Aus den Feuilletons

Die Silvester-Nacht in Köln und die Flüchtlinge

Polizisten stehen am Abend mit dem Rücken zur Kamera vor dem Kölner Hauptbahnhof.
Polizisten vor dem Kölner Hauptbahnhof. Nach den sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt. © dpa / Maja Hitij
Von Klaus Pokatzky |
"Die Flüchtlinge sind nicht verantwortlich für das, was an Silvester in Köln und in anderen deutschen Städten geschah", stellt Joachim Güntner in der FAZ klar und warnt, dass die Vorfälle von Rechten instrumentalisiert werden beim Schüren einer "Ausländer-raus-Stimmung".
"30 Personen stehen drauf und nicht eine einzige Frau ist darunter." Das lesen wir in der Tageszeitung TAZ über eine Longlist der eigentlich komischen Art: Es geht um den Comicpreis des Grand Prix des Festivals im französischen Angoulême - für die Comicwelt das "wichtigste europäische Festival", wie Michael Brake schreibt.
"Unmittelbar nach Veröffentlichung der Liste am 5. Januar gab es daher einen Boykottaufruf"; etliche Männer, die auf der frauenfreien Liste standen, wollten ihren Namen gelöscht wissen - und siehe da: "Auf seiner Website gab das Festival bekannt, die Liste zu erweitern - ohne einen der anderen 30 Namen zu streichen. Wie viele Frauen nominiert werden sollen und wer es wird, ist noch nicht bekannt."
Stimmungsmache gegen Flüchtlinge
Überhaupt nicht komisch ist das Thema, das sich durch fast alle Feuilletons zieht: "Phallisch aggressives Verhalten", wie die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG das betitelt, was in der Silvesternacht in und am Kölner Hauptbahnhof geschehen ist - nämlich, so die Unterzeile, "sexistische Übergriffe als Schattenseite des Kulturimports". "Eine muslimische Macho-Kultur", schreibt Joachim Güntner, "gibt es ja wirklich, auch wenn schnell übersehen wird, dass diese Aggression traditionell dem Schutz der eigenen Familie dient und nicht etwa der Beschimpfung leichtbekleideter moderner Frauen als 'Schlampen'". Joachim Güntner warnt davor, dass das "Jagdrevier mit Frauen als Freiwild" nun von Rechten instrumentalisiert wird beim Schüren einer "Ausländer-raus-Stimmung". "Eines kann man sicher sagen: 'Die Flüchtlinge' (im Kollektivsingular gesprochen) sind nicht verantwortlich für das, was an Silvester in Köln und in anderen deutschen Städten geschah."
Das wird aber die sicherlich nicht beirren, die ihre unbekömmlichen politischen Süppchen kochen wollen. "So hat die Auslandspresse, ohne zu zögern, einen Zusammenhang zwischen den Übergriffen und der Flüchtlingskrise hergestellt und prophezeit unisono, dass die deutsche Asyldebatte von den Vorkommnissen nicht unberührt bleiben werde", ist in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zu lesen: "Die Silvesternacht und wie sie bewältigt wird - das wird als Nagelprobe auf das Gelingen oder Scheitern deutscher Willkommenspolitik gelesen."
Friedrich und die "Lügenpresse"
Und schon haben wieder die Hochkonjunktur, die gerne von der "Lügenpresse" reden. "Zu denen sollte der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eigentlich nicht gehören", steht in der Tageszeitung DIE WELT: "Und doch klingt er wie ein Sympathisant der 'Lügenpresse'-Skandierenden, wenn er behauptet, es gebe ein 'Schweigekartell' der deutschen Medien, das sich nach Köln zu erkennen gegeben habe", schreibt Christian Meier - und beschreibt dann, wie der Kölner Stadt-Anzeiger "bereits am 1. Januar über die sexuellen Angriffe am Hauptbahnhof berichtet". Und: "Beim Kölner WDR verweist man auf eigene Recherchen, die bereits am Nachmittag des 2. Januar auf wdr.de online gingen. Die dpa hatte die erste Meldung am 2. Januar um 18 Uhr an ihre Kunden übermittelt." Das war am Samstag. Andere, wir wissen es, brauchten etwas länger.
Der Berliner TAGESSPIEGEL berichtet noch einmal, wie die "heute"-Nachrichten des ZDF das Ganze einfach verschlafen haben - hat aber überhaupt kein Verständnis für Anti-Medien-Rundumschläge à la Hans-Peter Friedrich von der CSU: "Im Interview mit NDRinfo am Donnerstagmorgen wusste er auf die Frage, was er denn nun dem NDR in Sachen Silvester-Übergriffe-Berichterstattung konkret vorwerfe, keine konkrete Antwort", schreiben Markus Ehrenberg, Joachim Huber und Kurt Sagatz: "Als Friedrich von der Moderatorin darauf hingewiesen wurde, dass der NDR seit Montagnachmittag von den Vorfällen in Köln berichte, seit bekannt wurde, welches Ausmaß das Ganze annehme, sagte Friedrich: 'Das ist gut. Meinen Glückwunsch zu dieser Entscheidung'."
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