade einmal elf Jahre alt – und zu dem Zeitpunkt sogar schon verheiratet. Kinderehen waren damals in Indien noch weit verbreitet.
Sein Schwiegervater hatte diesen kleinen Bügelstand in einer Seitenstraße im Süden von Neu-Delhi, den Om Prakash dann übernommen hat: eine kleine Backsteinmauer, auf der ein großes Holzbrett liegt. Überspannt mit mehreren Tüchern. Darüber ein grünes Plastikdach, das vor Regen oder Hitze schützen soll.
Jeden Tag im Jahr steht er hier und bügelt die Wäsche der betuchten Menschen aus der Nachbarschaft:
"Im Sommer leiden wir besonders, da kommen wir manchmal auf fast 50 Grad, dann trinke ich und trinke ich und esse nichts, aber arbeite immer weiter. Egal ob Sommer oder Winter, wir arbeiten durch, ob Regen oder Hagel, selbst wenn uns das Wasser bis an die Knöchel reicht."
Lesen und schreiben kann er nicht
Rund fünf Euro verdient Om Prakash für den harten Job, den er macht. Aber er hat nie etwas Anderes gelernt, als zu bügeln. Er kann weder lesen noch schreiben, bei offiziellen Papieren nutzt er seinen Daumenabdruck als Unterschrift. Dafür hat er sich eine Menge Tricks zugelegt, um die unterschiedlichen Stoffe mit dem kohleglühenden Bügeleisen nicht zu verbrennen:
"Ich verteile Wasser auf die Kleidung, sollte das nicht klappen, mache ich einfach so", sagt er, fährt sich mit der linken Hand durch die Haare und streift dann seine Finger über die Seidenbluse:
"Ich habe Senföl in meinem Haar, das hält dann die zu große Hitze von den Klamotten fern. Wenn mein Eisen dennoch zu heiß sein sollte, dann packe ich noch ein feuchtes, dünnes Tuch dazwischen, damit nichts anbrennt."
Bügler Prakash schaut kaum nach oben, wenn er erzählt. Er arbeitet die ganze Zeit dabei weiter, zu viele große Wäschebündel stehen vor ihm, die er heute noch alle glätten muss.
Es ist kein Zufall, dass Om Prakash Bügler geworden ist. Bis heute leben die Menschen in Indien in so genannten Kasten, die in der Regel verschiedenen Berufsgruppen zugeordnet sind. Om Prakash gehört zu der Kaste der Dhobi, genau wie seine Eltern, Großeltern, also alle seine Vorfahren. Dhobis sind Wäscher und Bügler. Fast immer heiraten die Menschen auch nur Partnerinnen und Partner aus derselben Kaste.
Seine Frau Santosh Prakash hat daher von Anfang an mit ihm zusammengearbeitet. Sie holt die Wäschebündel am Morgen in den Häusern ab, bügelt mit, wenn es zu viel zu tun gibt und bringt die glatte Kleidung am Abend wieder zu ihren Besitzerinnen und Besitzern. Die Miete in dieser Gegend könnte sich das Büglerpaar niemals leisten. Sie wohnen weit weg am Stadtrand, auf 20 Quadratmetern, zusammen mit ihren Kindern. Alle drei hätten einen Schulabschluss, sagt Santosh Prakash stolz:
"Ich wollte nicht, dass meine Kinder ein so hartes Leben führen müssen, wie wir es mussten. Es ist ein Knochenjob. Wir wollten alles dransetzen, dass sie niemals diesen Bügeljob übernehmen müssen."
Bei Feiern gibt es Tagespauschalen
Die Ausgangssperren wegen Corona in den letzten beiden Jahren haben die beiden hart getroffen. Wochenlang durften sie nicht zu ihrem Stand und konnten nicht arbeiten. Die reichen Menschen in ihrem Arbeitskiez hätten sie allerdings unterstützt, mit Geld und Lebensmitteln. Denn das Büglerpaar gehört einfach schon seit Jahrzehnten zur Nachbarschaft dazu.
Und jetzt, wo auch wieder Hochzeiten stattfinden, können die Prakashs auch ab und zu mehr Geld verdienen. Dort bekommen sie Tagespauschalen, die doppelt so hoch liegen wie ihr tägliches Einkommen. Es gehört in Indien nämlich zum guten Ton, dass Bügler auf den tagelangen Feierlichkeiten angestellt werden, um die schicken Saris und Anzüge der Gäste zum richtigen Zeitpunkt glatt und festlich parat zu haben.