Auslöschung einer antikolonialen Tradition
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In der "FAZ" attackiert Horst Bredekamp den "totalitären Zugriff" des Postkolonialismus auf Sprache und Geschichte. Viele Exponate des Berliner Humboldt-Forums, sagt dessen Gründungsintendant, seien im Geist des Antikolonialismus gesammelt worden.
"Warum der identitäre Wahn unsere größte Bedrohung ist", erklärt der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, einer der Gründungsintendanten des Berliner Humboldt-Forums, in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Das Humboldt-Forum werde nur noch als "Trutzburg von Raubkunst" wahrgenommen, klagt Bredekamp und greift diejenigen an, die diesen Ruf zu verantworten haben:
"Es gibt keine Alternative zu Antirassismus und Antikolonialismus. Von Beginn an war jedoch zu erkennen, dass der harte Kern des sogenannten Postkolonialismus zwar eine linke Rhetorik verwendet, aber von Prinzipien und Zielen getrieben wird, die der Bestimmung dessen, was als 'linke' Politik gelten kann, diametral entgegenstehen. Die Floskeln der Selbstbestimmung waren und sind die Zwangsmittel eines totalitären Zugriffs auf Sprache, Geschichte und Zukunft. Von besonderer Perversion ist die Auslöschung einer antikolonialen Tradition, in die sich das Humboldt-Forum zu stellen gewillt war und ist."
Der Geist des Völkerkundemuseums
Laut Bredekamp sind die Bestände des Völkerkundemuseums, die ins Humboldt-Forum übergehen, einst bewusst im Geist des Antikolonialismus gesammelt worden: "Was die Moderne zugrunde richtete, sollte mikrokosmisch bewahrt werden. Hierin eine Befürwortung des Unrechts zu sehen, hat eine verquere Logik, die den damaligen Auseinandersetzungen Hohn spricht."
Bredekamps Unmut reicht bis in die letzte Zeile:
"Die AfD und Schlimmeres sind eine ständige Herausforderung, die aber zu bewältigen sein dürfte. Die Überwindung des identitären Angriffs auf die Vernunft dürfte schwerer zu erbringen sein, weil sie sich hinter dem Ethos einer linken Befreiungsrhetorik verpanzert hat. Wolfgang Thierse hat jüngst die Courage aufgebracht, deutlich zu machen, dass die politische Korrektheit das Ende der Sozialdemokratie bedeutet. Sie sollte ihm ein Denkmal setzen."
Sie ahnen es: Dass wir Horst Bredekamp so viel Platz einräumen, liegt daran, dass wir sein Anliegen teilen. Aber wichtiger ist natürlich, was Monika Grütters zum Komplex "Humboldt-Forum und Raubkunst" zu sagen hat. Und da trifft es sich gut, dass die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in einem Interview von der Kulturstaatsministerin wissen will: Kann man die berühmten Benin-Bronzen, die einst den Königspalast von Benin schmückten und 1897 von den Briten geraubt wurden, überhaupt noch zeigen?
"Vielleicht muss man die Bronzen gerade deshalb zeigen, um diese schwierigen Fragen zu veranschaulichen", so Grütters. "Das geht natürlich nur, wenn man den Erwerbskontext thematisiert. Mich stört, dass das Humboldt-Forum reduziert wird auf Kolonialismus respektive die Benin-Bronzen. Aber ich verhehle nicht, dass sie zum Prüfstein des Ganzen werden."
Projekt "Triff einen Antisemiten"
Einer kniffligen Frage stellt sich auch die Tageszeitung DIE WELT: "Was ist die Aufgabe von Juden in Deutschland?" Von der Frage persönlich betroffen erzählt Henryk M. Broder, er habe früher eine Firma gründen wollen, "die 'Rent a Jew' heißen und Juden 'vermieten' sollte. Und zwar an Panels und Konferenzen, Schulen und Akademien, aber auch zu Geburtstagen, Abiturfeiern, Junggesellenpartys und Firmenfesten. Überlebende des Holocaust, Angehörige der 'zweiten Generation', schwule Juden, Hetero-Juden, kluge Juden, dumme Juden. Juden für alle Gelegenheiten und jeden Bedarf, Juden zum Anfassen, Jüdinnen ebenfalls."
Tja, aus "Rent a Jew" wurde nichts. Aber nun stellt Broder fest: Bundespräsident Steinmeier hat die Schirmherrschaft über das Projekt "Meet a Jew" übernommen, das vom Zentralrat der Juden in Deutschland initiiert wird. Broder findet's ergänzungsbedürftig:
"Ich glaube daran, dass es die wichtigste Aufgabe der Juden ist, Antisemiten von ihrem Wahn zu kurieren. Das war schon immer der Kern der deutschjüdischen Symbiose. Wenn die Juden gelernt haben, dass Antisemiten auch nur Menschen sind, die unter Liebesentzug leiden, und die Antisemiten begreifen, dass nicht alle Juden intelligent sind, könnte sich deren Verhältnis zueinander entspannen. Deswegen muss das Projekt 'Meet a Jew' um ein weiteres ergänzt werden: 'Meet an Antisemite'."
Soweit für heute. Übrigens: Finden Sie mal wieder alles arg kompliziert? Nun denn, die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hat da einen wirklich genialen Tipp. Sie titelt: "Mach's leichter, wenn es zu schwierig wird."