Aus den Feuilletons

Buchlieferungen zum Metzger

04:09 Minuten
Im Schaufenster eines Buchladens in Bad Wörishofen steht ein Schild mit der Aufschrift: "Gerüstet für die Quarantäne? bei uns gibt's noch Lesestoff" - Halt die Ohren steif, es kommen wieder bessere Tage.
Ein Buchhändler in Bad Wörishofen wirbt dafür, den Schrecken der Quarantäne mit Lesestoff zu entschärfen. © MIS / imago-images
Von Burkhard Müller-Ullrich |
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Der Buchmarkt in Deutschland erweist sich angesichts des Lockdowns und der sich bietenden Chance für Amazon als unerwartet resilient und einfallsreich, schreibt die "SZ": Er funktioniere nun so, "wie viele ihn sich lange erträumt haben".
"Als am Anfang der Coronapandemie nahezu im ganzen Land die Buchhandlungen schlossen, schien die Gelegenheit für Amazon gekommen, die ganze Branche auszutrocknen", erzählt Felix Stephan in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
Doch die Erzählung geht anders als erwartet weiter. Eigentlich geht es gar nicht um Amazon, sondern um eine Branche, die sich in der Not neu aufstellt und zusammen mit dem SZ-Autor staunend entdeckt, dass gute Produkte und guter Service tatsächlich gute Kundenbeziehungen schaffen.

Erstaunlich resilient, der Buchhandel

"In der Krise erleben sich die deutschen Verlage und Buchhandlungen zum ersten Mal seit langer Zeit als resilient und belastbar", heißt es da. "Verlage organisieren Kampagnen, in denen sie auf die Orte hinweisen, an denen auch jetzt Bücher verkauft werden. Unabhängige Buchhändler nehmen Bestellungen an und tragen sie zur Abholung zum nächsten Geschäft, das noch öffnen darf, zu Metzgern und Apotheken. Reihenweise fahren Buchhändler mit Fahrrädern und Kastenwagen ihre Bücher selbst zu den Kunden."
Mit einem Wort: "Der deutsche Buchmarkt funktioniert dieser Tage so, wie viele ihn sich lange erträumt haben."
Nun wollen wir nicht nörgeln und fragen, woran es denn lag, dass das bisher nicht so war, denn die Probleme sind wahrhaftig groß genug. Die Frühjahrssaison ist praktisch ausgefallen; die Verlage haben Umsatzeinbußen von 80 Prozent, viele Firmen stehen vor dem Abgrund, von den Autoren ganz zu schweigen.
Amazon, um darauf zurückzukommen, hat Bücher in letzter Zeit gar nicht mehr in die Lager aufgenommen, um in den eigenen Hallen Platz für vermeintlich wichtigere Güter zu schaffen: Atemschutzmasken und Lebensmittel. Und wenn der Notstand vorbei ist, werden die alten Kampfpositionen wieder zutage treten: Schließlich hat Amazon nicht nur den Handel auf den Kopf gestellt, sondern dringt mehr und mehr auch in die Literaturproduktion vor.

Angst und Elend dominieren

Der wirtschaftlichen Lage des gesamten Kulturbetriebs widmet die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gleich zwei Artikel - im einen geht es um Deutschland, im anderen um Frankreich. Die Bilder ähneln sich natürlich; es dominieren Angst und Elend. Musiker leben heute von Konzerten, nicht vom Tonträgerverkauf, und die Konzerte finden einfach nicht statt. Festivals sind gestrichen, und einer sagt:
"Ich weiß gerade nicht, ob manche Veranstaltungsorte im nächsten Herbst überhaupt noch da sein werden."
Aus Paris berichtet Marc Zitzmann in der FAZ, dass die Comédie Française einen Internetsender lanciert hat, "der täglich von 16 bis 23 Uhr 'frische' Inhalte ausstrahlt. So entstammt die gefilmte Theateraufführung um 20.30 Uhr den eigentlich nur für den internen Gebrauch bestimmten hauseigenen Archiven, und so wurden die zu fester Zeit einander ablösenden Gedichtvorträge, Begegnungen mit Truppenmitgliedern, Lesestunden für Kinder und Schulprogramme für den Hausunterricht eigens für 'La Comédie continue' produziert."

Berlin ohne Verkehr - von oben betrachtet

Vom Leiter der Opéra Comique ist auch Inhaltliches zu vernehmen, das man je nach Kunstauffassung auch bedrohlich oder deprimierend finden kann. Der Mann sagt nämlich laut FAZ:
"Theater und Oper werden ihren Elfenbeinturm verlassen und das soziale und ökologische Feld beackern."
Apropos Turm: Das Feuilleton der WELT hat Boris Pofalla losgeschickt, um Berlin von oben anzuschauen. Das Berlin ohne Verkehr. Das Corona-Berlin. Und welcher Aussichtspunkt wäre besser geeignet als der 224 Meter hohe Fernsehturm, der jetzt natürlich geschlossen ist und sonst an jedem Tag von dreieinhalbtausend Menschen besucht wird.
Die Außenhaut der Kugel, erfahren wir, muss man nur alle zehn bis fünfzehn Jahre reinigen, die Fenster etwas öfter. Wir erfahren auch, daß dieser Funkturm genauso wie seine Brüder in Hamburg, Dresden und Köln einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom gehört, die anderen aber schon viel länger geschlossen sind, "nicht wegen Corona, sondern wegen geänderter Brandschutzvorschriften."
Interessant wäre natürlich, warum in Berlin (außer in Corona-Zeiten) etwas funktioniert, was in anderen Städten nicht funktioniert - aber das erfahren wir jedenfalls in diesem Artikel der WELT leider nicht.
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