Die "Wahrheit über Doris Day"
Wie alt ist die US-amerikanische Schauspielerin Doris Day wirklich?, fragt die "Welt". Nachrechnungen zufolge müsste sie bald Hundert sein. Die Zeitung zitiert einen Hollywoodagenten, der die komplizierte Formel für die Altersberechnung von Stars preisgibt.
Dass man bei der Wahl der Wahrheit, die man für wahr halten möchte, aufpassen muss, sollte inzwischen bekannt sein. Doch Vorsicht, es ist vielleicht noch schlimmer: Auch das Medium, in dem diese Wahrheit enthalten ist, muss es nicht unbedingt geben.
In der FAZ, die es auch an diesem Feuilleton-Tag ganz offensichtlich noch gibt, darf Julia Jäkel das von ihr geführte Unternehmen (in dem es nicht mehr alle Titel gibt, die es da einmal gegeben hat), mit Sätzen wie diesem loben:
"Zweitausendsiebzehn ist ein politisches Jahr. Ein Wahljahr. Darum waren wir bei Gruner + Jahr auch sofort aufmerksam, als Facebook uns vor einigen Wochen um Hilfe bat. ... Natürlich", erläutert Jäkel Mark Zuckerbergs Misere an einem Beispiel, "hat nicht er persönlich Hillary Clinton im Wahlkampf unterstellt, sie würde FBI-Agenten ermorden lassen. Das war eine Zeitung namens 'Denver Guardian'. Nur gibt es die leider gar nicht: 'Denver Guardian' hieß bloß eine Fake-News-Seite, die es mit derart krudem Klickfang auf Werbegeld abgesehen hatte."
Dazu passt folgende Story von Christian Geschwendtner aus der SÜDDEUTSCHEN:
"Wenn es auf Pressekonferenzen für Trumps Sprecher Sean Spicer brenzlig wird, kann er sich auf einige Journalisten verlassen. Zum Beispiel auf Raghubir Goyal. Der Inder bezeichnet
sich als Chefredakteur von India Globe. Aber die Zeitung gibt es nicht. (...) Goyal ist dafür bekannt, auf Pressekonferenzen nur harmlose Fragen zu Indien und Pakistan zu stellen. (...) Sein Nachname ist seit der Amtszeit von George W. Bush ein fester Begriff im Washingtoner Politikbetrieb, wie die Washington Post schrieb. Eine Pressekonferenz 'zu goyalen' bedeutet, Goyal aufzurufen. Nur, um damit von unangenehmen Dingen abzulenken."
Wie man das Alter von Stars herausfindet
Aber wer weiß schon, ob es die Washington Post gibt? Oder das US-Magazin Time. Doch, das muss es zumindest gegeben haben, denn ihm hat Hanns-Georg Rodek für die WELT, die es ja auch immer wieder noch gibt, entnommen, wie man die Wahrheit findet, zumindest die "Wahrheit über Doris Day", sprich: die Wahrheit über ihr Alter, über das in den vergangenen Tagen viel gesprochen wurde (obwohl es aufgerundet in jeder Variante 100 ergeben hat) :
"Das US-Magazin (...) beschrieb die Altersfindung einst so: 'Um das Alter eines Stars zu bestimmen, subtrahiert der Hollywoodagent ihr Geburtsjahr von seinem eigenen Geburtsjahr und verbrennt dann das Blatt Papier, auf dem das Ergebnis stand. Dann addiert er die Anzahl der Fanpostbriefe der letzten Woche und die Einnahmen des letzten Films des Stars, zieht davon ihr Gehalt ab, dividiert das Ergebnis durch die Anzahl der ihr zugeordneten Pressebetreuer, subtrahiert die Anzahl ihrer Heiraten, addiert drei Monate für jedes ihrer Kinder – und zieht dann, aus reiner Galanterie, zehn Jahre ab. Ist ihr Alter dann immer noch höher, als der Studioboss das gerne sieht, werden leichte mathematische Fehler in die Gleichung eingebaut, bis die richtige Antwort herauskommt."
Münsteraner Tatort-Misere
Auf die richtige Formel kommt es also an. Der TAGESSPIEGEL titelt immerhin stolz: "Joachim Huber kennt die Formel für eine 'Tatort'-Rekordquote."
Nämlich: "Münster soll Münster bleiben, bis der Stillstand eintritt."
Damit ist die Wahrheit über die Münsteraner Tatort-Misere allenfalls gegoyalt. Denn dann hätte Münster spätestens am Sonntag um 21 Uhr 45 in Schockstarre verfallen oder, wie Bielefeld, verschwinden müssen. Ist es aber nicht, was sich auch die dpa nicht erklären kann. In der SÜDDEUTSCHEN, - gibt´s auch wirklich, Ehrenwort - berichtet Katharina Riehl:
"Die Nachrichtenagentur dpa hat in ihrer Ratlosigkeit am Montag eine Medienwissenschaftlerin befragt, die das Ermittler-Gespann Thiel/Börne in die `Traditionslinie komischer Duos der Filmgeschichte wie etwa Dick und Doof´ einordnete, aber letztlich natürlich auch nicht wusste, warum 14,56 Millionen Menschen am vergangenen Sonntag diesen wirklich sagenhaft uninspirierten Tatort aus Münster sehen wollten. (...) Drei Erkenntnisse" zählt Riehl auf, "die man aus dem Fernsehsonntag mitnehmen kann: Gesichter sind wichtiger als Geschichten. Wenn mal eingeschaltet ist, ist eh alles Wurst. Und die Deutschen bekommen vielleicht eben doch genau das Fernsehen, das sie verdienen."
Und, das ist dann wohl das Fazit, so bekommt irgendwie am Ende jeder auch die Wahrheit, die er verdient.