"Die Mehrheit kauft sich pro Jahr nullkommanull Bücher"
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" beschäftigt sich mit einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Laut dieser sind Menschen, die Bücher kaufen, egal ob beim Buchhändler um die Ecke oder bei einer digitalen Plattform, hierzulande zu einer Minderheit geworden.
Nicht zuletzt, weil Sie diesen Sender eingeschaltet haben, unterstellen wir: Sie kaufen sich gelegentlich ein Buch, liebe Hörer, und finden nichts dabei. Aber wussten Sie, dass Sie als Buch-Käufer im Goethe-Grimm-und-Grass-Land neuerdings zu einer Minderheit gehören?
Die knappe Mehrheit der Hiesigen – soweit älter als zehn – kauft sich nämlich pro Jahr nullkommanull Bücher. So steht es in der Studie "Leser – quo vadis?", die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels initiiert hat. In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG betonte Sandra Kegel:
"Neuerdings sind es nicht die Idiosynkrasien der Kunden, die die Buchbranche um den Schlaf bringen. Es sind die Millionen ehemaliger Kunden, die sich gänzlich vom Buch verabschiedet haben. Sie entscheiden sich nicht mehr für den einen vielleicht überraschenden Titel, sondern für gar keinen mehr. Zwischen 2013 und 2017 haben 6,4 Millionen Deutsche, die zuvor regelmäßig lasen, nicht mehr ein einziges Buch erworben, weder bei einer digitalen Plattform noch in der Buchhandlung um die Ecke."
Bücher als Nischenobjekte wie Vinyl-Schallplatten
So die FAZ-Autorin Kegel, deren Bericht uns nicht in Ruhe lässt… Denn wie lange mag es jetzt noch dauern, bis Bücher als Nischenobjekte stilbewusster Retro-Avantgarden mit Vinyl-Schallplatten gleichziehen? Texte werden sicher bleiben – könnten aber bald ganz anders aussehen. Und zwar, falls sich die gendergerechte Sprache durchsetzt… Zu deren Verfechtern Henning Lobin und Damaris Nübling gehören.
Die Sprachwissenschaftler erklärten in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, "warum eine geschlechtergerechte Sprache nicht nur sinnvoll und wichtig, sondern auch demokratische Pflicht ist". Dickster Dorn in Lobin und Nüblings Augen: das generische Maskulinum, das nach altem Verständnis beide Geschlechter umfasst. Soll heißen: In 'Lehrer' ist 'Lehrerin' immer schon eingeschlossen.
Menasse und Zaimoglu gegen gendergerechte Sprache
Für die SZ-Autoren eine unhaltbare Sichtweise – gegen die sie mit einem Zitat ihrer Kollegin Luise Pusch protestierten: "'Das generische Maskulinum macht Frauen besser unsichtbar als jede Burka.'" Die Wochenzeitung DIE ZEIT fragte unterdessen ausgewählte Schriftsteller: "Wie halten Sie es mit dem Gender?" Und zwar speziell mit Blick auf "Binnen-I, Sternchen und Partizipien" - etwa "Studierende" statt Studenten. Eva Menasse hält es wie folgt:
"Ich werde niemals gender-'gerecht' schreiben, ich werde immer ungerecht, subjektiv, stur und nach meiner eigenen Façon schreiben. Falls das eines Tages nicht mehr möglich sein sollte, werde ich gar nicht mehr schreiben. Dann werde ich mich bei Wasserin und Brotin in ein mannshohes, frauenrundes Gender-I aus Plexiglas einsperren lassen und mich dem Spott der Massinnen und Massen anheimgeben."
