Aus den Feuilletons

Die gefühlten Wahrheiten des Donald Trump

Donald Trump beim TV-Duell mit seiner Herausforderin Hillary Clinton.
Donald Trump beim TV-Duell mit seiner Herausforderin Hillary Clinton. © picture alliance / dpa / Andrew Gombert
Von Klaus Pokatzky |
Lügen, die sich wie Wahrheit anfühlen - das ist offenbar das Prinzip, nachdem Donald Trump funktioniert. Trump wisse, dass nur die Sexiness der Emotion zähle, beklagt die "Zeit": starke Bilder, großes Spektakel und tolle Atmosphäre.
"Nur Klugscheißer glauben, Medien seien Orte von Wahrheit und Aufklärung."
Das stand in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Und ich bekenne mich damit sofort als Klugscheißer. Für mich sind die Medien die Orte von Wahrheit und Horte von Aufklärung und die Feuilletons sowieso.
"Trump, das weiß man nun, verbreitet Lügen, die sich anfühlen wie Wahrheit."
Das lasen wir auch noch in der ZEIT im Artikel von Thomas Assheuer.

Für Trump gibt es keine Fakten, nur Interpretationen

"Rekordquote bei TV-Duell", vermeldete die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zur ersten Fernsehdebatte zwischen dem Republikaner Donald Trump und der demokratischen Gegenkandidatin Hillary Clinton: "84 Millionen Menschen", so die SÜDDEUTSCHE, saßen vor dem Fernseher.
Einen sogenannten Faktencheck wollte Trump dabei nicht über sich ergehen lassen – wo Aussagen der Präsidentschaftsbewerber mit der Realität überprüft werden: im Sinne von Wahrheit und Aufklärung eben. "Für ihn gibt es in der Medienrealität keine Fakten, es gibt nur Interpretationen, und selbst wenn sie falsch sind, so wirken sie doch echt", so Thomas Assheuer in der ZEIT.
"Trump weiß: Das Einzige, was zählt, ist die Sexiness der Emotion – starke Bilder, großes Spektakel und tolle Atmosphäre."

Männerfantasien in der Politik

Und damit gehen wir zum Sex in der Politik: zur großen, süßen Maus. "In der öffentlichen Debatte gehört das Sprechen über Sexismus mittlerweile dazu", meinte die Tageszeitung TAZ – nachdem eine Berliner CDU-Politikerin ihrem Spitzenkandidaten bei der letzten Abgeordnetenhaus-Wahl, Frank Henkel, öffentlich um die Ohren gehauen hatte, dass er einmal zu ihr gesagt habe: "große, süße Maus".
"Die Männerfantasie hat noch lange nicht ausgedient", lasen wir in "Christ & Welt", der Beilage der ZEIT: "In keiner Partei, in keinem Unternehmen, in keiner Organisation", schrieb Petra Bahr.
"Das unverhohlen Sexistische ist vielmehr in den Untergrund gewandert, in die Schattenwelten halbvertraulicher Räume, Flure oder Abendessen."
Petra Bahr weiß, wovon sie schreibt. Sie war einst Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland und arbeitet heute bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.

Kermani als Vertreter einer globalen Ökumene

"Den Schriftsteller Navid Kermani rügte die Literaturkritikerin Iris Radisch, weil er eine Protagonistin seines Romans 'zum Anbeißen' findet", erwähnte die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG in ihrer Sexismus-Glosse – und das muss zitiert werden, weil einige Tage später dieselbe Zeitung einen Feuilletonaufmacher hatte, in dem Navid Kermani für höchste Weihen vorgeschlagen wurde.
"Demnächst brauchen wir einen neuen Bundespräsidenten", schrieb Paul Ingendaay und zählte auf, was alles für einen Bundespräsidenten Navid Kermani als "ein anderes Modell, ein zuverlässiger Spiegel der neuen deutschen Wirklichkeit" sprechen könnte: "Als Wissenschaftler hat der Sohn iranischer Eltern, die 1959 nach Deutschland kamen, viel über seinen Glauben publiziert."
Und: "Kermani ist das Gegenteil eines ideologischen Grabenkämpfers; er steht für eine weitgefasste globale Ökumene, die das Beste der Weltreligionen einschließt und sie für die friedliche Zukunft der Gesellschaften in die Pflicht nimmt." Und so was wie mit dem "Anbeißen" schreibt er bestimmt nie wieder.

Der "Spiegel" auf Kermani-for-President-Tour

"Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani, 48, gilt als einer der wichtigen Intellektuellen dieses Landes. Im Jahr 2015 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet."
So hieß es im SPIEGEL – der offenbar ebenfalls auf Kermani-for-President-Tour ist. Und deshalb druckt er eine vierteilige Serie von Reportagen Kermanis, die "in die Außenbezirke der westlichen Welt" führen. So wie in den Festsaal des Restaurants Lindengarten im mecklenburgischen Schwerin, zu einem Informationsnachmittag der AfD mit Kaffee und Kuchen und gepflegter deutscher Gastlichkeit.
"Am häuslichsten gibt sich die blonde Dame, die bis vor Kurzem einen Escort-Service für arabische Kunden betrieb, wie wohl jeder im Saal weiß, weil sie deswegen von der Landesliste gestrichen worden ist. Im Kreisverband hat sie sich dennoch als Direktkandidatin durchgesetzt", schrieb Navid Kermani und geht dann sehr sensibel Gründen für den Wahlerfolg der AfD nach.
Navid Kermani hält am 18.10.2015 bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels nach der Auszeichnung seine Dankesrede
Der Schriftsteller Navid Kermani, hier bei seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 18.10.2015. © picture alliance/dpa/Arne Dedert
"Jeder im Lindengarten hat eine eigene Sorge, der eine seine Rente, der andere die private Krankenversicherung, die er im Alter nicht mehr kündigen darf, ein weiterer die Fremden im Straßenbild, schließlich die hohen Gebühren im Kleingartenverein, und alle lesen die gleichen Bücher, die vor dem Islam warnen. Nicht Hass, Furcht ist es, die aus den Sätzen spricht, Furcht, dass sie Verlierer sind im eigenen Land."
Navid Kermani redet mit diesen Menschen. Der nächste Evangelische Kirchentag will keine AfD-Politiker einladen – genauso, wie das schon der Katholikentag in diesem Jahr gemacht hat.

AfD zum Kirchentag einladen?

"Man kann die AfD nicht nicht einladen. Sie ist schon da. In Wittenberg, wo sonntags der große Abschlussgottesdienst stattfinden soll, wählte sie bei der Landtagswahl im März jeder Vierte", war in "Christ & Welt" zu lesen. "Dem Kirchentag bleibt deshalb nur eins: Die AfD explizit einladen", meinte Hannes Leitlein.
"So wie es vor Kurzem eine Pastorin in den USA mit Donald Trump getan hat. Als er versuchte, die Veranstaltung für seine Zwecke zu nutzen, wies sie ihn in die Schranken und zerrte ihn zurück zum Thema. Das Video ging um die Welt. Es könnte zur Gebrauchsanweisung werden für den Umgang mit Rechtspopulisten und Rassisten."
Da denken wir auch gleich wieder an den letzten Satz des ZEIT-Artikels von Thomas Assheuer über Donald Trump.
"Ob er einen Krieg mit China anfangen werde, wurde Trump einmal gefragt. Seine Antwort: 'Wer weiß'?"
Bitte keinen Faktencheck!
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