"Ein genialer Beobachter - auch seiner selbst"
In der Kulturpresseschau geht es unter anderem um ein Tagebuch des verstorbenen Schriftstellers Max Frisch, um die ZDF-Krimiserie "Spuren des Bösen" und wie eine Autorin auch ohne Kinder glücklich wird.
"Der Wärter in einem Leuchtturm, der nicht mehr in Betrieb ist; er notiert sich die durchfahrenden Schiffe, da er nicht weiß, was sonst er tun soll." Mit diesem Bild beschrieb Max Frisch sich selbst, seine Unzufriedenheit mit den eigenen Texten. Von 1973 bis 1980 lebte der Schweizer Schriftsteller in Berlin und führte dort Tagebuch. Nach Frischs Tod war es - so hatte der Autor es verfügt - 20 Jahre unter Verschluss.
In einer Woche erscheint es nun in Auszügen. Die hat Volker Hage für den SPIEGEL gelesen. Das Tagebuch aus Frischs Berliner Jahren zeige den Autor als "genialen Beobachter - auch seiner selbst". Frisch machte seine Vergesslichkeit zu schaffen. "Man wird sich selber unglaubwürdig und tut besser daran, zu schweigen", schrieb er in das Tagebuch. "Nachher weiß ich aber nicht einmal, was ich verschwiegen habe." Der Rezensent ist besonders von der Kunst Frischs angetan, Schriftstellerkollegen in wenigen Worten zu skizzieren, zum Beispiel Günter Grass: "Anruf von einer Redaktion genügt, und er verlautbart. Als könne er Aktualität ohne Grass nicht ertragen. Wie heilt man ihn?" Allein für diese Sätze hat es sich ja wohl gelohnt, 20 Jahre auf die Aufzeichnungen zu warten.
Genauso lang hat Elmar Krekeler von der WELT darauf gewartet, einmal einen Film mit Heino Ferch zu sehen und vor Begeisterung "Wahnsinn" auszurufen. Das hat er nun getan. In seiner Kritik der ZDF-Krimiserie "Spuren des Bösen", genauer: der an diesem Montag laufenden Folge "Zauberberg". "Es gibt Filme, da weiß man schon nach fünf Minuten, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn die noch schiefgehen", schreibt Krekeler über den Krimi, in dem Ferch einen Psychologen mit psychischen Problemen spielt. Die Folge "Zauberberg" beginne so: "Es dämmert über Niederösterreich. Ein Kind schaukelt noch." Kurz darauf ist das Kind verschwunden.
Melanie Mühl wird's freuen. "Kinderlos glücklich. Es geht auch ohne, man muss nur wollen", heißt ihr Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Kinder seien lästig, schreibt sie, zum Glück habe sie keine. Einmal hat ihr ein Kleinkind auf die Schulter gekotzt. War wohl schlimm. Fettes Trauma. Kinderhasserin also. Melanie Mühl mag auch keine Patchwork-Familien. Darüber hat sie mal ein Buch veröffentlicht. Und Elmar Krekeler - das ist der von der WELT, der jetzt Heino Ferch lieb hat – hat selbst eine Patchwork-Familie und Mühls Buch damals richtig schön verrissen. Von wegen: Die soll erstmal eine Patchwork-Familie kennenlernen, bevor die darüber schreibt! Was nun wohl Elmar Krekeler durch den Kopf geht, wenn er das Loblied der Kollegin auf die Kinderlosigkeit liest?
Früher hat man nicht gesagt, was man dachte, es vorher lieber hübsch umformuliert. Der SPIEGEL berichtet über die aufgetauchte Theaterkorrespondenz des Schauspielers und Intendanten August Wilhelm Iffland. 1804 schrieb Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauers, besagtem Iffland, damals Intendant am Berliner Nationaltheater: "Ich wage es, obgleich Ihnen völlig unbekannt, mich geradezu an Sie zu wenden, um Sie um Erfüllung eines Wunsches zu bitten, der mich dazu bringt, die Gränzen (sic!) der Bescheidenheit ein wenig zu übertreten, welches wohl selten in meinem Leben der Fall gewesen seyn mag. Sie bereiteten mir eine süße Erinnerung auf viele Jahre vor, wenn sie den Wilhelm Tell Mittwochs, statt Freitag gäben." Schrieb sie, während sie wohl dachte: "Dieser Depp von Theaterdirektor legt alle guten Stücke auf den Freitag. Da hab ich doch Kaffeekränzchen mit Clara und Maria!" – "Den Spielplan mal eben so für eine Wichtigtuerin aus Hamburg ändern? Soweit kommt's noch!", dachte vielleicht der angeschriebene Iffland. Seine Antwort aber lautete:
"Geschmeichelt von Ihrem Vertrauen und dem Anteil, welchen Sie dem Haus widmen, würde ich alles tun Ihren Wunsch ... zu erfüllen, allein in Betreff der Maschinerie stellt sich Unmöglichkeit meinem Willen entgegen."