Aus den Feuilletons

Die Gegenwartsdramatik ist nicht tot

04:05 Minuten
Der österreichische Autor Thomas Köck beanwortet nach der Vorstellung seines Stückes "paradies spielen (abendland, ein abgesang" Fragen auf einem Gesprächspodium. Thomas Köck gewinnt den Mülheimer Dramatikerpreis 2018. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis gilt als eine der wichtigsten Bühnen-Auszeichnungen.
Der österreichische Autor Thomas Köck hat zum zweiten Mal in Folge den Mülheimer Dramatikerpreis gewonnen. © Roland Weihrauch/dpa
Von Gregor Sander |
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Der frühere Feuilletonchef der "FAZ", Günther Rühle, wird 95 und schimpft über den aktuellen Zustand des deutschen Theaters. Die "SZ" hingegen schwärmt vom diesjährigen Dramatikerpreisträger Thomas Köck und der Aktualität seines Stücks.
"Das Feuilleton ist ein loser Verbund. Da ist jeder für sich selbst verantwortlich", sagt Günther Rühle. Und der muss es wissen. Jahrelang leitete er das Feuilleton der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Zum 95. Geburtstag widmet die ihm nun ein langes Interview, in dem er auch sagt:
"Im Theater haben Sie es mit einem Haufen von Irren zu tun, da müssen Sie Seelenpfleger, Pläneschmied, Kunstkenner, Innen- und Außenminister in einer Person sein."
Denn auch mit dem Theater kennt sich Rühle aus. 1984 wurde er Intendant des Schauspiel Frankfurt. Allerdings enttäuscht den Jubilar die aktuelle Dramatik:
"Die Gesellschaft ist voller Themen, aber das Theater ist von den Autoren, die solche Themen gestalten könnten, völlig verlassen."

Thomas Köck macht Mut

Zumindest da widerspricht Christine Dössel von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG: "Dass die Gegenwartsdramatik tot sei, ist nur ein Gerücht."
Mut macht der Kritikerin der 1986 geborene Thomas Köck. Der gewann gerade, wie im Vorjahr, den Mühlheimer Dramatikerpreis und schlug dabei unter anderem Elfriede Jelinek aus dem Rennen. Mit einem Stück über eine junge vietnamesische Frau:
"Köcks Gewinnerstück 'atlas' erzählt in einem Sprachstrom von Flucht und Wiedervereinigung – aus vietnamesischer und ost-west-deutscher Perspektive. Über drei Generationen entfaltet sich eine komplexe Familiengeschichte, die auch eine Geschichte von Arbeitsmigration ist, ausgehend von einer jungen Frau, die nach ihren vietnamesischen Wurzeln sucht."

"Berlin - eine Stadt von Piefkes"

Klingt spannend, wurde am Schauspiel Leipzig uraufgeführt und könnte doch vielleicht sogar Geburtstagskind Günther Rühle gefallen?! Der teilt in der FAZ lieber noch gegen seinen alten Arbeitgeber, den Berliner TAGESSPIEGEL, aus, dessen Feuilleton er ab 1990 leitete:
"Berlin ist eine Stadt von Piefkes, der durch den Krieg sowohl die jüdische als auch die technische Intelligenz abhandengekommen war. Mit dem Rest konnte man nicht viel machen. Die Auflage stieg nicht, im Osten hatten wir fast keine Verbreitung, dann kamen wirtschaftliche Probleme hinzu und die Zeitung stand vor der Pleite. Das nackte Elend. Der 'Tagesspiegel' enttäuscht mich jeden Tag."
Trotzdem gratuliert natürlich auch der TAGESSPIEGEL seinem nun 95-jährigen Ex-Feuilletonchef. Peter von Becker attestiert ihm:
"Nicht allein Wissen, sondern ein Bewusstsein vom künstlerischen Ausdruck als verdichtetes, als erweitertes Leben."

Bjarne Mädels Abneigung gegen das Fernsehen

Der Schauspieler Bjarne Mädel bekennt in der SZ:
"Ich hab mich immer als Theaterschauspieler verstanden, das tue ich auch jetzt noch, obwohl ich schon so viele Jahre viel mehr Film als Theater gemacht habe."
Wer Mädel eher aus "Stromberg", "Mord mit Aussicht" oder als "Tatortreiniger" Schotty kennt, dem erklärt er trotzdem seine Abneigung gegen das Fernsehen:
"Normalerweise spricht man nur Alltagssprache, das fand ich meist langweilig. Und dann oft dieses Krimithema: Wo waren Sie, was haben Sie gestern Abend gemacht? Und diese verstaubten Beziehungsklischees von Mann und Frau im Fernsehen."

NETFLIX-Serie über Leipziger Kinderzimmer-Dealer

Recht hat er natürlich und so ist Mädel jetzt zwar trotzdem nicht beim Theater gelandet, aber zumindest bei den coolen Streamern von NETFLIX. Deren neue deutsche Serie heißt: "How To Sell Drugs Online (Fast)" und erzählt von zwei Teenagern, die aus ihrem Kinderzimmer Drogen im Darknet verkaufen. Wem das nun wirklich zu abgefahren klingt, den belehrt die SZ.
Der reale Leipziger Dealer Maximilian S., der aus seinem Kinderzimmer heraus fast eine Tonne Drogen über das Internet verkauft hat, galt als Vorlage. 2015 fand die Polizei bei ihm Koks, Speed, Pillen, MDMA und LSD im Wert von vier Millionen Euro.

Dreifache Revolution in Österreich

Manchmal kann die Realität aber auch ganz wunderbar sein. So wird durch die Schmierenkomödie um das sogenannte Ibiza-Video erstmals eine Frau in Österreich Bundeskanzler. Die Verfassungsrichterin Brigitte Bierlein schließt die Lücke bis zur Neuwahl im September. Friedrich Küppersbusch kommentiert das in der TAZ so: Frau, parteilos, kompetent – drei Revolutionen zum Preis von einer.
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