„Chefumbetter“ Thomas Schock
"Da hilft nur so etwas wie Demut": Bestattung von gefallenen Soldaten in der Kriegsgräberstätte in Lietzen. © picture alliance/ dpa / Sören Stache
Knochen und Demut
33:31 Minuten
Als “Chefumbetter” des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge leitet Thomas Schock Ausgrabungen deutscher Kriegstoter und lässt diese auf Friedhöfen beisetzen. Hauptgegner dabei: Grabräuber, scharfe Munition, Bürokratie und manchmal auch der Denkmalschutz.
Zurzeit nutzen Thomas Schock und seine Kollegen vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Wintermonate, um an die 600 Tote zu bergen, die unter einem Campingplatz in Polen liegen. Nach vielen Jahren kam endlich die Genehmigung, sie auszugraben.
Jetzt können die Umbetter - wie man die Menschen nennt, die gefallene Soldaten oder Flüchtlinge in ordentliche Gräber verlegen - die Gebeine auf einem richtigen Friedhof beisetzen.
Informationen darüber, wo Gebeine zu finden sein könnten, liefern historische Aufzeichnungen über Marschrouten und Schlachtfelder - oder alte Dorfbewohnerinnen: “Die älteren Frauen sind das Gedächtnis. Männer waren oftmals weg im Krieg”, sagt Thomas Schock. Aber auch Grabräuber wechselten manchmal die Seiten und würden helfen.
Vor dem Graben kommt die Bürokratie
Wenn schließlich eine Leiche oder gar ein Massengrab gefunden wurde, folgt die Bürokratie:
“Dann beginnt ein Genehmigungsverfahren. Das läuft lange. Das sind die Genehmigung des Grundeigentümers, natürlich oftmals der Gemeinde, dann irgendeine staatliche Denkmalschutzbehörde. Und dann kommen unsere Leute und machen eine Sondierung. Und wenn das positiv ist, dann geht die eigentliche Exhumierung los", so Schock, der seit vielen Jahren als “Chefumbetter” mit Planung und Organisation der Grabungen zu tun hat.
Den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gibt es seit 102 Jahren. Im Auftrag der Bundesregierung werden Kriegstote im Ausland erfasst, geborgen und auf Friedhöfen beigesetzt.
Vom Heldengedenken zur Friedensarbeit
Schock kam als Jugendlicher durch Ferienlager der “Deutschen Waldjugend” zum ersten Mal in Kontakt mit dem Verein. Für ihn eine wichtige Erfahrung: In einem gemeinsamen Camp mit russischen Jugendlichen lernte er die andere Seite der Kriegsgeschichte kennen.
Jahre später ist er in seinem Job als Förster von der Kleingeistigkeit der deutschen Forstverwaltung frustriert, als er ein Stellenangebot des Volksbundes sieht. Er bewirbt sich und wird genommen.
Feriencamps, in denen Jugendliche Friedhöfe pflegen, Begegnungs- und Biografiearbeit gemacht wird, organisiert der Volksbund auch heute noch. Heldengedenken wir vor 100 Jahren gebe es dort nicht, sagt Schock, die völkerverbindende Friedensarbeit sei dem Volksbund wichtiger denn je: “Wir machen da klassische Bildungsarbeit.”
Die Bandbreite reiche vom Besuch in ehemaligen Konzentrationslagern bis zu deutschen Soldatenfriedhöfen, so Schock: ”Die gucken sich das alles an. Teilweise arbeiten sie, teilweise ist das nur eine pädagogische Geschichte, in Anführungsstrichen. Aber da entstehen Freundschaften fürs Leben.”
Vor der “Umbetter-Macke” bewahrt
Mit den Knochen der Toten kämen die Jugendlichen allerdings nicht in Berührung, das wäre dann doch zu heftig, meint Schock. Spurlos gehe die Arbeit mit Gebeinen, Toten und deren Geschichten auch an den Umbettern nicht vorüber.
“Da hilft nur so etwas wie Demut. Das Gespräch unter den Kollegen hilft uns.” Er selbst hatte das Glück, Frau und Kinder in der Nähe zu haben, zumindest während der 15 Jahre, die er in Lettland für den Volksbund tätig war. Das habe ihn möglicherweise vor der “Umbetter-Macke” bewahrt.
(mah)