Aus den Feuilletons

Die First Ladies der Popkultur

Daisy Duck, die Gefährtin von Comic-Enterich Donald Duck
Daisy Duck, die Gefährtin von Comic-Enterich Donald Duck © dpa picture alliance/ Ehapa_disney
Von Arno Orzessek |
Als eigenständige und selbstbewusste Frau beschreibt die "Welt" Donalds Gefährtin Daisy Duck. Die "First Lady der Popkultur" der Stunde ist laut "NZZ" allerdings Michelle Obama - die hätte selbst dem Frauenverächter Donald Trump Respekt eingeflößt.
Zum Frischmachen ein knackiger Superlativ!
"Die tollste Frau der Welt und aller Zeiten" war es, die anlässlich ihres 80. Geburtstags zum Wochenbeginn die erste Feuilleton-Seite der Tageszeitung DIE WELT schmückte.
Michael Pilz stellte seiner "Liebeserklärung" die pathetische, zwischen Hingerissenheit und Hirnrissigkeit klug ausgependelte Frage voran:
"Ist Daisy Duck nicht das Weibliche schlechthin?"
Eine letzte Antwort blieb Pilz schuldig. Aber der WELT-Autor fixierte mit ingeniöser Entenhausen-Expertise die soziologischen und libidinösen Merkmale von Daisys Existenz.
"Sie liebt Donald, ihren liederlichen, aber gutherzigen Erpel – aber eben nicht bedingungslos. Daisy ist eine eigenständige und selbstbewusste Frau. Das war sie eigentlich schon, als es diese Frau im öffentlichen Leben nur als Feministin oder Furie gab. Manche halten sie für zickig und berechnend, kaltherzig und selbstsüchtig. Aber sie wollte ja auch nie von aller Welt geliebt werden. Außer von Donald."
Falls Sie vermuten, gewitzte Hörer, wir kämen nun von Donald Duck auf Donald Trump – falsch!

Abschied von Michelle Obama

Wir kommen von Daisy auf Michelle Obama, die von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG zur "First Lady der Pop-Kultur" geadelt wurde.
Andrea Köhler nahm "Abschied von der ersten schwarzen Frau im Weißen Haus", die sich selbst als "mom in chief" – etwa 'Chefmutter' – bezeichnet hat…
Keineswegs zur Freude aller, wie Köhler betonte:
"Feministinnen haben ihr diesen selbstironischen Titel übelgenommen. Doch eine Frau wie Michelle Obama kann eine solche Bezeichnung für sich proklamieren, ohne den Vorwurf der Biederkeit fürchten zu müssen. Sie ist die eleganteste First Lady seit Jacqueline Kennedy – und in ihrer Garderobe noch origineller als die einstige Botschafterin der französischen Haute Couture […]. Michelle Obama, die mit ihrer Stilsicherheit vielen jungen Designern ins Spotlight […] verholfen hat, ist die Verkörperung der Devise 'Trage, was du willst – solange du es mit Haltung tust'."
Bevor jemand mosert, Andrea Köhler hätte die scheidende First Lady nur für deren klasse Händchen in puncto Klamotten gelobt: Nein, hat sie nicht!
Die NZZ-Autorin verbeugte sich auch vor der Klugheit Michelles. Diese hätte…
"sogar dem bekennenden Frauenverächter Donald Trump Respekt oder wenigstens Vorsicht ein[geflößt] – und das, obschon die First Lady ihm (nicht nur) nach dem berüchtigten Grapsch-Video die Leviten gelesen hat."

