Aus den Feuilletons

Die mündige Zivilgesellschaft und ihr Müll

04:19 Minuten
Das Bild zeigt einen Studenten, der am Aasee in Münster Müll aufsammelt. Zahlreiche Ausflügler hatten den Müll am 1. Mai liegen gelassen.
Ein Student sammelt in Eigeninitiative Müll am Aasee in Münster. Zahlreiche Ausflügler hatten den Müll am 1. Mai liegen gelassen. © dpa / picture alliance / Guido Kirchner
Von Tobias Wenzel |
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Sascha Lobo, sonst für alles Digitale zuständig, hat sich ganz analog Gedanken über Müllverwertung gemacht. Sind die Konsumenten oder die Firmen am Müll schuld? Lobo sagt: die Firmen. Die FRANKFUTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint: Nicht durchdacht.
"Was für ein Füllhorn! Oder doch nur Kraut und Rüben?", fragt DIE ZEIT. "Bilder keiner Ausstellung", titelt die WELT. "Die Kunstbiennale in Venedig verzichtet auf einen Überbau. Sie will verstören und unterhalten. Ob das gut geht?", fragt Marcus Woeller. Seine Antwort: eher nicht. "Ein roter Faden hätte gut getan, man muss ihn ja nicht gleich Konzept nennen", schreibt er in der WELT.
Zwar schätzt er die ausgestellte Fotokunst. Aber sonst scheint ihm der diesjährige Kurator Ralph Rugoff nicht ganz geheuer zu sein: "Rugoff hat ein Faible für sinnlich effektvolle, mitunter sinnlos effekthascherische Kunst."

Fremd die Werke, fremd der Betrachter

Hanno Rauterberg von der ZEIT hat es zwar die Malerei dieser Biennale angetan, weil er da etwas Anregendem und Verbindlichem begegnet sei. Sonst ist der Kunstkritiker aber enttäuscht:
"So wie sich die Kunstwerke untereinander fremd bleiben, fremdeln auch die Betrachter, und rasch geben sie es auf, die ausgestreuten Dinge mit Bedeutungsfäden verknüpfen zu wollen", schreibt Rauterberg und nennt Beispiele für das Zusammengebrachte, das so gar nicht zusammenpasst:
"Da tragen Schaufensterpuppen Kleider aus Badezimmerkacheln (Zhanna Kadyrova). Da hängen rostige Ketten von der Decke, die in bernsteinfarbenes Harz getunkt wurden (Yu Ji). Da werden gehäkelte Anemonen gezeigt (Christine und Margaret Wertheim), ein zersägtes Motorrad (Alexandra Bircken) oder auch schwarze Müllsäcke aus Marmor (Andreas Lolis). Dazwischen eine lebensgroße Plastikkuh, die auf Schienen im Kreis herumfährt (Nabuqi)."
Da fragt man sich, was für ein Verständnis von Ästhetik dieser Kurator hat. Rauterberg gibt, wenn auch etwas böse überspitzt, eine Antwort: "Als folgte er dem alten Motto des Dichters Lautréamont, ist seine Biennale so schön wie das 'zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch'."

Wer ist verantwortlich für unseren Müll?

Julia Bähr seziert für die FRANKFUTER ALLGEMEINE ZEITUNG die "re:publica". Bähr ist aufgefallen, dass zum Geist dieser Berliner Digitalkonferenz ein "Misstrauen gegenüber Konzernen" gehört. Klingt doch erst einmal kritisch und gut. Allerdings belegt Bähr, dass diese Grundhaltung bei einigen Rednern krude Schlussfolgerungen hervorgebracht hat.
06.05.2019, Berlin: Sascha Lobo, Autor, spricht bei der Internetkonferenz "re:publica". Die Konferenz der Netzszene findet vom 06.05-08.05.2019 statt. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Sascha Lobo bei der Internetkonferenz "re:publica": Zu seinen Themen gehört neuerdings auch, wie wir mit Müll umgehen.© dpa / picture-alliance / Britta Pedersen
Auch bei Sascha Lobo. In Julia Bährs Worten: "Er habe sich früher am Strand immer über die Menschen aufgeregt, die Getränkedosen und Plastikmüll dort liegen ließen, sagte er. Aber das sei falsch. Man müsse die Unternehmen in die Verantwortung nehmen, die die Dosen und Tüten hergestellt haben."
Bähr kommentiert das so: "Diese Perspektive ist erstens gar nicht konsequent weiterzuführen – wenn Menschen ihre alte Waschmaschine am Ufer eines Sees entsorgen, was ja durchaus vorkommt, ist dann der Hersteller der Waschmaschine verantwortlich?", fragt sie. "Zweitens begibt man sich damit in einen sonderbaren Widerspruch zur Forderung nach einer mündigen Zivilgesellschaft. […] Seinen Müll nicht einfach fallen zu lassen, wo man geht und steht, zählt sicher zu den zumutbarsten Erwartungen, die man an Erwachsene stellen kann."

Woody Allen für kleines Geld

Die Zivilgesellschaft – ob mündig oder nicht, sei dahingestellt – scheint dafür verantwortlich zu sein, dass Woody Allen in den USA keinen Verlag für seine Memoiren findet. Der vermutliche Grund: der im Raum stehende Vorwurf des Missbrauchs, den Allen an seiner eigenen Tochter begangen haben soll.
Über Allens bisher vergebliche Verlagssuche in Me-Too-Zeiten hat schon die FAZ berichtet. Iris Radisch ergänzt nun in der ZEIT, dass der Penguin-Verlag im Jahr 2003 dem Regisseur mit drei Millionen Dollar seine Memoiren entlocken wollte.
Das sei Allen aber damals zu wenig gewesen. Wenn Sie, liebe Hörer, jetzt denken "So ein Quatsch! Das ist doch viel zu viel Geld!", dann hat Iris Radisch einen Tipp für Sie. Woody Allen geht nämlich auch deutlich günstiger.
Im Juni komme er nach Deutschland, "als Klarinettenspieler": "Vereinzelte Karten zwischen 300 und 68 Euro soll es noch geben."
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