Aus den Feuilletons

Die Polizei siegt sich zu Tode

04:09 Minuten
Eine Reiterstaffel der Polizei während einer Demonstration.
Die "Zeit" kritisiert die Polizeiforderung nach besserer Ausrüstung und mehr Beamten in Zeiten rückläufiger Gewaltkriminalität. © Ralph Peters / imago-images
Von Arno Orzessek |
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Die "Zeit" nimmt die Kritiker der Polizei in Schutz und postuliert, es sei eine Frage der Demokratie, der Staatsgewalt zu misstrauen. Einen Polizeifunktionär empfiehlt sie gar dem Verfassungsschutz zur Beobachtung.
Die Wochenzeitung DIE ZEIT bemerkt, deutsche Polizeifunktionäre würden gerade "recht dünnhäutig" auf Kritik reagieren. Dabei sei es "eine Frage der Demokratie, der Staatsgewalt zu misstrauen". Nun, man könnte genauso behaupten, dass ohne ein gewisses Vertrauen in die Staatsgewalt die Demokratie recht wacklig werden kann.
Doch Martin Eimermacher meint: "Einen Generalverdacht gegenüber der Exekutive zu hegen ist keineswegs radikale Gesellschaftskritik, sondern entspricht im Kern erst einmal nichts anderem als dem Prinzip der Gewaltenteilung."

Perfide Kommunikationsstrategie

Puh! Der Generalverdacht als praktizierte Gewaltenteilung? Eine steile These! Eimermacher macht indessen ernst und bezichtigt die Polizei einer perfiden Kommunikationsstrategie:
"Die Polizei steckt gewissermaßen in einem Dilemma. Je stärker die Gewaltkriminalität zurückgeht (und das tut sie: Aktuell leben wir in so sicheren Zeiten wie wohl noch nie), desto weniger kann sie ihre Forderung nach mehr Beamten und besserer Ausrüstung rechtfertigen, man kennt dieses Zu-Tode-Siegen von den Corona-Maßnahmen."
Und weiter:
"Aber rechtfertigt das die Untergangsszenarien auf Polizei-Pressekonferenzen? Und das 'Wir stehen kurz vor dem Bürgerkrieg'-Geraune des Polizeigewerkschafts-Promis Rainer Wendt, der derart ressentimentgeladen über rechtsstaatliche Prinzipien hinwegmäht, dass man ihn fast schon durch den Verfassungsschutz beobachten lassen möchte."
So Martin Eimermacher, dessen ZEIT-Artikel die bürgerliche Leserschaft teils foppen dürfte.

Für die Beibehaltung des Rassebegriffs im Grundgesetz

Umgekehrt dürften sich Linksliberale über Nahed Samour und Cengiz Barskanmaz mokieren. Denn die beiden Autoren plädieren in der Wochenzeitung DER FREITAG für die Beibehaltung des Begriffs "Rasse" im Grundgesetz:
"Gerade weil die Wirkung des Konzepts der Rasse gesellschaftlich weiterhin spürbar und allgegenwärtig ist, kann es sich das Recht nicht leisten, die soziale und analytische Relevanz dieses Begriffs zu ignorieren. Es würde grotesk wirken, wenn wir den US-amerikanischen Kolleg*innen nach der Ermordung von George Floyd berichten würden, dass unsere Lektion daraus die Löschung des Diskriminierungsmerkmals der Rasse ist. Wir brauchen keinen symbolischen Aktionismus, sondern eine Versachlichung der Debatte, um so strukturelle Diskriminierung bekämpfen zu können."
Nahed Samour und Cengiz Barskanmaz im FREITAG.

Debatte um ein Gemälde im Städelmuseum

"Wir müssen dringend reden!" ruft die Tageszeitung DIE WELT ihrer Leserschaft zu. Und zwar, weil das Gemälde "Der Ziegelneger" von Georg Herold - es hängt im Frankfurter Städel-Museum - einen Shitstorm ausgelöst hat. Der Vorwurf: Rassismus. Für Hans-Joachim Müller ist das eine totale Verdrehung:
"Wir brauchen genau diese Kunst, die einen zusammenzucken lässt, indem sie antriggert, was das Sprechgebot und Sprachverbot in Wahrheit ja nur kaltstellt, aber nicht aus dem verborgenen und immer aktiven Zeichen- und Bildervorrat der Fantasien löscht. Der groteske 'Rassismus'-Vorwurf ist nichts anderes als vermeintlicher Rückzug in den Schutzraum sprachamtlich beglaubigter Codes, in dem sich das korrekte Menschsein komfortabel aushalten lässt, in dem man aber leider nicht gefeit ist gegen interpretatorischen Schwachsinn."
Klare Kante: Hans-Joachim Müller in der WELT.

Eine Dichterin klagt an

"In der Farbe meiner Haut spiegelt sich Vergewaltigung", hebt die US-amerikanische Lyrikerin Caroline Randall Williams in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG an:
"Meine Familiengeschichte hat es schon immer gezeigt und moderne DNA-Tests bestätigten, dass ich die Nachfahrin schwarzer Frauen bin, die Haushaltshilfen waren, und weißer Männer, die ihre Dienstboten vergewaltigten. Es ist die Wahrheit meines Lebens, dass ich biologisch gesehen mehr als zur Hälfte weiß bin, und dennoch habe ich seit Menschengedenken keine Weißen in meiner Genealogie. Kein! Freiwilliges! Weißsein! Weiße Männer aus dem Süden - meine Vorfahren - nahmen von Frauen, die sie nicht liebten, aber über die sie außerordentliche Macht besaßen, was sie wollten, aber ihre Kinder erkannten sie nicht an."
Voller Klarheit und Anklage: Caroline Randall Williams in der SZ.
Und das war’s für heute. Mag sein, dass einige gern noch länger zuhören würden und jetzt enttäuscht sind. Doch wie heißt es in einer Überschrift der ZEIT? "Das müssen sie aushalten."
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