Aus dem Mond gefallen
Vor mehr als 35 Jahren erschien Günter de Bruyns Jean-Paul-Biografie (1975) zum ersten Mal. Aus aktuellem Anlass, am 21. März jährt sich der Geburtstag des in Wunsiedel geborenen Poeten zum 250. Mal, ist das Buch nun in einer überarbeiteten Fassung neu aufgelegt worden.
Beim ersten Erscheinen von de Bruyns Biografie in der DDR – ein Jahr später wurde sie auch in der Bundesrepublik veröffentlicht – beanspruchte das mit "Das Freiheitsbäumchen" überschriebene Kapitel, das von der Zensur handelt, besondere Aufmerksamkeit. Darin nennt de Bruyn den Zensor einen Narren und als "lästig und hemmend" erscheint ihm die Zensur in jeder Gegenwart.
Der 1926 geborene Günter de Bruyn stellt mit Jean Paul einen Dichter vor, der zunächst daran glaubte, dass die menschlichen Verhältnisse veränderbar seien. Doch als sich diese Vorstellung als Illusion erwies, verabschiedete er sie in seinem Alterswerk. Solche Akzente treten in der überarbeiteten Fassung der Biographie stärker hervor. Jean Paul wird als ein poetischer Autor vorgestellt, der, auch wenn er in seinen Anschauungen seiner Zeit verhaftet blieb, kein unpolitischer Autor war. Auffällig sind sein Humor, seine moralische Aufrichtigkeit und die fantastisch anmutenden Einfälle des bekennenden Biertrinkers, dem das Bier ein Mittel war, das er gegen das Erlahmen seiner Fantasie einsetzte.
Johann Paul Friedrich Richter lernte die interessierte Öffentlichkeit mit dem Erscheinen seines ersten Romans "Die unsichtbare Loge" als Jean Paul kennen. Aufgewachsen war er in ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater, der zunächst dritter Lehrer war, bekam eine Pfarrstelle in Joditz, als Jean Paul zwei Jahre alt war. Was Armut bedeutet, wusste er, woraus sich seine Sympathie für Figuren wie das Schulmeisterlein Wutz aus der gleichnamigen Erzählung erklärt. Der Schulmeister trotzt den widrigen Zeitumständen, wenn er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lässt, glücklich sein zu wollen, obwohl die realen Verhältnisse dagegen sprechen.
Mit seinem zweiten Roman "Hesperus oder 45 Hundsposttage" gelingt Jean Paul der literarische Durchbruch. Noch als 27-Jähriger war er so mittellos, dass er es sich verbot, an Heirat zu denken. Doch nur wenige Jahre später reiste er als berühmter Schriftsteller das erste Mal nach Weimar. Dort freundete sich der Unangepasste mit Herder an, von Goethe wurde er zum Mittagessen eingeladen und Schiller staunte über einen Besucher, der ihm fremd erschien, "wie einer, der aus dem Mond gefallen ist".
Jean Paul, so ist aus de Bruyns glänzend geschriebener Biografie zu erfahren, war ein gern gesehener Gast bei den sogenannten "besseren" Gesellschaften, und besonders die Damen liebten seinen Witz und seinen Geist. Sie fanden die Empfindungsfähigkeit seiner Figuren in der Person des Autors wieder, der so leidenschaftlich über die Liebe zu schreiben wusste. Aber der Verführer ließ sich nicht vom höfischen Glanz verführen. Bei einem Hofkonzert in Weimar blieb er lieber auf den schlechten Plätzen der Galerie, obwohl er im Parkett hätte Platz nehmen können, wo die Edelleute saßen. Die Bedingung, einen Degen anzulegen lehnte er mit der Begründung ab: "Andere würden durch Degenabnehmen degradiert, ich würd’ es durchs Gegenteil."
