Der Streetsound von Sansibar
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Bis nach Sansibar ist die "Süddeutsche Zeitung" gereist, um zu erleben wie "Deutsche und Einheimische gemeinsam an einem Sound" arbeiten. Doch: "Wann ist kulturelle Aneignung eine beidseitige Bereicherung?", fragt der Autor.
In der TAZ würdigt Ambros Waibel Robert W. Gore, "Erfinder der GoreTex-Technologie. Das Andenken dieses Revolutionärs der wetterfesten Kleidung" zu würdigen, steht "unsere kleine Zeitung besonders in der Pflicht", so Waibel über die TAZ.
"Denn das alternative Milieu, das die taz gleichzeitig trägt und abbildet, ist ohne die 1969 von Gore entdeckte wasserdichte Membran nicht denkbar".
Ja: "Die Marke Gore-Tex stand für Freiheit und den Willen, sich nicht nach dem Äußeren beurteilen zu lassen, sondern nach den oft auch mal ungeduschten inneren Werten."
Fernweh nach Sansibar
Die sogenannte "Outdoormode" lässt sich durchaus auch als Kleidung gewordener Fluchtimpuls interpretieren, vor allem raus aus der Stadt, so weit wie möglich. Bis nach Sansibar – legendäres letztes Fluchtziel aller Fernleidenden – ist Jonathan Fischer für die SÜDDEUTSCHE gereist, um zu erleben, wie "Deutsche und Einheimische gemeinsam an einem Sound arbeiten, der Tradition mit Pop verbindet." Entsprechend groovt sich der Text in die Fernwehseele:
"Wer Sansibar hört, denkt an weiße Strände, an hölzerne Dhaus, die mit Dreieckssegeln durch türkisfarbenes Wasser gleiten, an arabische Architektur und Gewürzplantagen." Darunter die Musik: "Taarab-Orchester, deren Streichinstrumente in leierndem Auf und Ab melodramatische Gesangsarabesken verschleierter Sängerinnen unterfüttern."
Mit dem Soundtrack von Sansibar geht es weiter und mit der Frage: "Aber Sansibar und 'Street Credibility'? Taraab und Tiefstbässe? Das scheinen kaum verträgliche Begriffspaare. Doch sie liefern einem jungen, deutschen Hip-Hop-Musiker und Produzenten mit seinem Sansibari-Partner das Rezept, die Insel aus ihrem musikalischen Dornröschen-Schlaf zu holen. Was ganz nebenbei einen heiklen Diskurs provoziert."
Nämlich: "Wann ist kulturelle Aneignung eine beidseitige Bereicherung?" Und: "Wo fangen die Missverständnisse an?"
Sich nach den eigenen Einstellungen befragen
Wie schwer es ist, derlei Fragen zu beantworten, ja bisweilen schon, sie nur zu stellen, bemerkt schnell, wer mit Fragen des Kolonialismus in Berührung kommt. Da gilt es, sich nach den eigenen Einstellungen zu befragen. In der TAZ schwärmt Marlen Hobrack über einen literarischen Essay von Dorothee Elmiger mit dem Titel "Aus der Zuckerfabrik".
Hobrack ist begeistert, wie Elmiger "heikle Themen wie Kolonialismus und Entdeckergeschichte" aufgreift. Sie zitiert die Autorin mit der Devise:
"Die Dinge, die ich beschreibe, mir nicht zu nehmen, sie nicht haben zu wollen und sie nicht zu schmälern, so eindeutig zu bestimmen, sondern sie im Gegenteil noch freier und unabhängiger zu machen, als sie es waren, bevor ich zum ersten Mal ein Auge auf sie warf."
Der Rassismus eines Algorithmus
Klingt nach einer beherzigenswerten Devise. Wie weit und wie tief jedoch die Wurzel des Rassismus unseren digitalen Alltag durchdringt, führt Andrea Diener in der FAZ vor. Sie identifiziert, ausgehend von der Software Zoom, einen programmierten Rassismus von Algorithmen. Schwarze Zoom-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer werden oft kopflos gezeigt, denn die Zoom-Algorithmen sind "eher bereit, einen Globus als Gesicht zu erkennen als ein echtes Gesicht mit schwarzer Hautfarbe".
Diener geht zurück in der Bildgeschichte, erklärt, dass dasselbe Phänomen schon den chemischen Farbfilm prägte, dessen Farbreferenz man "als 'Shirley Card' bezeichnete, weil darauf eine weiße Frau namens Shirley abgebildet war. Weiße Haut wurde" in der Folge "naturgetreu dargestellt, von schwarzen Gesichtern sah man meist nur Augen und Zähne."
"Nun scheint", schreibt Andrea Diener, "das digitale Zeitalter die alten Fehler zu wiederholen." Beispiele: "Passbildsoftware sagt Schwarzen, sie sollen ihren Mund schließen, und Asiaten, sie sollten nicht blinzeln. Schwarze scheitern an Seifenspendern, weil ihre Hände nicht erkannt werden." Und so weiter und so fort.
"Ein paar Twitterer machten sich den Spaß, den Fraktionsführer der Republikaner, Mitch McConnell, und Barack Obama auf ein Bild zu montieren und herauszufinden, was man tun muss, damit Obama auf der (Twitter-)Vorschau erscheint und nicht McConnell. Die Lösung fand sich bald: Man muss Obama mittels Bildbearbeitung so stark aufhellen und McConnell so stark abdunkeln, dass Obama weiß erscheint."
Wie heißt noch das gute alte Programmierer-Sprichwort: Wie es in den Algorithmus hineinruft, so schallt es aus ihm wieder heraus.