Blick auf die Missstände im Journalismus
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Der YouTuber Rezo hat mit seinem neuen Video wieder ein Millionenpublikum erreicht. Dabei wolle er die Presse nicht zerstören, sondern Missstände des Journalismus aufdecken, berichtet die "SZ". Seine Analyse habe Hand und Fuß, lobt die "TAZ".
"Ein Land auf den Knien", titelt die Tageszeitung DIE WELT und übertreibt damit natürlich. Denn auch nach der Ermordung von George Floyd durch einen amerikanischen Polizisten vor laufender Handykamera befinden sich nicht die gesamten USA vor Demut auf den Knien. Aber auch nicht nur die schwarzen Demonstranten. Und so schreibt Markus Woeller:
"Wenn weltweit Demonstranten nun auf die Knie gehen, dann ist das seit dem 25. Mai 2020 nicht mehr nur eine defensive Körperhaltung in liturgischer Tradition mit friedenspolitischer Symbolik. Es ist eine kraftvolle Geste, die Demut gegenüber den Opfern demonstriert, aber gleichzeitig als Zeichen dafür zu verstehen ist, dass die Geduld mit den Tätern am Ende ist."
Doppeldeutiger Kniefall
Die Symbolik ist aber doppeldeutig: "Denn der Polizist Derek Chauvin hat seine Knie sozusagen vor den Augen aller Öffentlichkeit als Waffe eingesetzt", so Woeller.
Aber auch Andreas Busche vom Berliner TAGESSPIEGEL sieht im Kniefall Gutes: "Wenn sich aber in ganz Amerika nun Polizisten den Kniefall, der sich gegen ein strukturelles Problem innerhalb des Polizeiapparats richtet, aneignen, ist das eine nicht zu unterschätzenden Geste. Sie sagt, ich sehe euch und euren Schmerz."
Malte Göbel von der TAZ geht diese Form der Verbrüderung allerdings schon wieder zu weit: "Wenn sich genau die Leute äußern, die jahrelang den Mund nicht aufbekommen haben, wenn es um Alltagsrassismus ging. Wenn die Polizisten sich medienträchtig hinknien, um danach trotzdem Pfefferspray gegen Demonstrierende zu sprühen."
Und dann benennt der TAZ-Autor ein Problem, das vermutlich auf viele seiner Kollegen zutrifft: "Es ist ein Dilemma dieses Textes, denn diese Zeilen wurden von einem Weißen geschrieben, und der Text dreht sich um Reaktionen von Weißen. Aber genau das ist der Punkt: Weiße müssen sich auch mal an die eigene Nase fassen und reflektieren: Was geht da eigentlich gerade ab", fragt Malte Goebel.
Rezo über Missstände des Journalismus
Der YouTuber Rezo, der mit seinem Video "Die Zerstörung der CDU" viel Aufmerksamkeit erregte, hat wieder die Kamera angeschaltet. Das Video "Die Zerstörung der Presse" hat nach zwei Tagen bereits mehr als 1.700.000 Aufrufe. Das sind natürlich Klickzahlen von den seriösen Zeitungen nur träumen können, trotzdem wollen sie ihrer sogenannten Zerstörung durch den blauhaarigen Rezo nicht unwidersprochen zusehen.
Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat sich Aurelie von Blazekovic reingeklickt und stellt gleich mal fest: "Das Video, hält sein Titel-Versprechen nicht. Rezo räumt damit noch in der Exposition auf: Er will gar nicht die Presse zerstören, er will eigentlich nur Missstände aufdecken."
Die WELT hat Rezo sogar den Feuilletonaufmacher gewidmet. "Natürlich passieren in den 'seriösen Medien' Fehler, natürlich geschieht im hergebrachten Journalismus Ärgerliches", gibt Hannah Lühmann zu, um dann listig festzustellen:
"Die klassische Zeitung, gegen die Rezo zu Felde zieht, hat immer noch den Vorteil, dass sich dort die zweifellos überall vorkommende Dummheit auf mehrere Köpfe verteilt, die sich gegenseitig korrigieren. Wer korrigiert Rezo?"
Diese Frage stellt sich Steffen Grimberg in der TAZ nicht. Er gibt dafür dem jungen Kollegen im fremden Medium einen Schulterklopfer: "Wie immer hat seine 'Zerstörungs'- Analyse Hand und Fuß", lobt Grimberg und weiter:
"Sie zerstört auch nicht. Sondern weist berechtigterweise auf einen Haufen Schwachpunkte bei vielen Medien hin – von fehlender Transparenz bis zur mangelhaften Fehlerkultur. Trotzdem schmeißt auch Rezos Video selbst zu viel in einen Topf. Was vielleicht daran liegt, dass wir alle dazu neigen, unsere Kundschaft zu unterschätzen."
Aus dem Leben
In der Hoffnung, mit dieser Kulturpresseschau niemanden unterschätzt und auch nicht zu viel in einen Topf geworfen zu haben, verabschieden wir uns mit einem extra dafür aus dem Zusammenhang gerissenen Satz aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Wer lebt, der hört – muss mithören und zuhören –, es lässt sich offensichtlich nicht vermeiden."
"Wer lebt, der hört – muss mithören und zuhören –, es lässt sich offensichtlich nicht vermeiden."