Die "Zerstörung der CDU" schreitet zügig voran
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Der angekündigte Rückzug von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer führt in den Feuilletons zu Schnappatmung. Von den "letzten Zügen bei der Zerstörung der CDU" schreibt die "FAZ" und hängt sich damit - neun Monate danach - an die Prophezeiung des YouTubers Rezo ran.
In der Kunst sind den Feuilletons meist Gewinnerinnen und Gewinner die Interessanteren, in der Politik oft die Verliererin oder, wie die TAZ titelt: "Der Verlierer". Aber erst einmal der Gewinner – "The winner is ..." hieß es ja früher, wo sie heute nur noch "The Oscar goes to …" sagen dürfen.
So eingeleitet, wurde, wie es Lory Roebuck in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG ausdrückt, "die Illusion, dass das beste Kino aus Hollywood stammt, um Punkt 5 Uhr 30 ausser Kraft gesetzt".
Das sorgt naturgemäß für Schlagzeilen. Einen "Auswärtssieg für Südkorea" annonciert der TAGESSPIEGEL, die WELT, die es gern ein bisschen größer hat, gar das "Ende der Weltherrschaft" und den "Anbruch eines neuen Zeitalters".
Die TAZ findet, die Oscarverleihung habe "zwischen resignierter Routine und verhaltenem Aufbruch" geschwankt und schwenkt vom Gewinner zu dessen Gegenteil.
"Der Verlierer" steht über Ulrike Herrmanns aktueller Analyse der CDU – wobei: Was heißt da schon "aktuell"? Wer weiß schon, wen es gerade zerlegt, während man die letzte Zerlegung noch zu verstehen versucht. Und wer womöglich gewinnt.
Merz hat nur gegen eine Frau verloren
"Friedrich Merz als AKK-Nachfolger?", fragt Herrmann und antwortet sich selbst wenig überraschend: "Nein, danke." Begründung: "Merz kann Niederlagen nicht eingestehen und strotzt vor Selbstüberschätzung. So einer (ist) sogar in der CDU fehl am Platz."
Und sie bemerkt: "Normalerweise bekommen Verlierer keine zweite Chance. Aber Merz hatte ja gegen eine Frau verloren – und Frauen gelten in der CDU nicht besonders viel. Satisfaktionsfähig sind nur Männer." Merz, meint Herrmann, "wird erst aufgeben, wenn er gegen einen Mann verloren hat".
Dass wir derweil der "Zerstörung der CDU" beiwohnen, erkennt nun, schlappe neun Monate nach Rezo, auch die FAZ. Michael Hanfeld sieht - wir sind schließlich im Feuilleton und am Tag eins nach der "Weltrevolution" bei den Oscars am Werk:
"Es gibt", schreibt der, "ein Drehbuch zur Selbstzerstörung demokratischer Parteien. An dieses hielt sich in den vergangenen Jahren vor allem die SPD. Der CDU könnte das ein warnendes Beispiel sein. Ist es aber nicht. Wie von Geisterhand geführt, vollzieht sie alle Volten abwärts nach und hält sich ans Skript."
Man könnte, sinniert Hanfeld weiter, "freilich auch sagen, dass dieses Buch die Bundeskanzlerin für gleich beide Parteien (und zwischendurch auch die FDP) geschrieben hat. Zuerst setzte Angela Merkel die Sozialdemokraten schachmatt, jetzt geht es um die letzten Züge bei der Zerstörung der CDU."
Ob´s so ist oder nicht – am Ende ist das allenfalls schlimm für die CDU und für die wenigen, die ihr dann noch hinterher weinen werden - nicht aber für diejenigen, die derlei schreiben, oder für die Feuilletons, in denen es zu lesen ist. Und das ist ein großes Glück - eine Freiheit, die nicht, manchmal auch nicht mehr überall herrscht.
Wie es die Herrscher mit der Presse halten
"Das Verhältnis von Presse und Politik war auch in Demokratien nie unkompliziert", konstatiert die SÜDDEUTSCHE. "Mittlerweile aber bedrohen Konflikte oftmals die Informationsfreiheit. Mal subtil und schleichend, mal sehr deutlich werden unliebsame Berichterstatter selbst in pluralistischen Gesellschaften von Informationen ausgeschlossen."
Das Blatt bringt "Erfahrungsberichte" von seinen Korrespondenten: Boris Johnson zum Beispiel. Der "chattet lieber auf Facebook und macht lustige, mit Halbwahrheiten und Auslassungen gespickte Videos. Offenbar", bemerkt Cathrin Kahlweit, hat er "viel bei Donald Trump abgeschaut".
Über den urteilt Hubert Wetzel: "Trump ist der wohl medienfeindlichste Präsident der jüngeren US-Geschichte; zugleich aber macht ihn sein Narzissmus zu einem der mitteilungsfreudigsten."
Für Frankreich unter Macron konstatiert Joseph Hanimann: "Seit Beginn seiner Amtszeit schwankt das Verhältnis der Regierung zur Presse zwischen offener Kritik, überheblichem Wegschauen und versuchter Anbiederung."
In Italien, hat Emma D'Aquino unlängst gewarnt, sehe es nicht gut aus für die Pressefreiheit im Land. Die Journalistin sprach von "gefährlichen Dimensionen".
Von Russland ganz zu schweigen. "Mehrere Journalistinnen und Journalisten", berichtet Silke Bigalke von dort, "bezahlten für ihre Berichterstattung mit dem Leben."
Wir sollten jeden Tag daran denken, was wir da haben, wenn wir unsere Feuilletons lesen. Und immer dafür sorgen, dass es auch so bleibt.