"Bert Neumann war ein großartiger Künstler"
Die Feuilletons nehmen Abschied vom verstorbenen Bühnenbildner Bert Neumann. Dass Chris Dercon ab 2017 die Berliner Volksbühne übernimmt, kommentierte er laut "Süddeutscher Zeitung" zuletzt mit den Worten: Bevor er mit Dercon arbeite, eröffne er lieber ein Tattoo-Studio.
"Das hat so schön gekracht", erinnert sich Katrin Bettina Müller in der TAZ.
"Wenn wieder einer der weißen Billig-Stapel-Gartenstühle vorhersehbar zusammenbrach, weil sich einer der Volksbühnen-Schauspieler nicht nur mit dem Gewicht seines ganzen Körpers, sondern auch mit der Last des ganzen Leidens, das er nach Dostojewski und Frank Castorf grade über die Bühnen schleppte, hineinfallen ließ."
"Wenn wieder einer der weißen Billig-Stapel-Gartenstühle vorhersehbar zusammenbrach, weil sich einer der Volksbühnen-Schauspieler nicht nur mit dem Gewicht seines ganzen Körpers, sondern auch mit der Last des ganzen Leidens, das er nach Dostojewski und Frank Castorf grade über die Bühnen schleppte, hineinfallen ließ."
Richtig süchtig habe man damals, Ende der 90er-Jahre, nach diesen Slapstick-Einlagen inmitten der Tragik werden können. Und ermöglicht habe dies und vieles andere der Bühnenbildner Bert Neumann. Der ist nun völlig überraschend im Alter von 54 Jahren gestorben. Und alle Feuilletons gedenken seiner.
"Das Castorf-Theater wäre ohne ihn ein anderes",
heißt es in der WELT. Und in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Er war ein grossartiger Künstler".
Und zwar "ein autonomer Künstler", präzisiert Peter Laudenbach in seinem Nachruf für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:
"Castorf oder Pollesch bekamen Neumanns Bühnenbildentwürfe erst zu Probenbeginn zu sehen – dann mussten sie damit zurechtkommen. Offenbar ist genau das ihren Arbeiten sehr gut bekommen."
Neumann habe gerne "höhnisch" "mit Ready Mades" gearbeitet:
"Er hat den Designverhältnissen der Warengesellschaft ihre eigenen Benutzeroberflächen und Schauwerte vorgespielt, um sie so leer und absurd vorzuführen, wie sie sind."
Zum Schluss erzählt Laudenbach in der SZ, wie der Bühnenbildner Neumann auf die Nachricht reagierte, dass der Museumsmann Chris Dercon 2017 die Volksbühne als Nachfolger von Frank Castorf übernehmen werde:
"Lieber als mit Dercon […] zu arbeiten, wolle er ´ein Tattoo-Studio` eröffnen, gab er in einem Interview zu Protokoll."
Peter Laudenbachs Kommentar: "Das war nicht ironisch gemeint."
Ein Operfan beim Heavy-Metal-Festival
Manuel Brug hatte noch Frank Castorfs aktuelle "Ring"-Inszenierung im Ohr, als er sich von Bayreuth auf in Richtung Wacken machte, zum größten Heavy-Metal-Festival überhaupt. Brug ist Musikkritiker der WELT. Allerdings im Bereich Klassik. Heavy Metal ist so gar nicht seins. Diese Unwissenheit ist Programm in der WELT-Serie "Die Urlaubsvertretung". Viele Mitarbeiter seien in den Urlaub verschwunden, heißt es zur Serie. Da müsse man auch im Dienstplan improvisieren. Also auch mal den Opernexperten zum Heavy-Metal-Festival schicken.
"Tagsüber gab es schon besorgte Anrufe", schreibt Brug. "Ob ich denn auch gut vorbereitet sei? Ja, Ohrstöpsel statt Sitzkissen habe ich."
Dann kauft er noch Gummistiefel: "Und da ist er endlich, statt roter Teppich echter, fetter, dicker, knatschiger Matsch! Man versinkt mindestens zwanzig Zentimeter, das Gehen ist ab jetzt Muskelarbeit", schreibt Brug weiter. "Irgendwie sieht dieser torfige Brei aus wie Mousse au Chocolat."
Nibelungen-Festspiele in Worms
Hubert Spiegel von der FAZ sah auch auf den Boden. Er wollte nämlich in Worms überprüfen, ob sich die Besucher der Nibelungen-Festspiele auch an die erbetene festliche Garderobe hielten:
"Man sieht reichlich Smoking, Roben und Abendkleidchen, aber auch nackte Herrenfüße in Freizeitsandalen. Worms ist nicht Salzburg."
Erklärt Spiegel, um dann Thomas Ostermeiers Stück "Gemetzel" zu verreißen. Während Kritiker-Kollegin Christine Dössel von der SZ das angekündigte Gemetzel vermisste, ist Hubert Spiegel entsetzt von der Idee, eine "Tanzcompanie" die im Stück erzählte Geschichte auch noch darstellen zu lassen. In den Worten des FAZ-Kritikers:
"Das ist nun mit Abstand das Schrecklichste an diesem gründlich missratenen Abend: schlimmer noch als die albernen Kostüme, als die nervtötende Musik, als der lächerliche Aufzug von Gunter und seinen Brüdern, schlimmer als das Brillengestell, das Heiko Pinkowski als Dietrich von Bern tragen muss und sogar schlimmer noch als die wahrlich dumme Idee, Brünhild als Dschihad-Kämpferin auftreten zu lassen."