Der Agent der Literatur
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Jahrhundertschriftsteller, Meister des moralischen Dilemmas, Herr der traurigen Helden - so würdigen "Welt", "FAZ" und "NZZ" den verstorbenen Autor John le Carré. Laut "SZ" habe er "eine absolutes Gehör für menschliche Zwischentöne" gehabt.
"Der Spion, der die Monarchie schrumpfen wollte", überschreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ihren Nachruf auf David Cornwell alias John le Carré, den die SZ-Autorin Sonja Zekri persönlich kennengelernt hat.
"Wenn John le Carré in den letzten Jahren im Londoner Stadtteil Hampstead Besucher zum Tee empfing, dann saßen Jahrhunderte mit am Tisch, die Bösewichter, die Opfer, vor allem aber die Uneindeutigen. Sie bildeten – auch in seinen Büchern – die größte Gruppe. Wer den schlecht gekleideten Melancholiker George Smiley als literarischen Superhelden etablieren konnte, der musste ein absolutes Gehör für menschliche Zwischentöne haben. Es gibt nicht viele, die Grautöne so zum Leuchten bringen konnten, wie John le Carré es tat."
Der große Spionage-Autor
Sonja Zekri verschweigt übrigens nicht, dass der feine le Carré auch tüchtig ausrasten konnte. Boris Johnson etwa nannte er "saudumm", dessen Entourage "faschistisch". Die FRANKURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG feiert le Carré als einen "Meister des moralischen Dilemmas".
"Mit seinen sich durch die Schäbigkeit des Großbritanniens der Nachkriegszeit schleichenden Grüblern, Versagern und Zweiflern wollte Le Carré ein Gegenbild zu dem sich über alle moralischen Zweifel erhaben fühlenden Patrioten James Bond entwerfen. Dennoch ist Le Carré selbst bei aller Kritik an seinem eigenen Land ein altmodischer britischer Patriot geblieben", betont die FAZ-Autorin Gina Thomas – während ihr Kollege Paul Ingendaay den Kopf schüttelt. Und zwar über den angeblich minderen Status der "Genre-Literatur", der Le Carrés Bücher oft zugerechnet werden.
"Selbst ein kluger Leser wie Anthony Burgess schrieb, Le Carrés Begabung schreie geradezu danach, 'für das Verfassen eines echten Romans eingesetzt zu werden'. Anlass war seinerzeit das autobiographische Buch 'Ein blendender Spion', das Philip Roth den 'besten englischen Roman seit dem Krieg' nannte. 2013 fand der britische Schriftstellerkollege Ian McEwan, Le Carré habe die Genre-Beschränkungen längst hinter sich gelassen und werde möglicherweise als 'der bedeutendste britische Romanautor der zweiten Jahrhunderthälfte' in Erinnerung bleiben."
Fotografie-Buch für 800 Euro
Ganz in diesem Sinne firmiert Le Carré im Berliner TAGESSPIEGEL als "Agent der Literatur". Und für die Tageszeitung DIE WELT ist Le Carré schlicht ein "Jahrhundertschriftsteller" und als solcher der "Ankläger einer schäbigen, ehrlosen Welt". Der "Herr der traurigen Helden", wie ihn die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG nennt, ist also tot. Wir aber haben plötzlich wieder Lust auf seine Bücher.
Wir hätten auch Lust auf den Bildband "Boxing" des Fotografen Neil Leifer. Allerdings kostet die Sammleredition, die der Taschen Verlag in 1000 Exemplaren auflegt, 800 Euro. Die SZ zeigt ein berühmtes Motiv Leifers: Die aus 20 Meter Höhe senkrecht herab fotografierte Aufnahme eines weißen, werbefreien Boxrings.
Darin hebt Muhammad Ali beide Fäuste, weil er gesiegt hat, während Cleveland Williams am Boden liegend seine Fäuste zwar ähnlich hält wie Ali – aber aus anderen Gründen: Er ist k.o. gegangen und kapituliert. Den SZ-Autor David Pfeifer freut es, "dass etwa die Hälfte der Aufnahmen die große Zeit des Boxens in den Sechziger- und Siebzigerjahren festhält. Als Boxen so faszinierend war wie Jazz."
Pornhub – rassistisch und frauenfeindlich
Übles zu sehen gibt es im Internet-Portal Pornhub, das 2018 laut FAZ 42 Milliarden Besucher hatte. Unter der Überschrift "Die Bilder verschwinden nie mehr" zitiert Nina Rehfeld aus der NEW YORK TIMES: "'Pornhub macht Geld mit der Vergewaltigung von Kindern, Rache-Pornos, heimlichen Aufnahmen von duschenden Frauen, rassistischen und frauenfeindlichen Inhalten und Bildern von Frauen, die mit Plastiktüten erstickt werden.'"
Falls Sie jetzt denken: "Finde ich auch ganz schlimm", ist das gewiss angemessen. Aber es gibt Fälle, in denen die gleiche Reaktion allzu billig wäre – und Näheres dazu lesen Sie bitte in dem SZ-Artikel "Finde ich auch ganz schlimm" nach.
Das war es. Fragen Sie sich, wie Sie am besten durch die finsteren Tage kommen? Nun, ein Titel in der TAGESZEITUNG lautet: "Feinfühlig, warm und energisch." Wer das nicht schafft, sei auf die SZ verwiesen. Sie titelt: "Bitte schöntrinken."