Aus den Feuilletons

"Der 'Völkische Beobachter' ist zurück"

04:18 Minuten
Ruch spricht in ein Megaphon. Sein Gesicht ist teilweise schwarz angemalt.
Für Philipp Ruch ist nichts so schädlich für den Zusammenhalt wie die wöchentliche Talkshow von Sandra Maischberger. © imago/Sachelle Babbar
Von Tobias Wenzel |
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Der Aktionskünstler Philipp Ruch vom "Zentrum für politische Schönheit" vergleicht in seinem neuen Buch die ARD-Talkshow "Maischberger" mit dem "Völkischen Beobachter". Einem staunenden "Spiegel"-Redakteur entgegnet er: "Mein voller Ernst."
"Wir können uns heute darauf verlassen, dass Sie Klartext reden?", fragt der SPIEGEL. "Ganz ohne fiktive Narrative?" Und der Aktionskünstler Philipp Ruch antwortet: "Was ich sage, meine ich schon so."
Im Laufe des Interviews, das Tobias Becker und Lothar Gorris mit dem Mann vom "Zentrum für Politische Schönheit" geführt haben, kann beim Leser schon der Wunsch aufkommen, dass Ruch nicht alles ernst meint, sondern hier und da die Phantasie mit ihm durch- oder sein Urteilsvermögen den Bach runtergeht.
"Wollen Medien wirklich über jedes Stöckchen springen, das ihnen Politiker hinhalten?", fragt Ruch, der am Montag ein Buch veröffentlicht. Titel: "Schluss mit der Geduld. Jeder kann etwas bewirken – eine Anleitung für kompromisslose Demokraten".

"Maischberger organisiert den Absturz des Humanismus"

Der SPIEGEL zitiert daraus: "Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird durch Reichsbürger, Pegidisten und Rechtsfaschisten lange nicht so bedroht wie durch eine Maischberger-Sendung. Der 'Völkische Beobachter' ist zurück." Ob er das ernst meine. "Mein voller Ernst", antwortet Ruch.
Er verliere jegliches Maß, entgegnen ihm die Journalisten. Unbeeindruckt fährt Ruch fort: "Sandra Maischberger organisiert den Absturz des Humanismus, Woche für Woche, und wir lassen das zu. Ich habe für das Buch sämtliche Ausgaben der 'Weltbühne' von 1932 gelesen. Ich musste feststellen, dass Weimar brennend aktuell ist. Es geht um einen Extremismus der Mitte. Maischberger ist die Mitte der Gesellschaft."
Später prophezeit Ruch noch, dass Jens Spahn, um Kanzler zu werden, mit der AfD koaliere und den Untergang der Demokratie besiegle. Fragt sich: Soll man das Interview mit Philipp Ruch wirklich zitieren? Oder springt man da nur über ein Stöckchen, das er einem hinhält?

Unterwegs im Osten

Die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen schweben nicht nur über dem SPIEGEL-Interview, sondern über fast allen Feuilletons vom Samstag. "Muss Dresdens vitale Kulturszene Angst vor der Wahl in Sachsen haben?", fragt die TAZ. Gleich sieben Redakteure hat sie auf die Reise quer durch dieses Bundesland geschickt.
Der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG hat eine Redakteurin für die Reise durch Dörfer Brandenburgs gereicht. Hannah Bethke hat unter anderem eine pensionierte Ärztin getroffen, die in ihrer Praxis oft Flüchtlinge behandelt habe. Andere Ärzte hätten sie nämlich abgewiesen. "Da kommt ein rechtes Grunddenken wieder hoch, in allen sozialen Schichten", wird die Ärztin zitiert. "Dafür gibt es keinen Grund. Vielleicht geht es den Leuten einfach zu gut."

In der Lieberoser Wüste in die Klimazukunft blicken

DIE WELT hat auch jemanden nach Brandenburg geschickt, nämlich in die Wüste. "Eine Wüste in Deutschland?", liest Timo Feldhaus die Gedanken der ungläubigen Leser. Und doch gibt es sie, nördlich von Cottbus: die Lieberoser Wüste, die einzige Deutschlands.
"Diese Wüste ist die größte und heißeste und zeitgenössischste Metapher Deutschlands", interpretiert Feldhaus. "Nicht nur für das, was der Osten einem Teil des Westens plötzlich wieder bedeutet – nämlich die verkümmerte und radikalisierte Rückseite blühender Landschaften. Sondern eben auch für das, was werden könnte, wenn der Klimawandel weiter voranschreitet."
Feldhaus hat die Brandenburger Wüste ganz konkret betreten und berichtet nun von den Gedanken, die ihm dort gekommen sind. "Wieso macht man den Kohleausstieg nicht einfach direkt mal jetzt, zahlt die ganzen Arbeiter aus und setzt ein großes, schönes Zeichen, auf das hin eine Weltgemeinschaft sich entwickelt, die gemeinsam Großgefühle speist und ein kollektives Losretten der Welt beginnen lässt?", fragt er.
"Wieso einfach nur Panik, bis keine Luft mehr da ist? Bis unsere Erde und erst recht die Erde unserer Kinder komplett verwüstet ist?" Und dann kommentiert der Journalist das soeben Geschriebene: "Psychedelische, weltfremde Gedanken in der Wüste."
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