Aus den Feuilletons

Der hippiemäßigste Hippie und die Drogenkultur

US-Kultautor T.C.Boyle stellt 2015 in Berlin in einer Weltpremierenlesung seinen neuen Roman "Hart auf Hart" vor.
T. C. Boyle ist für die Legalisierung von Drogen und hat auch jede Menge Erfahrungen mit berauschenden Substanzen. © dpa / Pictuare-alliance
Von Klaus Pokatzky |
Der Schriftsteller T.C. Boyle setzt sich für die Legalisierung von Drogen ein und schlägt vor, diese rezeptfrei in Drogerien zu verkaufen. Damit würden Kriminalität und Gewalt verringert, sagt er im Gespräch mit der NZZ.
"In meinen Zwanzigern habe ich viele Erfahrungen mit Drogen gemacht, ich habe alles genommen, auch LSD." Das sagt der US-amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle. "Damals war ich der hippiemässigste Hippie", erzählt er im Interview mit der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG:
"Die Leute blieben auf der Strasse stehen und fragten, ob ich ihnen Drogen verkaufen könne. Da hat eines zum anderen geführt, und ich wurde Teil dieser Drogenkultur." In seinem neuen Roman "Das Licht" schildert T.C. Boyle das Studentenleben rund um den Harvard-Professor Timothy Leary – mit jeder Menge LSD in den 1960er- und 1970er-Jahren. Der Schriftsteller streitet für die Legalisierung aller Drogen: "Sie könnten ohne Rezept in der Drogerie verkauft werden. Ja, manche Leute würden das missbrauchen, manche würden daran sterben. Aber sie sterben auch jetzt daran, und wer verdient dabei? Kriminelle, und damit geht kriminelle Gewalt einher. In Kalifornien wurde Marihuana legalisiert, man bekommt es im Geschäft, warum also sollte man es noch auf der Strasse kaufen?" Ja, warum eigentlich?

Über den Umgang mit Aufmüpfigen

"Eltern wissen, dass sie ihren Teenagern gewisse Freiheiten lassen sollten", lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Ich frage mich aber auch, ob Brüssel nicht ein wenig klüger agieren sollte", führt uns Catherine Barnard aus der Welt der Drogen in die der Europäischen Politik. "Die Briten benehmen sich wie aufmüpfige Halbwüchsige", ist ihr Beitrag überschrieben – und spielt damit natürlich nicht auf jugendlichen Drogenkonsum an, sondern auf all das, was mit dem Wort Brexit zusammenhängt.
"Die Europawahlen werden zeigen, dass die Union in einer Legitimationskrise und letztlich in einer Krise der Demokratie steckt. Das fragile System der Gewaltenteilung funktioniert einfach nicht", beklagt die Professorin für EU-Recht an der University of Cambridge – und macht plausible Verbesserungsvorschläge: "Wenn die EU einzelnen Mitgliedsländern einen bestimmten Spielraum zugestünde, sollte sie darin keine Gefahr, sondern eine Chance sehen. Staaten, die durch eine Phase jugendlicher Aufmüpfigkeit gehen, würden davon profitieren, wenn man sie nicht in die Zwangsjacke von Uniformität und Unterordnung steckte." Und, nicht zu vergessen: "Gute Kommunikation, politische Bildung wären hilfreich. Die EU versucht es, doch die Botschaften, die sie aussendet, sind schwerfällig und falsch."

Staatskrise in Frankreich

Gar nicht schwerfällig ist, was die Tageszeitung TAZ in der Überschrift über einen Artikel schreibt: "Revolutionsromantik? Fuck off!"
Das klingt nun schon wieder nach den alten Drogenzeiten.
"Revolutionen und Revolutionsgequatsche in demokratischen Staaten sind eine ausgesprochene Scheißidee", findet Martin Kaul, wenn er auf unseren westlichen Nachbarn sieht – wo, gekleidet in gelbe Westen, "auf Frankreichs Straßen inzwischen Faschisten und Antifaschisten offen aufeinander losgingen". So geschehen am vorletzten Samstag in Lyon.
"Am vergangenen Samstag nun beschimpften und bedrohten antisemitische Gelbwestler den 69-jährigen Intellektuellen Alain Finkielkraut in Paris." Frankreich erlebt da "am Rande einer Staatskrise antisemitische Szenen", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE:
"Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ist in Frankreich ein prominenter Jude in der Öffentlichkeit von einer hasserfüllten Meute, in der die Gesichter zu erkennen sind, als Jude niedergeschrien worden. Diesmal mussten ihn die Polizisten schützen", schreibt Jürg Altwegg – und blickt düster in die Zukunft, wenn es um Antisemitismus in Frankreich geht: "Weite Teile der Gesellschaft sind von ihm infiziert."
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