Der mutigste Allrounder des Pop
David Bowie inspiriert die Feuilletons zu Höchstleistungen der Metaphorik: Mal ist er "die schöne schmale Flamme", mal klingt seine Stimme wie "lebendiger, feiner Sand". Aber soziologisch gesehen war er auch ein "selbstbezogener Individualkarrierist".
"Jenseits von jedem", stand er laut SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG feierte ihn als "Die schöne schmale Flamme"... Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aber verabschiedete sich von "[dem] Star, der stets ein anderer war".
Sofern Sie, liebe Hörer, in der vergangenen Woche keine strenge Medien-Fastenkur gehalten haben, dann wissen Sie natürlich: Die Rede ist von David Bowie, dem britischen Musiker, Sänger, Schauspieler, Maler und so weiter, der mit 69 Jahren in New York gestorben ist.
Unter dem Titel "Wir selbst waren gemeint" verbeugte sich Diedrich Diederichsen in der Wochenzeitung DIE ZEIT vor Bowies intellektuellen Vorzügen:
"Bowie war ein synthetisierender, ständig lesender, aufgreifender, rezipierender Geist. [...] Er war der erste Künstler, der sich für den Fortschritt der Gattung, nicht nur irgendwelcher Teilbereiche und nicht nur irgendwelcher selbstbezogenen Individualkarrieren interessierte. Obwohl er auch das war: ein selbstbezogener Individualkarrierist, aber einer, der darüber ständig Buch führte, ja die Planungsstadien reflexiv zum prekären Gegenstand seiner Kunst erklärte."
So abstrakt schreibt er halt gern, der Pop-Theoretiker Diederichsen, in diesem Fall in der ZEIT.
Wir aber wollen David Bowie nicht Adieu sagen, ohne noch einmal seine Stimme gehört zu haben – und zwar so, wie sie durch die Worte des FAZ-Autors Dietmar Dath erklang:
"Diese wunderschöne Stimme: In ihr wird, aufgezeichnet und bewahrt, das tiefste all der Grau-in-Scharlach-Paradoxa weiterleben, die den anmutigsten Allrounder des Pop ausmachten – trocken, aber weich, großzügig, aber eigen, oft nah am Sprechgesang und gerade dann von ahnungsvoll liebebedürftigem Melos getränkt, ein lebendiger, feiner Sand, der durch die engsten Stellen der Lieder rieselt als Abgesang auf dem Menschen unerreichbare Dauer und Lob einer Vergänglichkeit, die man immer wieder genießen, von der man sich immer wieder verabschieden will."
Deutschland-Schmähung aus Zürich
Freudig begrüßt haben im Spätsommer viele Deutsche die eintreffenden Flüchtlinge – die Willkommenskultur wurde weltberühmt.
Indessen wählte die NZZ nun das polemische Wort "Willkommensunkultur" zur Überschrift.
Der Soziologe Gunnar Heinsohn äußerte "eine Handvoll kühler Überlegungen aus aktuellem Anlass". Gemeint war die Kölner Silvesternacht:
"Aus Angst vor Rassismusanwürfen und Angst um das eigene Leben überlässt die Staatsgewalt die Bürgerinnen ihrem Schicksal. Einige Frauen finden Schutz in nahe gelegenen Nachtclubs. Die Polizeiführung dagegen hält es mit den Leitmedien. Die öffentlichen Anstalten verheimlichen die Taten, solange es nur geht. Hohe Beamte ziehen mit. [...] Viele Bürger wissen wohl, dass dem Land von der Spitze her Gefahr droht, aber der Kadavergehorsam bis in die untersten Ränge vertieft die Entmutigung."
Kenner der Domplatte mögen sich gefragt haben, wo denn dort die "nahe gelegenen Nachtclubs" sein sollen... Aber egal. Hier der bemerkenswerte Höhepunkt der Deutschland-Schmähung von NZZ-Autor Heimsohn:
"85 Prozent der Araber, so zeigt [...] [eine Studie des Doha-Instituts], träumen von der Judenvernichtung. Wer eine Million zu sich holt und dann umverteilen will, möchte die Nachbarschaft mit 850.000 Antisemiten fluten – ein Geschenk so deutsch wie schon lange nicht mehr."
Oha, haben wir gedacht! Deutsche Willkommenskultur als Antisemitismus über Bande, nämlich die arabische Bande... Die Perfidie in der Debatte ist wirklich von Graden.
Vorwurf der "moraltriefenden Unreife"
Seriös, aber etwas schlapp fiel in der SZ Thomas Steinfelds Entgegnung auf den Philosophen Rüdiger Safranski aus, der in einem Interview Kanzlerin Merkel und den deutschen Medien "‚Unreife' ", "Naivität' " und "Weltfremdheit'" angekreidet hatte. Safranskis Begründung: Deutschland verharre immer noch in der moraltriefenden Unreife, in der es nach dem Zweiten Weltkrieg im Schutz der USA Jahrzehnte verbracht hat. Entgegnung des SZ-Autors Steinfeld:
"Stimmt es denn, dass die Offenheit der Grenzen für Flüchtlinge [...] nur ein großer, moralisch begründeter ‚Denkfehler' ist? Womöglich ist sie nicht nur ein humanitäres, sondern tatsächlich auch ein politisches Projekt – und eines in großem Maßstab: Deutschland, der mächtigste Staat in Europa, definiert sich gegenwärtig neu, jenseits des Glaubens an das besondere, ursprüngliche Volk, nämlich als globalisierte Nation, die eine Verantwortung auch für ferne Länder und ferne Völkerschaften zu tragen hat."
Als würde er selbst nicht ganz glauben, was er da schreibt, schränkte Steinfeld ein:
"Es mag sein, dass dieses Projekt eines neuen Nationalstaats auf Irrtümern beruht. Dann wäre es ein gescheitertes politisches Vorhaben, aber noch lange kein Fall von ‚naiver Weltfremdheit'."
In der TAZ forderten derweil Catarina von Wedemeyer und die syrische Flüchtlingin Amer Qusay Aufklärungskurse für die – hier so genannten - "neu Angekommenen":
"Leute wie die, die in Köln übergriffig geworden sind, waren nicht aus Schulen, bei denen schon in der achten Klasse Pro Familia mit Bananen und Kondomen vorbeikommt. Wenn ein, sagen wir, 12-jähriger Araber, nennen wir ihn ‚Jamal' [der Schöne], den Versuch wagt und seine Mutti fragt: Du, Mama, wie funktioniert Sex? Oder: Sag mal, wie habt ihr mich gezeugt?, dann reagiert seine Mutter in der Regel mit Entsetzen. Das Thema ist haram, verboten, tabu."
Und weil laut TAZ der kleine Jamal auch beim Vater nichts über Sex erfährt, wendet er sich an seine pornosüchtigen Brüder – und wenn sie später gemeinsam perspektivlos-frustriert in Deutschland abhängen, dann passiert ‚Silvester in Köln'.
Es war einer von unzähligen Artikeln, die der ZEIT-Autorin Marie Schmidt recht gaben:
"Der Streit darüber, wie viele Eindringlinge von draußen der Volkskörper aushält, wird als Kampf um die stets bedrohte Reinheit des Frauenkörpers ausgefochten."
Nun denn, liebe Hörer. Wir persönlich versuchen, dem enormen Kuddelmuddel dieser Tage so zu begegnen, wie es eine Überschrift der WELT nahelegte – nämlich: "Mit Ruhe und Wohlwollen."
Vielleicht schließen Sie sich ja an.