Außer Kontrolle
Die Feuilletons beschäftigen sich mit den Verschwörungen hinter den Verschwörungen und mit der US-amerikanischen Angst vor dem unberechenbaren Regierungsstil Donald Trumps, der nicht nur Stoff für Horrorfilmproduktionen ist.
Nichts ist, wie es zu sein scheint. Kann man jedenfalls glauben, wenn man die Feuilletons vom Donnerstag liest. "Horrorfilme haben seit einiger Zeit wieder Konjunktur. Und das, obwohl die Gegenwart eigentlich unheimlich genug ist. Oder gerade deswegen?", fragt Tim Caspar Boehme in der TAZ. Anhand von zwei neuen US-amerikanischen Horrorfilmen versucht er die Frage zu beantworten. In "The Endless" geht es um eine "Ufo-Todeskult"-Sekte.
Das Unheimliche bleibt stets unsichtbar
"Nachts erscheint der Mond verdoppelt, tagsüber fallen vom Himmel schon mal aus dem Nichts Fotos, die wie Schnappschüsse des unmittelbaren Geschehens auf der Erde wirken. Das eigentlich Unheimliche bleibt dabei stets unsichtbar und auf Abstand", schreibt Boehme und versucht, etwas gewollt vielleicht, den realen Kern zu erkennen:
"Die absurde Geschichte von 'The Endless' passt zu einer ganz konkreten US-amerikanischen Angst vor dem Unbekannten: dem unberechenbaren, in dieser Form bisher nicht dagewesenen Regierungsstil von Donald Trump. Zudem ist der Film, wenn man so möchte, ein indirekter Versuch, dem von der Trump-Regierung lancierten Wort der 'alternativen Fakten' einen nicht demagogischen Sinn zu verleihen. Merke aber: Alternative Fakten zu schaffen, liegt nicht in der Hand der Menschen."
Trump: Stein der Weisen inmitten einer Fakelandschaft
Man hat fast schon Mitleid mit Trump, dass er nun auch noch mit Horrorfilmen verglichen wird. Dabei gibt es doch viel offensichtlichere Analogien:
"So wie Trump bei Twitter als RealDonaldTrump auftritt, also als der Stein der Weisen inmitten einer Fakelandschaft, nennt sich Jones ebenso RealAlexJones", schreibt Lukas Hermsmeier in der WELT über den Verschwörungstheoretiker und paraphrasiert einige seiner Theorien: "Die US-Regierung war an den Terroranschlägen am 11. September beteiligt, der Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule, bei dem 28 Menschen starben, war nur inszeniert, Hillary Clinton ist eine Pädophile, Impfungen führen zu Autismus und so weiter."
Ist das Zensur?
Alex Jones sei außerdem ein Demagoge, der unter anderem gegen Muslime, Juden, Transgenderpersonen, Schwarze, Linke und Feministinnen hetze. Das kann er nur noch auf Twitter tun. Facebook, Youtube und andere Plattformen haben Jones gesperrt. Ist das Zensur, fragt Hermsmeier und zitiert, was der Journalist Barry Lynn dem Online Portal "Slate" gesagt hat:
"Je weniger man von Alex Jones mitkriegt, desto besser, glaube ich. Aber gleichzeitig macht es mir Sorge, wie solche Entscheidungen getroffen werden". Jede Zensur könne letztlich auch mal unsere Freunde treffen. Also doch lieber Verschwörungstheoretiker hetzen lassen?, fragt man sich als Leser der WELT, sehnt sich nach aufklärerischer Vernunft und vernünftiger Klarheit und flüchtet sich ins Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wo einen dann gleich folgende Überschrift anspringt: "Die Verschwörung hinter der Verschwörung hinter der Verschwörung".
"QAnon"-Bewegung: links oder recht?
"Immer wenn man in diesen Zeilen denkt, die maximale Dehnbarkeit der Vorstellungskraft sei erreicht, stellt man fest, nein, es geht noch seltsamer", schreibt Jörg Häntzschel. "Eben erst hatte man mit Mühe gelernt, dass sich zehntausende Trump-Anhänger zu der radikalen QAnon-Bewegung zusammengeschlossen haben." (Die, so Häntzschel, tragen T-Shirts mit dem Buchstaben "Q", verbreiten Verschwörungstheorien und wirken auf andere potenziell gewalttätig.)
"Und nun liest man, dass es in Wahrheit ein linksradikales Autorenkollektiv aus Bologna war, das die 'QAnon'-Bewegung gestartet haben soll – und zwar um die irrlichternden Trump-Fanatiker vorzuführen." Dieses Autorenkollektiv, das den Roman "Q" veröffentlicht hat und für viele Scherzaktionen berühmt ist, bestreitet allerdings, hinter der Bewegung zu stehen, hält es aber für möglich, dass andere linke Aktivisten dafür verantwortlich sind: "Wenn dem wirklich so sei, dann sei der Spaß allerdings längst außer Kontrolle geraten."