Aus den Feuilletons

"Atemlos" bringt Noel Gallagher in Rage

Der britische Musiker und Ex-Oasis-Mitglied Noel Gallagher.
Der britische Musiker und Ex-Oasis-Mitglied Noel Gallagher. © picture alliance / dpa - Steve C.Mitchell
Von Arno Orzessek |
Was wirft das auf ein Licht auf den deutschen Popgeschmack, wenn hier Helene Fischer als das große Ding gefeiert wird? Kein gutes, findet Noel Gallagher von der Band "Oasis", und der muss es schließlich wissen.
Mögen Sie Helene Fischer, liebe Hörer? Dann müssen Sie jetzt ganz tapfer sein. Denn die Tageszeitung DIE WELT hat Noel Gallagher, den früheren Songschreiber und Leadgitarristen der Brit-Pop-Band Oasis, während eines Interviews in offenbar böser Absicht Fischers Mitsing-Song "Atemlos" vorgespielt.
Gallagher platzte heraus:
"Das ist furchtbar! Gott, können wir das bitte ausmachen? Das ist genau die Popmusik, von der ich spreche. Sie bedroht heute die ganze Welt. Das ist Musik, die absolut nichts mehr bedeutet. Oder noch schlimmer: Das hier ist nicht einmal Musik. Das soll in Deutschland das große Ding sein? Unfassbar! Aber man muss auch immer genau nachschauen, wer solche Songs schreibt. Das war garantiert nicht diese Helene Fischer. Das waren ein paar Typen in meinem Alter, die zu fett sind, um Rockstars zu sein, eine Glatze haben und Scheißsongs schreiben."
So wütet Noel Gallagher in der WELT.
Zwei Veteranen des intellektuellen Pop
Körperlich gut in Schuss sind indessen Sting und Paul Simon – jedenfalls, soweit man das auf dem Foto in der BERLINER ZEITUNG erkennen kann.
Unter dem wenig prickelnden Titel "Man kam mit dem Klatschen kaum hinterher" bespricht Markus Schneider das gemeinsame Berliner Konzert der beiden älteren Herren.
"Über eine besonders gute Stimme verfügt er mit seinem eher dünnen Tenor ja nicht, daher betont Sting die Emotionen der Titel durch rauen Bluesausdruck mit geschlossenen Augen oder mit signalhaften Bob-Marley-iii-oos."
An dieser Stelle unterbrechen wir Markus Schneider und betonen: Ja, da steht wirklich "Bob-Marley-iii-oos" mit dreimal i und zweimal o ...
Allein, selbst rasch zu Rate gezogene Kollegen vom Musikfach wissen nicht, was diese "iii-oos" von Bob Marley sein sollen, oder auch nur, wie sie korrekt auszusprechen wären.
Aber sei's drum. So oder so findet Markus Schneider mehr als an Sting an Paul Simon Gefallen, und zwar "weil dessen Stücke von Natur aus komplexer gedacht sind und mühelos wie zeitlose Jazz-Standards klingen können."
Apropos Jazz: "Nicht nur die Band, auch das Publikum ist wie vom Jazz ausgeliehen", betont Thomas Lindemann als Besucher desselben Konzerts in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Ü40, gut gekleidet und brav. Erst als der Police-Hit 'Message in a Bottle' kommt, springen etliche auf, laufen nach vorn, Sting grinst breit. Doch die Ordner der Berliner O2-World weisen die Aufmüpfigen rüde zurecht, hier bleibt gefälligst jeder am Platz."
Lindemanns trübes Fazit:
"So spielen zwei Helden des Rockpop gegen das Vergessen an, gegen das Alter, in den größeren Momenten gegen den Weltschmerz. Sie scheitern natürlich. Wir gehen ernüchtert aus der Halle, es hätte doch ein großer Popmoment werden sollen."
Der große israelische Humanist
Bleiben wir bei älteren Herren, kommen wir zu Amos Oz. "Ich liebe Jesus für seine Anarchie", bekennt der israelische Schriftsteller in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, weshalb aber niemand befürchten muss, Oz sei auf seine alten Tage religiös geworden.
"Ich bin ein säkularer Mensch. Wahrscheinlich deshalb, weil ich ein Skeptiker bin. Ich halte mich an den Humanismus. Wir Menschen sollten einander keinen Schmerz zufügen, denn es gibt schon genug Schmerz in der Welt. Das ist, wenn Sie so wollen, meine Religion."
Da für Oz Schriftsteller "Rauchmelder" der Sprache sind, knöpft er sich im NZZ-Interview die bei uns verbreitete Phrase von den "Verbrechen, die im Namen des deutschen Volkes verübt wurden" vor.
"Es ist nicht so, als ob eine Gruppe Neuseeländer sich plötzlich des Cockpits des deutschen Volkes bemächtigt und Verbrechen 'im Namen des deutschen Volkes' begangen hätte. So war es nicht", mahnt Amos Oz in der NZZ.
Ein Herz für Schafe
Kommen wir am Ende vom Menschen aufs Tier. "Shaun – das Schaf" heißt der Film, mit dem - laut SÜDDEUTSCHER ZEITUNG – die "britischen Knet-Animations-Zoologen von den Aardman Studios ihr Meisterstück" liefern. SZ-Autor Tobias Kniebe freut sich:
"Nicht Dummheit, sondern Intelligenz, nicht Charakterlosigkeit, sondern Lernfähigkeit und genuinen Entdeckergeist werden wir in Zukunft mit diesen Tieren verbinden."
Falls Sie übrigens die Feuilletons immer nur überfliegen, liebe Hörer, möchten wir Sie mit einer NZZ-Überschrift ermahnen. Sie lautet:
"Lesen, nicht scannen."
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