Günter de Bruyn zeigt Jean Paul in seiner Größe und zugleich als kauzigen Alten, der ein Eichhörnchen in der Tasche trug und in seiner Wohnung Fliegen für Laubfrösche mästete. Elegant geschrieben, kann niemand an dieser verlässlich recherchierten Biografie vorbei, der sich für den Dichter Jean Paul interessiert.
Besprochen von Michael Opitz
Günter de Bruyn: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter. Eine Biographie
Überarbeitete und vermehrte Neufassung
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013
346 Seiten, 21,99 Euro
Der 1926 geborene Günter de Bruyn stellt mit Jean Paul einen Dichter vor, der zunächst daran glaubte, dass die menschlichen Verhältnisse veränderbar seien. Doch als sich diese Vorstellung als Illusion erwies, verabschiedete er sie in seinem Alterswerk. Solche Akzente treten in der überarbeiteten Fassung der Biographie stärker hervor. Jean Paul wird als ein poetischer Autor vorgestellt, der, auch wenn er in seinen Anschauungen seiner Zeit verhaftet blieb, kein unpolitischer Autor war. Auffällig sind sein Humor, seine moralische Aufrichtigkeit und die fantastisch anmutenden Einfälle des bekennenden Biertrinkers, dem das Bier ein Mittel war, das er gegen das Erlahmen seiner Fantasie einsetzte.
Johann Paul Friedrich Richter lernte die interessierte Öffentlichkeit mit dem Erscheinen seines ersten Romans "Die unsichtbare Loge" als Jean Paul kennen. Aufgewachsen war er in ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater, der zunächst dritter Lehrer war, bekam eine Pfarrstelle in Joditz, als Jean Paul zwei Jahre alt war. Was Armut bedeutet, wusste er, woraus sich seine Sympathie für Figuren wie das Schulmeisterlein Wutz aus der gleichnamigen Erzählung erklärt. Der Schulmeister trotzt den widrigen Zeitumständen, wenn er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lässt, glücklich sein zu wollen, obwohl die realen Verhältnisse dagegen sprechen.
Mit seinem zweiten Roman "Hesperus oder 45 Hundsposttage" gelingt Jean Paul der literarische Durchbruch. Noch als 27-Jähriger war er so mittellos, dass er es sich verbot, an Heirat zu denken. Doch nur wenige Jahre später reiste er als berühmter Schriftsteller das erste Mal nach Weimar. Dort freundete sich der Unangepasste mit Herder an, von Goethe wurde er zum Mittagessen eingeladen und Schiller staunte über einen Besucher, der ihm fremd erschien, "wie einer, der aus dem Mond gefallen ist".
Jean Paul, so ist aus de Bruyns glänzend geschriebener Biografie zu erfahren, war ein gern gesehener Gast bei den sogenannten "besseren" Gesellschaften, und besonders die Damen liebten seinen Witz und seinen Geist. Sie fanden die Empfindungsfähigkeit seiner Figuren in der Person des Autors wieder, der so leidenschaftlich über die Liebe zu schreiben wusste. Aber der Verführer ließ sich nicht vom höfischen Glanz verführen. Bei einem Hofkonzert in Weimar blieb er lieber auf den schlechten Plätzen der Galerie, obwohl er im Parkett hätte Platz nehmen können, wo die Edelleute saßen. Die Bedingung, einen Degen anzulegen lehnte er mit der Begründung ab: "Andere würden durch Degenabnehmen degradiert, ich würd’ es durchs Gegenteil."
Günter de Bruyn zeigt Jean Paul in seiner Größe und zugleich als kauzigen Alten, der ein Eichhörnchen in der Tasche trug und in seiner Wohnung Fliegen für Laubfrösche mästete. Elegant geschrieben, kann niemand an dieser verlässlich recherchierten Biografie vorbei, der sich für den Dichter Jean Paul interessiert.
Besprochen von Michael Opitz
Günter de Bruyn: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter. Eine Biographie
Überarbeitete und vermehrte Neufassung
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013
346 Seiten, 21,99 Euro