Die "Fischsuppe" des Renzo Piano
Renzo Pianos Neubau des Whitney Museums in New York verwirrt Peter Richter in der "Süddeutschen Zeitung": die "Anhäufung von Disparatem, Ambivalentem, Unentschiedenem" erinnere an eine "Bouillabaisse".
Friedrich Küppersbusch kommt richtig in Fahrt bei seinem Rückblick auf die vergangene Woche für die TAZ. Als die ihn auf die Abschaffung des G36, des Standardgewehrs der deutschen Soldaten, und auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen anspricht, wird Küppersbusch selbst zur automatischen Waffe und feuert seine bissigen Kommentare gegen ein anderes menschliches Modell ab:
"Das Modell 'Uschi15' etwa scheint ganz ähnliche Probleme zu haben: Beschafft, um Transparenz und zielgenaue Ansprache zu fördern, läuft sie schnell heiß und streut dann Friendly Fire auf Parteifreunde ."
Und dann noch eine Salve:
"Nachdem sich die Geheimdienste ähnlich blamiert hatten wie jetzt die Bundeswehr, forderte die grüne Opposition die Abschaffung der Dienste. Nicht, wie jetzt: bessere Waffen. Urgrüne wären mit der Kirmeswumme G36 ganz gut bedient.“
Bringt Chris Dercon die Revolution nach Berlin?
Na, nach so viel Waffen und Schüssen schon wieder Lust auf etwas Friedliches? Kein Problem. Einige Feuilletons sind noch immer mit Chris Dercon beschäftigt, dem designierten Nachfolger von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne. Und erstaunlicher Weise finden sie versöhnliche, geradezu friedliche Worte. Der Ausdruck "Revolution" ist da noch der aggressivste.
"Wird er die Revolution jetzt nach Berlin bringen?"
So fragt Marion Löhnsdorf in ihrem Porträt des Noch-Chefs der Londoner Tate Modern für die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Der Wechsel gehöre einfach zu den Spielregeln, schreibt in derselben Zeitung Barbara Villiger Heilig, stellt sich die Volksbühne ohne Castorf vor und wird dann doch etwas wehmütig:
"Aus der Ostalgie, die Castorf fast rührend hingebungsvoll pflegte, wird Nostalgie."
… schreibt Villiger Heilig, um dann doch noch die optimistische Kurve in Richtung Zukunft zu kriegen:
"Dercon indessen versammelt schon sein neues Künstlerteam. Auf in die nächste Runde!"
Stadttheater gegen freie Produzenten
"Kulturkampf? Welcher Kulturkampf?", fragt im TAGESSPIEGEL Thomas Oberender, der Intendant der Berliner Festspiele, also jener Institution, die genauso wie das HAU als "Eventschuppen" diffamiert wurde. Oberender kann jedenfalls die Aufregung vor und nach der offiziellen Berufung von Chris Dercon nicht verstehen:
"„Plötzlich erscheinen Stadttheater wieder als Bollwerke einer hehren Kunst und Arbeitswelt und wirken irgendwie auch wieder konservativ. Plötzlich wird die vermeintlich progressive Szene der freien Produzenten zu Agenten des Events und Marktliberalismus deklariert.“
Oberender findet das schlicht unfair. Letztlich seien "Illusionen" doch der "Grundstoff" eines jeden Theaters. Und dann wird er doch noch angriffslustig:
"Zum neuen Spektrum unserer Hochkultur zählt aber auch, dass beispielsweise Rimini Protokoll oder Milo Rau, die Theaterorte wie das HAU oder Festivals zum Produzieren und Touren brauchen, inzwischen weltweit mindestens so bekannt sind wie Claus Peymann oder Michael Thalheimer – und folgenreicher."
Der Neubau für das Whitney Museum in New York
So eine klare Meinung hätte Peter Richter auch gerne geliefert, nämlich zum von Renzo Piano entworfenen Neubau für das Whitney Museum in New York. Aber der Daumen Richters will einfach nicht nach oben oder unten zeigen:
"Er flattert, als ob einem ein Tremor in die Hand gefahren sei", schreibt Richter in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Irgendwie flattert wohl auch das Gebäude im Auge des Kritikers:
"Statt Decken gibt es quasi Schnürböden, von Etage zu Etage unterschiedlich tief und unterschiedlich penetrant mit weißen Gattern zerrastert. Von hier baumeln die Wände herab, als seien es Figuren aus der Augsburger Puppenkiste."
Richter empfindet es als "überwiegend sehr herrlich" in dem Neubau, wähnt sich aber zugleich in einer "Fischsuppe". Über den Architekten schreibt er nämlich:
"Piano selbst belegt die Anhäufung von Disparatem, Ambivalentem, Unentschiedenem mit der in der Architekturgeschichte bisher eher seltenen Metapher der Bouillabaisse."