Hinweis: Im Audio zu diesem Beitrag ist (anders als hier im Text) leider ein falscher Titel für das Stück von Ersan Mondtag beim Berliner Theatertreffen genannt. Mondtag inszeniert "Die Vernichtung".
"Die meisten Theaterleute sind voll die eitlen Säcke"
Am Wochenende geht es los: Das Berliner Theatertreffen. Grund für den "Tagesspiegel", seinen Lesern die volle Dröhnung zu geben - und einen jungen Wilden von der Leine zu lassen. Der die Gelegenheit ergreift und deutlich seine Kollegen kritisiert. Subtiler provokant war hingegen A.R. Penck, über den die "Welt" schreibt.
Am Wochenende beginnt das Berliner Theatertreffen und der TAGESSPIEGEL widmet dieser dramatischen Leistungsschau sein ganzes Freitags-Feuilleton. Und lässt im Aufmacher einen jungen Wilden von der Leine:
"Ich würde ja voll gern die Schaubühne übernehmen, wenn Thomas Ostermeier dort mal weggeht. Vielleicht geht er ja nach New York, an den Broadway", ...
... witzelt Ersan Mondtag, der mit seiner Inszenierung "Die Vernichtung" aus Basel eingeladen ist. Einen Programmentwurf hat der Dreißigjährige auch schon:
"Ich hätte keinen Ibsen auf dem Spielplan, keinen Schiller, keinen Hebbel, keinen Shakespeare. Antike würde ich machen, so an die Peter-Stein-Tradition anknüpfend. Aber in Überschreibungen: Dass man die Theatergeschichte als Grundlage verwendet, um neue Autorenschaften zu entwickeln. Elfriede Jelinek arbeitet ja zum Beispiel so, die finde ich großartig!"
Über "Arsch, Asche und Vegetation"
Nicht ganz so großartig findet der gebürtige Berliner hingegen seine Kollegen, wie er dem TAGESSPIEGEL anvertraut:
"Die meisten Theaterleute sind voll die eitlen Säcke; ganz schlimm! In der Kantine sitzen, trinken, Feindbilder konstruieren und die ganze Zeit nur darüber sprechen, wie geil man selber ist – das ist das, was ich mit Narzissmus meine."
Etwas subtiler provokant war der Maler A.R. Penck, der nun 77-jährig in Zürich gestorben ist und der Hans-Joachim Müller von der Tageszeitung DIE WELT immer noch verwirrt:
"Wenn man zurückdenkt, dann weiß man es nicht mehr so recht, was das rasch aufblühende Aufsehen in Wahrheit ausmachte. Waren es die markanten Strichmännchen, die bald zu Baselitz’scher 'Helden'-Größe aufwuchsen? Oder waren es mehr die halluzinierenden Texte, in denen der Maler eine seltsame Theorielyrik entwarf – über "Arsch, Asche und Vegetation" und manch andere erstaunliche Dinge?"
Von der DDR 1980 ausgebürgert, hatte Penck keine Schwierigkeiten im westdeutschen Kunstbetrieb Fuß zu fassen. Aber er wurde auch hier immer mal wieder falsch verstanden, wie Gottfried Knapp in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG feststellt:
"Eine Zeit lang wurde Penck sogar als "Vater der Jungen Wilden" vereinnahmt, obwohl er ganz andere bildnerische Vorstellungen hatte als die Vertreter jener etwas jüngeren Malergeneration, die sich reichlich unreflektiert dem Pinselrausch hingaben und eigentlich jedes Motiv für malenswert hielten."
Für Claus Löser von der TAZ hatte Penck, der eigentlich Ralf Winkler hieß, ganz einfach Vorbildcharakter:
"Hätte es ein paar Menschen mehr mit der Courage des Künstlers und Menschen Ralf Winkler gegeben, die DDR wäre weniger grau gewesen oder früher zusammengebrochen."
Für weltweite Diskussionen sorgt gerade die Netflix-Serie "13 Reasons Why", die seit Ende März abrufbar ist und den Selbstmord einer Schülerin behandelt.
"Man kann kaum hinsehen", ...
... stellt Kathrin Höllmer in der SZ fest:
"Die Schülerin Hannah Baker beobachtet erst, wie eine Freundin von einem Mitschüler vergewaltigt wird, später wird sie selbst vergewaltigt und begeht schließlich Suizid. Man sieht diese Szenen aus nächster Nähe."
Hilflos dem neuen Medium gegenüber
In der TAZ formuliert Maik Brülls den Vorwurf besorgter Eltern und Psychologen:
"Die Serie könnte Jugendlichen suggerieren, dass Hannahs Suizid ein Ausweg wäre – und das ist gefährlich."
Weltweit werden nun jugendliche Nachahmer befürchtet. In Neuseeland ist es daher nur erlaubt, die Serie im Beisein eines Erwachsenen zu sehen. Auch wenn bezweifelt werden darf, dass das funktioniert, bei uns gibt es gar keine Möglichkeit von staatlicher Seite aktiv zu werden, wie in der SZ zu lesen ist:
"In Deutschland ist für solche Bewertungen die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten zuständig – in der Theorie jedenfalls. Weil Netflix kein deutscher Sender ist, sind der KJM in diesem Fall die Hände gebunden; gegen internationale Streamingdienste mit Sitz im Ausland kann die Kommission nicht vorgehen, dazu fehlt ihr die Befugnis."
Wie hilflos viele Eltern dem neuen Medium gegenüber sind, erklärt wohl auch die Tatsache, dass seit 2009 nicht eine inhaltliche Beschwerde gegen Streamingdienste bei der Kommission für Jugendmedienschutz eingegangen ist.