Nicht so albern wie Menasse, dafür ungnädiger: Feridun Zaimoglu: "Der Genderjargon markiert. Die Literatur ist aber kein Stadtfaltplan. Die tobenden Frauen und Männer, die sich an der Debatte beteiligen, gehören der bürgerlichen Klasse an. Der Interpunktionsirrsinn ist die Ausgeburt der höheren Töchter. Der Restaurationswahn ist das Gespei der spröden Oberschichtler. Wir sind nicht in der Benimmschule. Ich halte mich nicht an eine Grammatik der Gesinnung."
Die TAGESZEITUNG, die stets auf der Seite der Vertreter*Innen des Binnen-I und eben des Sternchens steht, gab sich sarkastisch und veröffentlichte "10 Gründe, warum gendergerechte Sprache echt der letzte Müll ist". TAZ-Grund Nr. 4: "Sprache soll Wirklichkeit abbilden. Und die ist nun mal ungerecht. Passt doch." Der Pennäler*Innen-Trotz der TAZ-Redaktion steigerte sich bis zu Grund Nr. 10: "Mal ehrlich: es sieht einfach scheiße aus. Mit diesen ganzen Strichen und Sternchen – wer hat da noch Lust, weiterzulesen?"
Falls Sie Lust haben, weiterzuhören, aber nur, wenn wir endlich das Thema wechseln – nun, das tun wir. In der Tageszeitung DIE WELT behauptete Henryk M. Broder: "Das deutsche Mitleid mit Migranten ist eine neue Spielart von Nationalismus und Kolonialismus – diesmal aber bunt, tolerant und weltoffen." Hier ließe sich einwenden "Was bunt, tolerant und weltoffen ist, kann kein Nationalismus sein – das wäre ein Widerspruch in sich"… Aber einen Broder kratzt das nicht.
Willkommenskultur als moderne Operette
Seine provokanteste Frage lautete: "Was tun wir den Flüchtlingen an, damit wir uns gut fühlen können, was muten wir ihnen zu, damit wir nach dem letzten 'Tagesthemen'-Bericht in dem Bewusstsein einschlafen können, auf der richtigen Seite zu stehen, bei den Guten, Hilfsbereiten und Vorurteilslosen, die den Verdammten dieser Erde die Hand reichen, in der ein paar Münzen klimpern? Wir sind weder gut noch hilfsbereit, noch vorurteilslos. Und die Willkommenskultur, die wir erfunden haben, ist eine moderne Operette, in der nur mitspielen darf, der dreimal am Tag 'Kein Mensch ist illegal!' ruft. Es geht um unsere humanitäre Leistungsbilanz, nicht das Wohlergehen der Objekte unserer Fürsorge. Wir sind nicht deren Retter, sie sind unsere Opfer." In seinem Furor unsachlich: Henryk M. Broder in der WELT.
Appell eines Hungerstreikenden
Abschließend zur Fußballweltmeisterschaft in Russland… Aber, liebe Fans, freuen Sie sich nicht zu früh. In der FAZ schilderte Serhij Zhadan das Schicksal des ukrainischen Regisseurs Oleg Senzov, der in Moskau zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde und nun in den Hungerstreik getreten ist.
"Ihr wollt Fußball gucken? Währenddessen sterbe ich. Und ihr sollt davon wissen. Alle, ohne Ausnahme, sollen davon wissen. Sonst wird die Position unseres Landes nichts wert sein. Sonst ist nichts mehr etwas wert. Tust du so, als wüsstest du nichts über die politischen Häftlinge? Du weißt nichts davon, dass einer von ihnen mit der Forderung in den Hungerstreik getreten ist, mehrere Dutzend in russischen Gefängnissen sitzende ukrainische Bürger freizulassen? Jetzt weißt du es. Jetzt hast du keine Chance, so zu tun, als wüsstest du nicht Bescheid."
Oleg Senzovs Appell an alle Fußball-Freunde - formuliert von FAZ-Autor Zhadan.
Ja, es geht bitter zu auf der Erde. Trotzdem oder gerade deswegen gefällt uns die Parole, die in der WELT Überschrift wurde: "Träumt, Kinder, träumt!"