Pipi-Witze über Trump

Und damit tatsächlich zum neuen US-Präsidenten und seinen erschütternden Trumpeleien.
Die TAGESZEITUNG druckte ganzseitig ein Foto von Meryl Streep, betextet mit den Worten, mit denen sich die Schauspielerin anlässlich der Verleihung der Golden Globes von einem Auftritt Trumps distanziert hatte.
"Er hat sich tief in mein Herz gegraben. Aber nicht, weil er gut war; nichts daran war gut. Aber er war wirkungsvoll […]. Er brachte das Zielpublikum dazu, zu lachen und Zähne zu zeigen. Es war der Moment, als der Mensch, der sich um das am meisten respektierte Amt in diesem Land bewarb, einen Reporter mit Behinderung nachmachte. […] Es brach mir das Herz, als ich das gesehen habe. […] Es wirkt[e] wie eine Erlaubnis für andere, dasselbe zu tun. Respektlosigkeit lädt zu Respektlosigkeit ein, Gewalt erzeugt Gewalt."
Meryl Streep in der TAZ
Die in Person von Franziska Seybold auch dem Gerücht nachging, Trump habe vor Jahren im "Moskauer Ritz-Carlton ein paar russische Prostituierte bestellt und sie aufgefordert, in das Bett zu urinieren, in dem auch schon die Obamas geschlafen haben."
Wie gesagt: Ungesichert ist das.
Die TAZ-Autorin Seybold schimpfte indessen nicht über Trump, sondern über dessen bigotte Gegner.
"Pfui, Donald, du kleines Schweinchen. Schäm dich [denken die]. Nur: Urophilie ist eine legale Sexpraktik. In Rheinland-Pfalz ist sie laut einer Nutzerstatistik des Amateurpornoportals mydirtyhobby.de sogar die beliebteste. Aber es ist halt einfach zu schön, Pipi-Witze zu machen: Über Trumps Haarfarbe (blond), über Trumps Hautfarbe (orange), und, einer geht noch: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Höhö."
Das war die Überraschung der Woche:
Dass ausgerechnet die TAZ minderreflektierte Trump-Gegner verhöhnte, wobei Seybold in Sachen Urophilie Trump noch weiter entgegen kam als hier zitiert.

Seifenoper zwischen Russen und Amerikanern

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hielt sich, keine Überraschung, züchtig bedeckt.
Unter der Überschrift "Amerikas Geheimdienste munkeln" befand Constanze Kurz:
"Die Belege für eine russische Beeinflussung der Präsidentenwahl sind mickrig."
Kurz wäre bereit, das "Russen-Hickhack zwischen den mächtigsten Diensten und dem bald mächtigsten Mann der Welt" als "Seifenoper" zu betrachten…
"Allerdings [so die FAZ-Autorin] bleibt einem jedes Lachen im Halse stecken, wenn man die Folgen bedenkt. Denn im November […] machte NBC News [bekannt]: Hacker der amerikanischen Geheimdienste hätten […] schon zum Gegenschlag ausgeholt und die Computer der russischen Stromversorger und Telekommunikationsanbieter sowie im Kreml selbst unterminiert – quasi vorbeugend. Man könnte jederzeit zuschlagen und dort geheime 'Cyber-Waffen' zum Einsatz bringen."
Und wo bleibt angesichts solcher Unheils-Aussichten der linke Internationalismus? Er bleibt auf der Strecke…
Wenn man Boris Groys folgt, der in der Wochenzeitung DIE ZEIT unterstrich:
"Linker Internationalismus und liberaler Globalismus erweisen sich als Fiktionen. Sie konnten nur solange funktionieren, wie man der transterritorialen Ideologie die Treue hielt und sich mit Gleichgesinnten überall in der Welt solidarisch fühlte […]. Derzeit erkennen wir, dass die globale Konkurrenz und der Kampf aller gegen alle die (Werte-)Gemeinschaft auflöst. Ethnische und nationale Egoismen gewinnen die Oberhand, und jeder hält sich für ein Start-up-Unternehmen. Das gilt auch für einzelne Nationen, und Trump ist dafür das schlagende Beispiel."
Heute, liebe Hörer, ging's also abwärts in der Presseschau – von der tollen Daisy bis hinab zur Misslichkeit der Gesamtverhältnisse.
Achten Sie umso mehr darauf, dass Ihr Sonntag nicht so wird, wie es eine Überschrift in der WELT ausdrückte – nämlich: "La la langweilig."
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