Botticelli Superstar
Die große Ausstellung in Berlin mit Werken von Botticelli und den von ihm beeinflussten Künstlern begeistert die meisten Feuilletonisten. Einzig Andreas Kilb in der "FAZ" sehnt sich nach den Originalen in den Uffizien.
Umberto Eco wird vom Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT Giovanni di Lorenzo zu seinem neuen Roman "Nullnummer" interviewt. Im Mittelpunkt steht der italienische Journalismus und das erklärt Eco so:
"Seit über 30 Jahren verfasse ich Artikel und Essays über die Laster des Journalismus. Es hat also möglicherweise mit Faulheit zu tun, dass ich mich in meinem letzten Roman diesem vertrauten Thema widme."
Hellwach fragt di Lorenzo nach:
"Ist das Ihr Ernst: Nullnummer ist Ihr letzter Roman?"
Und der 83-Jährige antwortet ganz prosaisch:
"Aber ja, jetzt reicht’s."
Wer so locker sein literarisches Ende ankündigt, dem glaubt man natürlich auch, warum der Roman ausgerechnet 1992 spielt. Eco dazu in der ZEIT:
"Nicht zuletzt aus dem pragmatischen Grund, dass ich mich mit den damaligen Autos besser auskenne, was mir bei der Beschreibung meines paranoiden Protagonisten, der nicht weiß, für welches Auto er sich entscheiden soll, sehr hilfreich war. Wenn ich mir einen neuen Wagen anschaffen muss, bin ich genauso, ich zermartere mir das Hirn mit tausend Fragen: Ist er groß genug, ist er schmal genug, komme ich gut rein und raus?"
Eine Feier der Kunst
Ecos Landsmann Sandro Botticelli wird in der Berliner Gemäldegalerie eine große Ausstellung gewidmet und Hanno Rauterberg von der ZEIT ist begeistert:
"Ihr soll gelingen, was solch großkalibrigen Museumsschauen sonst nie gelingt: die Schönheit der Kunst zu feiern und zugleich den Mythos zu entlarven. Sie mehrt den Glanz und auch die Zweifel, spricht von Stolz und Liebe und auch von der eigenen Ratlosigkeit. Diese Ausstellung ist ein Wagnis, sie bricht mit dem Erwarteten."
Rauterberg erfreut sich etwa daran, dass man sich erst einmal heutige Kopien von Botticelli ansehen muss. Modeaufnahmen von Dolce und Gabbana oder Fotos von Lady Gaga, die sich eigennützig an Motive des Meisters anlehnen.
Aber auch spätere Kollegen des 1445 in Florenz geborenen Botticellis haben sich an seinen Motiven versucht. Viele von ihnen werden nun auch in Berlin gezeigt, wie Lothar Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNGberichtet:
"Andy Warhol trägt mit flächigen Venus-Köpfen in Pop-Farben und durch ein frühes Beispiel digitaler Kunst zum Siegeszug der wehenden Haare bei. René Magritte appliziert einem seiner schwarzen Herren mit Melone die Flora der 'Primavera' auf den Rücken, Dalí lässt sich nicht lumpen und setzt der Venus einen Fischkopf auf und Alain Jacquet kontert den Surrealismus mit schlichtem Pop und verwandelt die Venus in eine Zapfsäule – richtig geraten, wegen Shell und der Shell-Muschel."
Nicht ganz so zufrieden mit der Berliner Ausstellung zeigt sich Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Fürs Erste aber gibt die Ausstellung selbst vor, was als botticelliesk gelten darf und was nicht. Arnold Böcklins aus einer Wassersäule steigende Bierzelt-Nackerte von 1869 hat in der Tat mit der Göttin aus den Uffizien zu tun, so wie auch ein saurer Krätzer zur gleichen Gattung 'Wein' gehört wie ein Barolo. Den einen jedoch trinkt man, und mit dem anderen entkalkt man seinen Wassertopf. Die Berliner Ausstellung will die Ikonen des Botticellikults durch Verfremdung und Vervielfältigung dekonstruieren, aber je länger man durch ihre Wandelhalle wandelt, desto schmerzlicher sehnt man sich nach Florenz, wo die Originale zu den Kopien hängen."
Der Ost-West-Konflikt als Agenten-Serie
In der TAZ wird eine tolle neue Fernsehserie für den November angekündigt, die "Deutschland 1983" heißt. Ein junger Ostdeutscher wird in den Westen geschickt um die Bundeswehr auszuspionieren. Meike Laaf hält die Serie für bemerkenswert:
"Weil hier so viel auf einmal stimmt: Schauspieler, akribische Ausstattung und ein Erzähltempo, das wirklich Spannung erzeugt. Eine rundum wertige Serie – produziert ausgerechnet von RTL. Einem Sender, der bei Eigenproduktionen sonst Spannung mit Explosionen auf der Autobahn verwechselt."
Unbesehen schließen wir uns hier der TAZ-Autorin an und zwar mit ihren eigenen Worten:
"Na bitte. Es geht doch."