Aus den Feuilletons

Die "FAZ" wirft Historiker Götz Aly Rufmord vor

Der deutsche Historiker, Journalist und Autor, Götz Aly
Seine Kolumne über Antisemitismus sorgte für einen entsetzen ffenen Brief in der "FAZ": der deutsche Historiker, Journalist und Autor, Götz Aly © picture alliance / ZB / Marc Tirl
Von Tobias Wenzel |
Götz Aly sorgt mit einem Text zur angekündigten Milliarden-Spende von Facebook-Chef Mark Zuckerberg für Entsetzen bei der "FAZ": Der Nationalsozialismus-Experte suggeriere, dass Journalisten, die diese Spende kritisierten, "moderne Antisemiten" seien. Die Zeitung erhebt einen schweren Vorwurf.
"Danke, dass Sie Focus Online zur Nummer 1 in Deutschland gemacht haben", rufen die Macher von "Focus Online" ihren Lesern zu. 20 Millionen Menschen haben laut einer Erhebung im September dieses deutsche Nachrichtenportal besucht. Da kommt selbst Bild.de nicht mehr mit. Jürn Kruse kann sich darüber so gar nicht freuen. In der TAZ schreibt er:
"Focus Online war und ist sich für wenig zu schade und geht bei Facebook beispielsweise mit Zeilen wie 'Unglaublich: DAS bekommt jeder Flüchtling monatlich' oder 'So benehmen sich Asylsuchende in Deutschland wirklich' auf Klickfang am ganz rechten Rand."
Kritik an der Sache, nicht antisemitisch motiviert
Von der Medienkritik zur Kritik der Medienkritik:
"Wie kann einem denkenden Menschen wie Ihnen, Herr Aly, die Absurdität dieser Schlussfolgerung entgehen?"
Jürgen Kaube schreibt das in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, in seinem offenen Brief an Götz Aly. Der hat wiederum in der BERLINER ZEITUNG über antisemitische Klischees geschrieben und, wenn auch vielleicht nicht justiziabel behauptet, so doch zumindest tollkühn suggeriert, einige Blogger und Journalisten, darunter Sascha Lobo, Kolumnist von "Spiegel online", und Michael Hanfeld, Medienexperte der FAZ, seien "moderne Antisemiten". Aly macht das daran fest, dass und wie die beiden Mark Zuckerberg, den Facebook-Gründer, für dessen angekündigte Milliardenspende kritisierten.
Nun ist Aly nicht irgendein Hau-drauf-Kolumnist, sondern ein namhafter Historiker mit Forschungsschwerpunkten wie Nationalsozialismus und – genau – Antisemitismus. Das erklärt wohl auch das Entsetzen, das sich in Jürgen Kaubes offenem Brief an Götz Aly ausdrückt, in dem Kaube seinen Kollegen Hanfeld vehement gegen den Antisemitismus-Vorwurf in Schutz nimmt.
Hanfeld habe nur Zuckerbergs angekündigte Spende in Form eines offenen Briefes an dessen gerade geborene Tochter als unaufrichtige Werbeaktion kritisiert, mit der er unter anderem davon ablenken wolle, dass er mit Daten handle, "gegen den Datenschutz" Lobbyismus betreibe und "in Europa zwar Geschäfte" mache, "aber kaum Steuern" zahle. Und die angekündigte Milliardenspende werde, in Raten, nicht etwa in eine Stiftung, sondern eine GmbH fließen. Die Kritik Hanfelds sei aber schlicht eine Kritik in der Sache und überhaupt nicht antisemitisch motiviert gewesen. Jürgen Kaube wirft Aly "Rufmord" vor.
"Wollen Sie uns ernsthaft sagen, dass ein und dieselbe Kritik, wenn sie an einem protestantischen Internet-Tycoon geübt wird, ihren Charakter ändert, wenn sie Mark Zuckerberg betrifft?",
fragt Kaube in der FAZ. Und weiter: "Wie kann einem Historiker des Nationalsozialismus entgehen, welcher Logik dieser Kurzschluss den Verstand opfert?"
Plädoyer für neue Gedenkkultur
Bleiben wir bei einem von Götz Alys Spezialgebieten: dem Holocaust.
"[…] es bleibt eine Tatsache, dass der Holocaust im arabischen Raum, wenn nicht bestritten, so doch mehrfach ignoriert wird, währen seine Anerkennung als Menschheitsverbrechen zur Staatsräson der Bundesrepublik gehört",
schreibt der Historiker Volkhard Knigge in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und fragt dann:
"Was heißt das aber für den Umgang mit Flüchtlingen? Sollen sie nicht nur Deutschkurse absolvieren, sondern auch Holocaust-Education nachweisen? Den erfolgreichen Besuch von KZ-Gedenkstätten?"
Knigge hält wenig von "verordnetem Antifaschismus". Der habe schon in der DDR nicht funktioniert. Aber er plädiert für eine "neue Gedenkkultur", unter anderem dafür, dass arabische Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht gestellt werden.
"Integrationsforderungen können verfassungspatriotisch begründet werden, nicht ethno-kulturell", schreibt Knigge. "Die Forderung nach Achtung der Menschenwürde ist aber nur so glaubwürdig wie der Staat und die Gesellschaft, die sich auf sie berufen."-
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